Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Ranke-Heinemann, Dr. Uta

Erste Lehrstuhlinhaberin in katholischer Theologie | * 1927

Uta Ranke-HeinemannUta Ranke-Heinemann und der Marienwallfahrtsort - das ist der Stoff, der die Nation in den 1980er-Jahren erregte. Als sie, die Tochter des Bundespräsidenten Gustav Heinemann, 1987 im Vorfeld des Papstbesuches vom WDR für die Live-Sendung mittwochs in… nach Kevelaer eingeladen wurde, da war sie die erste Frau der Welt, die einen Lehrstuhl in katholischer Theologie innehatte. Zunächst hatte sie evangelische Theologie studiert, 1953 war sie zum katholischen Glauben konvertiert.

Was Dr. theol. Emil Valasek (Kervenheim) später in einem Leserbrief als „eine schwere Belastung der heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria in der Marienstadt“ bezeichnete, war in der Tat starker Tobak: Ranke-Heinemann widersprach in der Sendung dem Lehrsatz der katholischen Kirche, dass die Schwangerschaft der Gottesmutter Maria unter Einwirkung des Heiligen Geistes erfolgt sei. Die Jungfräulichkeit Mariens sei - wie alle Wunder im Neuen Testament - nicht wörtlich, sondern als „damaliges Vorstellungsmodell“ zu verstehen.

Das oder das andere zu glauben, kann jeder für sich entscheiden - problematisch wird es allerdings, wenn jemand, der im kirchlichen Auftrag katholische Theologie lehrt, Substanzielles aus dem Glaubensschatz herausbricht und zur Legende verkürzt.

Die live ausgestrahlte Skandal-Nummer der Theologin fand heftigen Niederschlag in vielen Medien. Der Essener Bischof Franz Hengsbach entzog, nachdem Vermittlungsversuche und die Aufforderung zum Widerruf gescheitert waren, der Professorin die kirchliche Lehrerlaubnis. Als Ersatz für ihren Lehrstuhl an der Duisburger Universität erhielt die Beamtin auf Lebenszeit noch im selben Jahr einen kirchenunabhängigen Lehrstuhl für Religionsgeschichte in Essen.

1998 - elf Jahre nach dem Skandal in der Fernseh-Talkshow - wurde Uta Ranke-Heinemann wiederum vom WDR nach Kevelaer eingeladen - in die Gesprächsrunde im Twistedener Vogelparadies Plantaria. „Ich muß nach Kevelaer“, habe sie gestöhnt, versicherte die Theologin. „Hoffentlich geht das nicht ins Auge.“ Und: „Hier in Kevelaer habe ich Angst, dass ich einen Dolch in den Rücken kriege“.

Uta Ranke-Heinemann
Uta Ranke-Heinemann in ihrem bekannten grünen Lederkostüm in Twisteden, von wo aus die WDR-Sendung "mittwochs in..." ausgestrahlt wurde.

„Das weniger“, beruhigte das KB die deutsche Nation nach der Sendung. „Der Auftritt von Uta Ranke-Heinemann war von Mitleid erregender Dürftigkeit“.

Mehrere Lastwagen hatten die mobile Studiotechnik nach Twisteden gekarrt; ein Heidenaufwand musste getrieben werden, bis die Sendung „stand“. Als Zuschauer kam nur in den „Plantaria“-Pavillon hinein, wer eine persönliche Einladungskarte des WDR vorweisen konnte. Die Leute saßen im kreisrunden Glaspalast und wurden nett bewirtet von Damen des Niederrheinparks. Wer nichts von den bunten Akteuren vor der Kamera sah, weil irgendein Kulissenteil im Wege stand, dem wurde mit Hilfe von Großmonitoren Durchblick verschafft.

Einige Minuten vor der Sendung informierte eine Redakteurin die Zuschauer darüber, mit welchen Gästen Moderator Bernd Müller gleich sprechen werde. Auf Monitoren lief groß die sekundengenaue Uhrzeit mit, dann kam der Vorspann, und Plantaria war live überall auf der Welt zu sehen, wo mit Hilfe der Satellitenschüssel WDR empfangen werden konnte. Geschäftsführer Franz Wustmans musste ein Gefühl wie Weihnachten gehabt haben.

