Schulte Staade, Richard
♦
Wallfahrtsrektor
und Ehrenbürger von Kevelaer |
* 1932
Im Herbst 1999
ging Bürgermeister
Heinz Paal auf die Suche, wie die
Stadt Kevelaer einen verdienstvollen Geistlichen ehren könnte. Den guten
alten Ehrenring neu aufzulegen, der ein paar Mal verliehen worden ist,
fand Paal nicht angemessen. Auch der
Marketingpreis der Stadt war kaum
eine passende Auszeichnung für einen katholischen Priester.
So wurde ein „Sonderpreis“ des Marketingpreises geschaffen, den der
Bürgermeister schon vor dem eigentlichen Verleihungsfest im
Bühnenhaus
an Pastor Richard Schulte Staade überreichte. Anlass war das 25-jährige
Ortsjubiläum des Wallfahrtsrektors im Dezember 1999.
Bischof Heinrich Tenhumberg hatte Schulte Staade, damals Domvikar im
Generalvikariat Münster, im Herbst 1974 zum Nachfolger von
Johannes
Oomen berufen. Der Übergang musste zügig erfolgen, denn
Oomens Gesundheit verschlechterte sich von Tag zu Tag. Im November 1974
gab der Nachfolger von
Heinrich Maria Janssen seine Ämter in Kevelaer
auf.
Richard Schulte Staade
mit
Bischof
Dr. Reinhard Lettmann Ende
der 1970er-Jahre in Kevelaer.
Als „Feuerwehrmann“ sprang Schulte Staade ein und regelte laufende
Aufgaben, bis er Ende Januar 1975 als Pfarrer von St. Marien und Rektor
der Kirchen am Kapellenplatz offiziell eingeführt wurde. Seine erste
Predigt beendete er mit den Worten: „Die Pfarrgemeinde ist sozusagen
eine Filiale der Liebe Gottes.“
Richard Schulte Staade hatte eine eher untypische Vorbereitung auf den
Priesterberuf hinter sich. Auf dem elterlichen Bauernhof in Lüdinghausen
aufgewachsen, war seine bäuerliche Laufbahn eigentlich vorgezeichnet,
doch der junge Landwirt sattelte um, machte sein Abitur nach und begann
1957 – da war er bereits 25 – mit dem Studium der Theologie und
Kunstgeschichte. 1963 empfing er die Priesterweihe.
Nach kurzer Zeit als Kaplan wurde Richard Schulte Staade Bezirksvikar
für das Bischöfliche Kommissariat Niederrhein in Wesel und wechselte
1971 als Domvikar ins Generalvikariat Münster, wo er sich besonders um
die Erwachsenen- und Familienseelsorge kümmerte. Eigene Erfahrungen in
der Seelsorge einer Gemeinde hatte Schulte Staade also kaum, als er
Anfang 1975 „als Pilger von Rees“ zu Fuß nach Kevelaer ging, um hier –
insgesamt 31 Jahre – eine „Filiale der Liebe Gottes“ zu leiten.
Kardinal Antonio Ribeiro,
Patriarch von Lissabon (M.), Bischof Dr. Reinhard Lettmann (2. v.r.) und
Pfarrer Richard Schulte Staade beim Fatima-Tag 1983 in Kevelaer.
Er führte gleich zu Beginn etwas Ungewöhnliches ein, was einige Jahre
später Aufsehen erregte, und zwar bei einer Konferenz der leitenden
Redakteure einer Tageszeitung, die mit dem damaligen Niederrhein-Bischof
Dr. Ludwig Averkamp im bischöflichen Büro darüber debattierten, ob es
zwischen „Kirche und Zeitung“ eine Zusammenarbeit geben und wie die in
der Praxis gestaltet werden könne.
Richard Schulte Staade als
Kuratoriumsvorsitzender des Marienhospitals, hier mit den Ärzten Dr.
Jens-Reiner Brinke (l.) und Dr. Franz-Josef Peveling-Oberhag (Aufnahme
von 1982).
Der Autor dieser Zeilen erzählte seinen Kollegen, dass eine solche
Zusammenarbeit in Kevelaer längst vertrauensvoll praktiziert werde. Der
Redakteur treffe sich jede Woche mit dem Pfarrer zum Gespräch im
Priesterhaus. Das gab es bis dahin nirgendwo am Niederrhein.
Papst Johannes Paul II.
1987
zu Besuch in Kevelaer.
Richard Schulte Staade, der an Tatkraft und Entscheidungsfreude fast
alle seine Vorgänger übertraf und in der Bedeutung für Kevelaer mit dem
legendären „ersten Wallfahrtsrektor der Neuzeit“,
Joseph van Ackeren, gleichzog, wiederbelebte den Katholischen Kaufmännischen
Verein (KKV), gründete mit Dr. German Rovira den Internationalen
Mariologischen Arbeitskreis (IMAK), erweiterte das Angebot um neue
Formen der Wallfahrt (z.B. die der Motorradfahrer), gestaltete den
Papstbesuch zu einem Jahrhundertereignis, das Kevelaer den größten
Besucherstrom aller Zeiten bescherte, bereicherte das Kapellen-Ensemble
um die orthodoxe St.-Johannes-Kapelle und baute damit die Verbindungen
zur Ostkirche aus.
