Kasper, Änne
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Vertreterin der Nächstenliebe | * 1910 | † 1999
Hunderte von Kevelaerern kannten die kleine Frau mit dem großen
Herzen. Die Zahl derer, denen Änne Kasper im Namen der Caritas geholfen
hat, lässt sich nicht einmal schätzen. Schon als Kind war sie mit
Hilfspaketen und guten Worten unterwegs, um Bedürftige zu unterstützen.
Ihre Mutter, ebenfalls in der Caritas engagiert, hatte einen großen
Bezirk. Da sprang Änne, geborene Joosten, mit ein, machte Besuche,
lernte das Innere von Familien kennen und erhob sich nie darüber. Die
Bescheidenheit blieb ihr Wesenszug. Das hinderte sie nie daran, für
andere den Mund aufzumachen – und das mitunter ziemlich weit.
Als 1956 eine Vorsitzende für die Caritas-Konferenz St. Antonius gesucht
wurde, war sie bereit: „Wenn einem etwas gegeben ist, muss man danach
handeln.“
Änne Kasper hat viel Liebes in ihrem Leben verloren, hat viel besessen.
„Wer sich für andere einsetzt, bekommt was zurück.“
In einem Punkt kannte ihre Bescheidenheit Grenzen: Sie gab sich nicht
damit zufrieden, immer wieder bei denselben Problemen anzupacken; sie
wollte etwas bewegen, war 1964 Mitinitiatorin der Altentagesstätte (die
zweite am Niederrhein) und richtete 1969 den Mahlzeitendienst ein, um
Menschen ein selbstständiges Leben zu erhalten.
Änne Kasper bei der Ordensverleihung 1989.
Wie zielstrebig Änne Kasper ein gutes Ziel verfolgte, zeigt die
Vorgeschichte zur Altentagesstätte: Die Gaststätte „Stadt Rees“ an der
Basilikastraße 27, die ihre Pforten schloss, wurde von Änne Kasper
besichtigt und für gut befunden. Der Eigentümer erklärte sich bereit,
das Lokal für eine Altentagesstätte zu verpachten. Im Sozialausschuss,
dem Änne Kasper als Sachkundige Bürgerin angehörte, trug sie die Idee
einer Altentagesstätte vor. Bürgermeister
Peter Plümpe empfahl ihr, sie
solle sich erst um Räume kümmern, dann werde man weitersehen - nicht
ahnend, dass das längst erledigt war.
Im Oktober 1964 stellte die Caritas erste Anträge auf Zuschüsse für ihre
Altentagesstätte. Stadt und Kreis sollten die laufenden Betriebskosten
tragen, der Landschaftsverband die Einrichtung. Drei Tage später reiste
der Leiter des Kreissozialamtes an und besichtigte das Haus an der
Basilikastraße.
Änne Kasper erinnerte sich in einem KB-Gespräch: „Ruth Knaust und ich
haben ihm die Räume so gezeigt, dass er sie für gut befinden musste.“
Fünf Tage später erhielten die beiden die Zusage von Stadt und Kreis.
Und obwohl der Landschaftsverband noch kein grünes Licht gegeben hatte,
bestellte Änne Kasper die Möbel. „Die Kevelaerer Geschäftsleute hatten
volles Vertrauen. Es ging ja auch alles gut.“ Im ersten Jahr des
Bestehens der Altentagesstätte besuchten bereits 3.900 ältere Menschen
die Räumlichkeiten an der Basilikastraße.
Viele Dinge klangen aus dem Mund von Änne Kasper selbstverständlich; sie
zählte zu den Menschen, die mit dem Herzen sehen können, mit Hand und
Verstand richtig zupacken. „Aber ich habe nichts alleine gemacht“,
betonte sie und sagte eindringlich, nur im Verbund mit den vielen
anderen Helferinnen habe sie etwas bewegen können: „Alleine kann man gar
nichts!“
Und
wie hat sie die Arbeit und die Not anderer Menschen über all die Jahre
verkraftet? Änne Kasper sagte feierlich: „Ja, wenn ich kein
Gottvertrauen gehabt hätte…“
Gratulation (v.l.): Egon Kammann, Franz Ophey und Änne Kasper (1989,
Ordensverleihung in Kalkar).
„Ein Herz hat nur, wer ein Herz für andere hat.“ So lautet die Inschrift
einer Medaille, die Änne Kasper 1989 erhielt: den Kalkarer Ochsenorden.
Treffender könnte ein Sinnspruch für sie kaum lauten. Viele andere
Auszeichnungen haben ihre Arbeit gewürdigt: darunter vom Caritasverband
im Juni 1980 das Ehrenzeichen in Gold, im Dezember 1990 das
Elisabethkreuz. Im Goldenen Buch der Stadt Kevelaer steht ihr Name
unmittelbar hinter dem des Papstes.
Viele Kevelaerer Persönlichkeiten halfen ihr, waren ihr zugetan,
darunter die Ehrenbürgerin
Schwester Hermenegildis,
Bürgermeister
Peter Plümpe und später
Karl Dingermann. Zugetan
waren ihr vor allem die Ärmsten, darunter viele Nichtsesshafte, für die
sie lange vor Einrichtung einer Kleiderkammer im eigenen Haus warme
Unterwäsche sammelte. Die Männer kamen an ihre Tür, sie bat sie herein,
gab ihnen Suppe und Kaffee oder ließ sie baden. „Nie habe ich Angst
haben müssen.“
Ihre Familie hat das Engagement mitgetragen: ihr Mann Jakob, der 1985
verstarb, und die eigenen Töchter mit ihren Familien. „Sie haben mir
alle sehr geholfen.“
Zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes feierte sie ihren 85. Geburtstag.
Feierte? An diesem Dienstag im November 1995 lief morgens um Sieben in
der Römerstraße 14 alles seinen gewohnten Gang: Änne Kasper wachte auf,
hörte im Radio die Morgenandacht und später die Nachrichten, zog vor
acht Uhr die Rollläden zur Straße hin hoch und frühstückte.
Sie starb drei Jahre später am Neujahrstag 1999 mit 88 Jahren. Pastor
Alois van Doornick schrieb in einem Nachruf für „St. Antonius“: "Niemand
in der Cairtasgeschichte der Stadt Kevelaer hat so deutlich bleibende
Spuren hinterlassen."