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Pauli, Martin
Förderer von Wallfahrt und Fremdenverkehr | * 1925  | † 2003

Martin Pauli
Martin Pauli stammt aus einer alten Kevelaerer Uhrmacherfamilie, die hier bereits 1804 ein eigenes Geschäft betrieb.

Erst Großvater und Vater wählen andere Berufe. Als zweiter Sohn von Martin Pauli sen. und dessen Frau Anna, geborene Kocken, kommt Martin Pauli jr. in Kevelaer auf die Welt.

Nach dem Besuch der St.-Hubertus-Schule beginnt der Jugendliche 1940 bei der Landwirtschaftlichen Genossenschaft eine kaufmännische Lehre, schließt sie erfolgreich ab, wird Soldat und kehrt 1947 aus französischer Kriegsgefangenschaft zurück.

Arbeit findet er in seinem Lehrbetrieb. Pauli bildet sich in den 50er-Jahren weiter und besucht Seminare für Verkaufs-Strategie in Bad Harzburg und für Public Relations in Krefeld.

Martin Pauli rechts1956 heiratet er Walburga Bodden aus Goch. 1957 kommt Tochter Birgit zur Welt.

1987 (v.l.) Kurt Oeser, Bürgermeister Karl Dingermann, Alfred Kaenders, Dr. Ferdinand Helpenstein und Martin Pauli.

Als „gelernter Kevelaerer“ bindet sich Martin Pauli in das gesellschaftliche Leben ein und arbeitet in Vereinen mit, so als Schriftführer des Reitervereins, für den er Anfang der 60er-Jahre unter Präsident Gerhard Ripkens eine Satzung mit dem neuen Namen „Reiterverein St. Georg e.V. Kevelaer“ ausarbeitet.

Der junge Stadtdirektor von Kevelaer, Dr. Karl-Heinz Röser, erkennt früh das Organisationstalent von Pauli und setzt es vielfach ein, auch wenn Pauli erst 1968 als Angestellter in die Dienste der Stadtverwaltung treten wird. Pauli spürt, dass die von Generation zu Generation übertragenen und fast unveränderten Formen, nach denen das äußere Wallfahrtsgeschehen organisiert und seine Infrastruktur gestaltet werden, dringend weiterentwickelt werden müssen. Der Generalist setzt im Beherbergungswesen an und stellt 1963 ein erstes Wirteverzeichnis für Kevelaer zusammen.

Martin Pauli links vorneEs ist dieser gemeinsame Marktauftritt einer Branche, mit dem die Erfolgsgeschichte von Martin Pauli beginnt.

Martin Pauli als Zuhörer in der legendären WDR-Fernsehsendung "Mittwochs in … Kevelaer" mit Moderator Walter Erasmy und Weihbischof Heinrich Janssen sowie Uta Ranke-Heinemann.

Als das Jahrzehnt nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit seinen Umwälzungen bis in die kleinste Dorfkirche anbricht, ahnt Pauli so wenig wie Wallfahrtsrektor Johannes Oomen, dass Volksfrömmigkeit und Marienwallfahrten zurückgedrängt werden. Die Zahl der Pilger sinkt.

Rösers Vertrauen in Pauli ist eine der Voraussetzungen dafür, dass der Niedergang gestoppt und sogar umgekehrt werden kann. Pauli, der Pragmatiker, ruft 1967 ein halbes Hundert Geschäftsleute zu einer Versammlung ins Hotel Dreikönige und erklärt, dass Kevelaer dringend einen Verkehrsverein brauche. Vorläufervereine, teils schon im 19. Jahrhundert gegründet, sind nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder belebt worden.

Martin Pauli linksKaufleute und Hoteliers horchen auf, als Pauli erstmals Übernachtungen von Messe-Besuchern in Düsseldorf vermittelt.

Martin Pauli zur Kirmes 1993, neben ihm Gerda Plümpe und seine Frau Walburga Pauli.

Kevelaer entdeckt neben den Pilgern die „profanen Gäste“ als Zielgruppe. 1968 wird der neue Verkehrsverein aus der Taufe gehoben. Kurz darauf tritt Martin Pauli in die Dienste der Stadt ein. Er hat sich Ende 1968 erfolgreich auf die frei werdende Stelle des Leiters für das Fremdenverkehrsamt beworben – genau an dem Tag, an dem der Startschuss für die von ihm konzipierte erste Weihnachtsverlosung fällt.

Er kümmert sich um den Rosenmontagszug, der von 1967 bis 1969 noch unter der Regie des Karnevalsclubs läuft und dann unter die Fittiche von Verkehrsverein und Pauli kommt, bis die Großveranstaltung vom Verein zur Förderung des Rosenmontagszugs übernommen wird. Vater des 1977 gegründeten VFR: Martin Pauli.

Er organisiert neue Wallfahrten in großem Stil: Ab 1968 führt er, nach Studienbesuchen in Bayern, aus dem süddeutschen Raum Sonderzüge mit 800 bis 1200 Teilnehmern nach Kevelaer.

Dies alles managt er mit einer selbst erstellten Handkartei, die so durchstrukturiert ist, dass sie ihm alle Informationen in Sekundenschnelle liefert. Das Büro für den neuen Angestellten im Rathaus ist winzig, nichts zum Repräsentieren, aber Pauli braucht nicht viel Drumherum. Sein Gedächtnis für Namen, Gesichter, Adressen und Zahlen ist enorm, und seinen Arbeitsplatz sieht er ohnehin mehr bei den Menschen, die er in seinen vielfältigen Aufgabenbereichen betreut. Er weiß, welche Wallfahrtsgruppen Jubiläen feiern, begrüßt sie persönlich und gibt zu besonderen Anlässen Empfänge; so entsteht eine Verbundenheit, die in der Nach-Pauli-Zeit mitunter auf eine harte Probe gestellt werden wird.

