Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH Kevelaer
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1971 erste
Initiative | 1988 WfG gegründet | 2013 wieder abgeschafft
Eine kommunale Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die sich um
das Wohl der heimischen Wirtschaft kümmern sollte, beschäftigt schon
seit vier Jahrzehnten die Politik, Verwaltung und Bürgerschaft in
Kevelaer. Die WFG - sie ist keine Erfindung aus dem Jahr 1988, in dem
der erste hauptamtliche Wirtschaftsförderer,
Hans-Josef Kuypers, in die
Dienste der Stadt trat. Sie wurde bereits 17 Jahre zuvor von der
Kevelaerer CDU gefordert.
Mitte 1971 gaben die Christlichen Demokraten im Stadtrat Kevelaer die
Initialzündung: Stadtdirektor
Dr. Karl-Heinz Röser solle, so wurde er von den Politikern
beauftragt, mit dem Kreis Geldern und den Kommunen über eine gemeinsame
Wirtschaftsförderungs-gesellschaft verhandeln - „zur Förderung von
Neuansiedlung und zur Unterstützung bestehender Unternehmen und zur
Förderung des Fremdenverkehrs“.
Dieses erste Bemühen um gezielte Wirtschaftsförderung verlief im Sande.
Kevelaer, das war die Lehre aus dem Versuch, stand allein. Es musste
sich selbst helfen. Aber wie? In Ratlosigkeit vergingen Jahre.
Dann kam der März 1984: Ein Antrag des SPD-Ratsherrn Heinz Lamers
läutete die mehrjährige Vorbereitungsphase bis zur Gründung einer
privatwirtschaftlich verfassten Wirtschaftsförderungsgesellschaft ein.
Lamers‘ Vorschlag, einen Wirtschaftsför-derungsausschuss zu gründen,
wurde allerdings abgelehnt. CDU-Fraktionsvorsitzender
Hans Broeckmann: „Kevelaer
braucht nicht schon wieder einen Ausschuss“.
Heinz Lamers (SPD): Mit seinem Antrag, einen
Wirtschaftsförderungsausschuss ins Leben zu rufen, wurde die Gründung
der späteren WfG vorbereitet. Das Bild zeigt (v.l.) Heinz Lamers,
Winfried Janssen (SPD) und
Karl-Heinz Kandolf (Grüne) im Jahr 1985.
Dennoch waren sich CDU und SPD im Ziel einig: Die heimische Wirtschaft
müsse gefördert werden. Beschlossen wurden verlorene Zuschüsse für
Unternehmer, wenn sie zusätzliche Arbeitsplätze schüfen - eine etwas
hilflose Stütze, die sich als wirkungslos herausstellte.
Der
abgelehnte Wirtschaftsförderungsausschuss wurde einige Monate später
doch aus der Taufe gehoben - allerdings unter anderem Namen. Er hieß nun
Wirtschaftsförderungskommission, und Vorsitzender wurde - Hans
Broeckmann.
Hans Broeckmann (1985).
In jener Zeit führten Stadtdirektor
Heinz Paal und der KB-Herausgeber
Martin Willing fast jede Woche Hintergrundgespräche über die
Kevelaerer Politik. Bei diesen Fachgesprächen ging es häufig auch um
konzeptionelle Fragen kommunaler Wirtschaftsförderung.
Ende 1985 ergriff Paal die Initiative: Er fragte, ob die Firma Willing,
Evers & Partner GbR (WEP), die als Unternehmensberatung tätig war, für
die Stadt arbeiten wolle.
Paal
forderte ein Angebot über ein Gutachten an, wie eine neue
Wirtschaftsförderungspolitik für Kevelaer zu konzipieren sei. Ende
Februar 1986 erläuterte der WEP-Berater vor den Mitgliedern der
Wirtschaftsförderungskommission den Arbeitsplan, und wenig später wurde
der Gutachten-Auftrag an die Kevelaerer Firma vergeben.
Stadtdirektor Heinz Paal: Gutachten-Auftrag an Willing,Evers &
Partner über ein neue Wirtschaftsförderungspolitik in Kevelaer (1985).
Zehn Monate arbeitete die WEP an der Konzeption, die dann - auf etwa 600
DIN-A-Seiten, gebunden in fünf Büchern - dem Stadtdirektor Mitte
Dezember 1986 übergeben wurde.
Im Januar 1987 führte die WEP mit den Mitgliedern der
Wirtschaftsförderungs-kommission zwei Seminare durch, in denen die
wichtigsten Ergebnisse der Arbeit vorgestellt und erläutert wurden. Alle
Kraft, so zog es sich durch die gesamte Konzeption, müsse auf die
bereits ansässigen Unternehmungen konzentriert werden. Nach innen, nicht
nach außen sei die Wirtschaftsförderungspolitik auszurichten. Mit Hilfe
von detailliert ausgearbeiteten Motivations- und
Qualifizierungsprojekten sei in der Unternehmerschaft Aufbruchstimmung
auszulösen - mit dem Ziel, aus eigener Leistungskraft neue
wirtschaftliche Erfolge zu erreichen.
Die Aufgabe war ehrgeizig und schwierig, weshalb die Unternehmensberater
Paal zusagten, das Projekt, wenn gewünscht, in der Anlaufphase bis zur
Übernahme durch städtische Mitarbeiter zu begleiten. Von einer
eigenständigen Wirtschaftsförderungs-gesellschaft mit einem
hauptamtlichen Geschäftsführer sprach zu jenem Zeitpunkt niemand.
