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Stadtdirektor von Kevelaer | * 1922 | † 2011
Man schrieb das Jahr 1961, als Dr. Karl-Heinz Röser, Volljurist
und Geschäftsführer beim Haus- und Grundbesitzerverein Bonn, in einer
Vakanzen-Zeitschrift las, dass Kevelaer einen Stadtdirektor suchte. Im
Frühjahr 1962 stiefelte Röser zum ersten Mal die Treppe zum alten (und
damals einzigen) Rathaus hoch, um sich dem Stadtrat vorzustellen. Das
war der Beginn einer langen Dienstzeit.
Rösers geschichtliches Verdienst in seinen 22 Jahren als Verwaltungschef
ist die unter schwierigsten Umständen geschmiedete und letztlich
glückliche Fusion der Ämter Kevelaer und Kervenheim mit ihren Gemeinden
zur neuen Stadt Kevelaer (1969). Winnekendonks starker Mann August
Wormland, Amtsdirektor bis zur Kommunalen Neuordnung im Jahr 1969 und
danach Kämmerer der neuen Stadt Kevelaer, half ihm dabei entscheidend.
Fast alle großen Einrichtungen in Kevelaer, auf die die Stadt heute
stolz verweist, sind in Dr. Rösers Amtszeit entstanden: Das Schulzentrum
auf der Hüls, das die elende Wanderschaft von Klassen und Schulen
beendete; das
Bühnenhaus, das 1961, als es eröffnet wurde, viel Geld und
noch mehr Mut gekostet hatte, denn die Stadt war vor der Neuordnung 1969
halb so groß wie heute. Auch das 1969 in Angriff genommene neue
Rathaus,
das angemessene Arbeitsbedingungen für Rat und Verwaltung bot und
trotzdem jahrelang nur „Verwaltungsgebäude“ genannt werden durfte,
entstand in Rösers Amtszeit.
Zu den historischen Leistungen von Dr. Röser zählt besonders die
Überführung der beiden Ämter Kevelaer und Kervenheim in die moderne Zeit
unter dem Dach der neuen Stadt Kevelaer. Die „Fusion“ der bis 1969
selbstständigen Kommunen Kevelaer, Winnekendonk, Wetten, Kervenheim (mit
Kervendonk) und Twisteden (mit Kleinkevelaer) zur leistungsfähigen Stadt
Kevelaer gelang in der Röser-Amtszeit trotz blank liegender Nerven, weil
die Ortschaften sensibel in ihrem Bestreben unterstützt wurden, die
eigenen Profile zu behalten und auszubauen.
Der Stadtdirektor machte sich auch um die Entwicklung der
Kevelaer-Wallfahrt verdient, indem er den städtischen Angestellten
Martin Pauli als Geschäftsführer des
Verkehrsvereins und Verbindungsmann
zur Wallfahrtsleitung freistellte und unterstützte. Im Zeitraum von etwa
1965 bis 1975 war die Wallfahrtsleitung ganz besonders auf solche
städtische Hilfe angewiesen, denn nach den Umwälzungen des Zweiten
Vatikanischen Konzils waren die Pilgerzahlen dramatisch zurückgegangen.
Dr. Karl-Heinz Röser, der Bildungsbürger an der Verwaltungsspitze, der
als Privatmann jeden Monat ein paar hundert Mark in unseren
Buchhandlungen ausgab, litt an der zuweilen aufblühenden
Kleinkariertheit in politischen Gremien.
Sein fundiertes Wissen verleitete ihn manchmal zu einer Ausführlichkeit,
die von Einzelnen, deren Allgemeinbildung zu wünschen übrig ließ, mit
Weitschweifigkeit verwechselt wurde.
Kaum hatte Dr. Röser 1982 sein 20-jähriges Stadtdirektor-Jubiläum
gefeiert, wurde fleißig an seinem Stuhl gesägt. Was der frühere
Oberkreisdirektor
Dr. Hans-Wilhelm Schneider, selbst einer der Großen
unter den Verwaltungsleitern, einen Glücksfall für die Stadt Kevelaer
nannte, nämlich Rösers ganzheitliche Sicht statt technokratischer oder
managerhafter Amtsführung, das war in der Marienstadt mittlerweile
„out“.
Genervt bat Röser um seine vorzeitige Pensionierung und verabschiedete
sich Anfang 1984 aus dem Rathaus, um seinem Kämmerer
Heinz Paal Platz zu
machen.
Es spricht für die Charakterfestigkeit des früheren Stadtdirektors, dass
er seinem ersten Drängen, Kevelaer zu verlassen, nicht nachgab und sich
seit seiner Pensionierung des reichen Kulturlebens in Kevelaer erfreut.
Das genoss er viele Jahre gemeinsam mit seiner Frau Maria. Als sie vor
zwei Jahren starb, stand eine große Trauergemeinde von Kevelaerern
Karl-Heinz Röser zur Seite. Diese Erfahrung mag ihm geholfen haben, mit
dem schmerzenden Einschnitt umgehen zu lernen.
„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung. Aber
die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille
Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern
wie ein kostbares Geschenk“. Dieses Bonhoeffer-Wort stellte Karl-Heinz
Röser der Traueranzeige für seine Frau voran. Nach dem evangelischen
Theologen, der 1944 zum deutschen Widerstand zählte und 1945 im KZ
Flossenbürg hingerichtet wurde, ist seit 1997 eine Straße in Kevelaer
(Abzeig von der Hubertusstraße) benannt.
In seinem letzten Satz, den er vor seinem Abschied aus dem Amt als
Stadtdirektor sprach, wünschte Dr. Karl-Heinz Röser den Kevelaerern „ein
langes Leben, Friede und Freude. Und Gesundheit allen“.
Geld, Vermögen und andere Oberflächlichkeiten kamen darin nicht vor.