Twistedens Ortsvorsteher Heinz Verrieth und Plantaria-Vater Werner Neumann stachen mit ihren unauffälligen Straßenanzügen in gedeckten Farben wie Exoten von den „bunten Vögeln“ ab, die sich der WDR vor die Kamera geholt hatte.

Plantaria-Eröffnungsveranstaltung
In ihren schlichten Klamotten stachen Heinz Verrieth und Werner Neumann (r.) von den exotisch aufgeputzten Fernsehgästen ab. Bildmitte: Moderator Müller.

Da erschien ein Düsseldorfer Modemacher auf der Bildfläche, ein Liedchen trällernd. Ihn schmückte ein Hut, der zum Vogelkäfig umgestaltet war und in dem ein Vögelchen hockte. Man zeigt halt, was man hat. Oder der Lebenskünstler Hermann Götting, der seine kolossale „Leiblichkeit, die ich noch erweitern möchte“ mit Plunderhosen wie aus dem Orient überspielte und auf die Frage von Bernd Müller, ob er große Auftritte liebe, wahrheitsgemäß antwortete: „Nein, ich bin ein großer Auftritt“.

Schließlich die aus sämtlichen deutschen Talkshows hinreichend bekannte „Muse“, die mit einer gewaltigen, rostfarbenen Perücke mit viel Gemüse obendrauf sowie einer kaum jugendfreien Gesichtsschminke aufzutreten pflegte und ein lebendes Kunstwerk war. Oder die Extremsportlerin, für die Marathon-Distanzen ein Spaziergang waren; oder der sie betreuende Arzt; oder der auch hierzulande bekannte Aktionskünstler und „wahnsinnige Puppenspieler“ aus dem Kreisnorden.

Ja, und dann die spezielle Kevelaer-Freundin Uta Ranke-Heinemann. Der längste Teil des Kurzgesprächs zwischen Müller und ihr drehte sich um die grundsätzliche Frage, ob ihr Lederkostüm, mit dem sie seit der Premiere in Kevelaer in jeder Talkshow auftrat, türkisgrün, glasgrün, grasgrün oder, wie Uta beteuerte, apfelgrün sei. Der gottlob anwesende Modemacher entschied den Glaubensstreit: Das Kostüm sei „zwischen gras- und glasgrün“. Das war´s dann auch schon.

Moderator Müller verzichtete auf tiefschürfende Nachfragen zum Uta-Komplex, die bei dem großen Joke, den der Abend liefern sollte, auch ziemlich fehl am Platze gewesen wären. Die Zuschauer in Plantaria und an den Bildschirmen hatten jedenfalls viel zu lachen mit den schrillen Paradiesvögeln vor der Kamera, die professionelle Selbstdarsteller waren und wussten, was ein Brüller war.

Die gesamte Sendung war recht gelungen und vergnüglich, sogar der Auftritt von Uta Ranke-Heinemann, dessen Unterhaltungswert in seiner Überflüssigkeit bestand. „Sie müssen doch wissen“, hatte sie zu Beginn ihres Kurzgesprächs mit dem Moderator gesagt, „was Sie so beeindruckt hat, dass Sie mich zu dieser Sendung eingeladen haben“.

Müller verschwieg es, „und wir wollen nun auch schweigen“, schrieb ich damals.

Dr. Uta Ranke-Heinemann war nicht ganz unschuldig daran, dass sie als Paradiesvogel von Sendung zu Sendung gereicht wurde. Ihrer geistigen Protenz und Bedeutung als erster Inhaberin eines Lehrstuhls in katholischer Theologie wurde ihr TV-gemachtes Image nicht gerecht.

Fernsehsendung aus Kevelaer mit Uta Ranke-Heinemann
Am Vorabend des Papstbesuchs 1987 in Kevelaer sendete das WDR-Fernsehen den
Beitrag „Mittwochs in …“ aus der Wallfahrtsstadt. Moderator Walter Erasmy interviewte
eine Reihe von Gästen, darunter Weihbischof Heinrich Janssen und Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann (auf dem Bild oben neben Erasmy). Unten links: Martin Pauli.
Foto: Delia Evers

© Martin Willing 2012, 2013