Er erneuerte oder verbesserte die bauliche und künstlerische Substanz
der ihm anvertrauten Gotteshäuser. Nie waren sie kostbarer ausgestattet
als zum Zeitpunkt seines Abschieds. Dass dabei einige
Erhaltungsmaßnahmen auf der Strecke blieben, die seinen Nachfolgern
„vererbt“ wurden, war dem Zwang geschuldet, sich für das eine oder
andere entscheiden zu müssen.
Sein
gedanklicher Horizont als „Chef vom Kapellenplatz“ endete nie an den
Pfarrgrenzen. Was er für andere geleistet hat, drückt sich in
zahlreichen Auszeichnungen aus, die ihm zuteil wurden:
Schon zu Lebzeiten
"in Öl" im großen Saal des
Priesterhauses: Richard Schulte Staade.
Konsistorialrat h.c. der Apostolischen Exarchie für Ukrainer des
byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, Chevalier im
Patriarchalischen Orden vom Heiligen Kreuz zu Jerusalem, Päpstlicher
Ehrenprälat, Großarchimandrit des Patriarchates von Antionien und des
vorderen Orients, Ehrendomkapitular im Erzbistum Roermond und an der
Kathedrale von Presov und Konsistorialrat für die Slowaken des
byzantinischen Ritus in Deutschland, Patriarchalexarch von Antiochien
und des vorderen Orients, Orden des Hl. Edmund durch den Bischof der
Kathedralkirchen von
Bury St. Edmunds, Orden Piis Meritis und damit
Aufnahme in den Ritterorden vom Heiligen Sebastian in Europa sowie
zahlreiche Ehrenmitgliedschaften – auch in Kevelaerer Organisationen.
Augostino Kardinal Casaroli,
langjähriger Staatssekretär im Vatikan, schloss 1992 die Wallfahrtszeit
in Kevelaer. Casaroli hatte 1987 den Papst nach Kevelaer begleitet.
Da
wird verständlich, dass Paal Ende 1999, als er Schulte Staade angemessen
danken und ehren wollte, ein Problem hatte. Mitte 2002 zeichnete die
Stadt den Wallfahrtsrektor mit der höchsten Auszeichnung aus, die sie zu
vergeben hat – mit der Ehrenbürgerschaft.
Ehrenbürger Richard Schulte Staade,
rechts: Bürgermeister Heinz Paal.
Vielleicht wäre er gerne bis zu seinem 75. Geburtstag im Amt geblieben,
aber dass er im Februar 2006 Abschied nahm und den Hirtenstab des
Pfarrers an Dr. Stefan Zekorn weitergab, war nach der außergewöhnlich
langen Amtszeit mit ihren zum Teil spektakulären Ereignissen ein
zeitgemäßes Gebot: Der Wallfahrtsort wartete auf einen Mann wie Zekorn,
der mit vorgelebter Spiritualität den Blick wieder stärker ins Innere
lenkte.
Eine solche Neubesinnung des Ortes wäre Schulte Staade schwerer
gefallen, denn nach 31-jährigem Wirken in Kevelaer war das, was er Gutes
sichtbar und anfassbar hinterlassen hatte, fast übermächtig geworden.
Richard Schulte Staade
und
sein zweiter Nachfolger als Wallfahrtsrektor und Pfarrer von St. Marien,
Rolf Lohmann (l.).
Der Jubilar war Mitglied zahlreicher Vereinigungen, u.a. über 40
Jahre im Internationalen Karl-Leisner-Kreis e.V.. Auf Schulte Staades
Veranlassung hin schuf der Düsseldorfer Künstler
Bert Gerresheim das
"Portal der Versöhnung", das Eingangsportal zur Sakristei im Brunnenhof.
Dahinter steht eine tief bewegende Geschichte. Sie bebildert die
besondere
Beziehung zwischen
Kevelaer und Karl Leisner.
Richard Schulte Staade lebte nach seiner Kevelaerer Zeit in Wesel und kehrte über
die Jahre immer mal wieder zu seinen Wurzeln
marianischer Frömmigkeit in Kevelaer zurück. Hier gab er der Ende 2010
gegründeten Medjugorje-Gebetsvereinigung Regina Pacis als Vorsitzender
wichtige Impulse. Solche Arbeiten – er begleitete auch gerne
Pilgergruppen – waren ihm ein Anliegen: Als ehemaliger Wallfahrtsrektor
von Kevelaer und gelegentlicher Beichtvater in
Medjugorje wusste er nur zu
gut, dass Menschen, die mit Herz und Füßen „abstimmen“, eine größere
Wirkkraft auslösen können als klügste Theologen.
Richard Schulte Staade war
2019 zog es ihn zurück in die Marienstadt, um hier seinen Lebensabend zu
verbringen.
Richard Schulte Staade starb am 13. Januar 2020 im Alter von 87 Jahren.
.
Richard Schulte Staade
an
einem seiner letzten Arbeitstage im Priesterhaus Kevelaer.
*