Pauli denkt ganzheitlich: Der Verkehrsverein, dessen Geschäftsführer und Promoter er viele Jahre ist, sucht und findet engen Schulterschluss mit der Wallfahrtsleitung und entwickelt sich gleichzeitig zu einer gesellschaftstragenden Säule in Kevelaer. Mehrere Jahre proklamieren die Geselligen Vereine ihre Festkettenträger auf Veranstaltungen des Verkehrsvereins. Dieses tiefe Eingebunden-Sein in das Leben der Kevelaerer Bürger wird der Verkehrsverein nach Paulis Geschäftsführerzeit verlieren.

Pauli - sein Name ist in den 70er-Jahren das Synonym für „Verkehrsverein“ - überrascht die Bewohner mit immer neuen Aktionen, inszeniert die erste Straßenparty am Niederrhein, sorgt für ein Sonderpostamt, organisiert Fotowettbewerb und Jubiläumsverkäufe, Stadtführungen und Silvesterbälle im Bühnenhaus. In dieser Blütezeit des Verkehrsvereins als Motor urbanen Lebens in Kevelaer sucht Pauli unermüdlich nach neuen, potenziellen Pilgergruppen für den Wallfahrtsort.

Den Titel „Erfinder der fröhlichen Wallfahrt“ bringen ihm seine bunt gemischten Programme für Pilger ein: Den frommen Stunden folgen fröhliche. Unvergessen ist das Verkehrschaos, das Pauli mit 24 Omnibussen im Gefolge mitten in Amsterdam anrichtet. Der Freundschaft der Niederländer zu Kevelaer tut das keinen Abbruch.

Unter Mitwirkung von Pauli erscheint in den 70er-Jahren die erste Ausgabe der Pilgerschrift „Blickpunkt Kevelaer“, die in hoher Auflage in halb Europa gestreut wird. Bundesweit bekannt wird Pauli durch einen großen Clou 1975, der Aktion „Alte Leute - frohe Gäste“. In der Fernsehsendung „Die Musik kommt“ mit Maria Hellwig wird 200 älteren Menschen ein kostenloser, achttägiger Aufenthalt in Kevelaer in Aussicht gestellt. Der Hinweis „Meldungen beim Verkehrsverein 4178 Kevelaer“ tritt eine Lawine los: In wenigen Tagen treffen über 60.000 Bewerbungen ein.

„Bild am Sonntag“ bringt einen Spendenaufruf, so dass schließlich 330 ältere Menschen in den Genuss der kostenlosen Kevelaer-Woche kommen können. Die Kevelaerer bieten so viele Freiplätze an, dass die Aktion noch zweimal wiederholt wird.

Als zum Abschluss seines außergewöhnlich erfolgreichen Wirkens der Papstbesuch (Mai 1987) naht, zeigt Martin Pauli einmal mehr, dass mit ihm eine Unterordnung der Wallfahrt unter wirtschaftliche Ziele nicht zu machen ist. Gegen den „Papstlolly“, der als Geschmacklosigkeit bundesweit Schlagzeilen macht, bezieht Pauli unmissverständlich Stellung.

Unmittelbar nach dem Papstbesuch sickert durch, dass sich Pauli mit Ruhestandsgedanken trägt. Im November 1988 macht er ernst und verabschiedet sich still und leise. Als Vorsitzender des Seniorenbeirates der Stadt und Chef der quirligen „Weltenbummler“, für die er bis 1999 genau 90 unvergessene Ausflüge organisiert, zeigt er, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehören will.

Die neue Kevelaerer Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspolitik bereitet ihm Sorge. Einmal, Pauli ist schwer erkrankt und muss 19 Wochen in einem Hospital verbringen, schreibt er in einem Leserbrief ans KB: „Ich habe Angst, dass aus dem unverwechselbaren Kevelaer ein unberechenbares Kevelaer wird. … Unser geliebtes Kevelaer wird kaputt gemacht.“

Martin Pauli, der unruhige Ruheständler, wird - nicht von Kevelaer - hoch geehrt. 1989 erhält er die Paulus-Plakette des Bistums Münster und sechs Jahre später das Bundesverdienstkreuz. Er stirbt 2003 im Alter von 77 Jahren.

Martin Pauli als Reiseleiter
Martin Pauli 1990 als Reiseleiter: Er hat 90 unvergessene Ausflüge der "Weltenbummler" organisiert.

Martin Pauli 1989

Ab 1989 - nach dem Rücktritt von Schwester Irmgardis von der Leitung des Seniorentreffs im Petrus-Canisius-Haus - teilte sich Martin Pauli mit Maria Hugenberg (M.) die Aufgaben. Das Bild zeigt sie im Gespräch mit Änne Kasper.


Ein typisches Bild aus den 1980er-Jahren: Martin Pauli (3.v.l.) dirigiert die Weihnachtsverlosung im Foyer des Rathauses.

Plakette für Martin PauliIm Jahr 2007 segnete Kaplan Martin Klüsener an der Amsterdamer Straße, dort wo Martin Pauli 1925 zur Welt gekommen war, eine Gedenktafel für den Kevelaer-Förderer. Die Ehrung ging zum Weltseniorentag auf eine Anregung von Karl Bay, Vorsitzender des Seniorenbeirats, zurück
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