Es bewegte sich - nichts. Im Herbst 1987 zog die WEP ihr Angebot, die
Anlaufphase zu begleiten, aus wichtigem Grund zurück: Zu diesem
Zeitpunkt war von einer wirkungsvollen Wirtschaftsförderung keine Rede
mehr. Das Bedürfnis erschöpfte sich im politischen Raum zunächst einmal
in der Bewirtschaftung des
Bühnenhauses, das nach Umbau eine technisch raffinierte Immobilie
mit dem Zeug zum Kongresszentrum werden sollte. Und die müsste jemand
managen.
Mehr tat sich nicht, bis im Oktober 1987 Paal der Kragen platzte und er
in einer Ratsitzung verlangte: „Die Konzeptionslosigkeit der gesamten
städtischen Wirtschaftsförderung“ müsse endlich aufhören. Keinen Schritt
sei man, von Einzelerfolgen abgesehen, im laufenden Jahr vorangekommen.
Zwei Monate danach forderte die SPD für das Bühnenhaus die Gründung
einer Betriebs-GmbH und die Einstellung eines Geschäftsführers.
In dieser anhaltenden „Bühnenhaus-Debatte“ geriet das eigentliche Ziel,
die Förderung der heimischen Wirtschaft, fast zur Nebensache.
Im April des folgenden Jahres (1988) wurde die geforderte GmbH auf den
Weg gebracht. Nur eine ihrer beiden Aufgaben wurde klar definiert: Der
Geschäftsführer der Firma, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft genannt
wurde, solle den Betrieb des zur Stadthalle umzubauenden Bühnenhauses
managen.
Die zweite Aufgabe blieb vage: Der Geschäftsführer habe „die
Wirtschaftsförderung für die Stadt durchzuführen“ - wie, das blieb ihm
überlassen. Er solle sich eine Konzeption erarbeiten.
Für
diese Aufgabe wurde der damals 33-jährige Hans-Josef Kuypers
eingestellt. Zum 1. September 1988 nahm er seinen Dienst auf.
Hans-Josef Kuypers (1988).
Die Zeit bis zum Jahr 2006, als Kuypers sich aus Kevelaer verabschiedete
und als Wirtschaftsförderer in die Dienste der Kreisverwaltung einstieg,
wurde von der Politik, aber auch von weiten Teilen der Öffentlichkeit
durchweg als eine Erfolgsgeschichte wahrgenommen. Fast immer stand das
Kevelaerer Blatt mit seinen auch kritischen Bewertungen der Leistungen
von Kuypers allein auf weiter Flur. Als der Weggang von Kuypers
feststand, schrieb das KB:
*
Plötzlich und unerwartet hat sich für
Kevelaer eine Zukunftschance aufgetan. Wer sie erkennen will, sollte
erst einmal die vorgebliche Unersetzbarkeit von Kuypers als seine letzte
PR-Leistung identifizieren und die nun angeblich drohende Umnachtung
Kevelaers als Unfug abhaken. Natürlich geht es nahtlos weiter, schon
deswegen, weil die städtischen Mitarbeiter, die mit Fremdenverkehr,
Wallfahrt, Kultur und Wirtschaftsförderung zu tun haben und die
Hauptlast der täglichen Aufgaben tragen, das auch weiterhin tun.
Bürgermeister und Rat können sich also Zeit nehmen und in Ruhe das
Stadtmarketing neu ausrichten - mit Einsatz der besten Leute. |
*
Das Ende der langen Dienstzeit von Kuypers war absehbar
gewesen - trotz der überhasteten Vertragsverlängerung, die den
WfG-Geschäftsführer bis zum Rentenalter an Kevelaer zu binden schien.
Nach dem Ausscheiden von Bürgermeister Heinz Paal (2004) und dem
Abschied von Rektor
Richard Schulte Staade (2006) war Kuypers als der Dritte im
Triumvirat, das viele Jahre die äußere und innere Entwicklung Kevelaers
maßgeblich lenkte, übriggeblieben.
Kuypers,
nunmehr auf sich allein gestellt, konnte sich zwar noch auf die
anhaltende Wirkung seiner PR-Arbeit für sein eigenes Image stützen und
sich in die neue Zeit nach der Wende versetzen, aber nachvollzogen hat
er sie nicht.
Bürgermeister Dr. Axel Stibi (hier bei seiner Vereidigung 2004):
Pressearbeit der Stadtverwaltung von Kuypers abgezogen.
Mit Paals Abgang begann sie, mit Stibis Entscheidung, die Pressearbeit
der Stadt von ihm abzuziehen und einem seiner Vertrauten zu übertragen,
war sie vollzogen: Kuypers‘ innere Kündigung.
Er hatte sein wichtigstes Machtmittel verloren, nämlich die vom
Bürgermeister verliehene Kompetenz zur selbstbestimmten Kommunikation
mit Medien und Öffentlichkeit. Zu Paals Zeiten übte Kuypers sie
uneingeschränkt aus, bis es selbst dem damaligen Bürgermeister über die
Hutschnur ging. Und wie das Leben so spielt: Mit dem Ausscheiden des
Kreiswirtschaftsförderers Gilleßen bot sich dem Gocher, der nie ein
Kevelaerer werden wollte, die Gelegenheit, der inneren Kündigung den
tatsächlichen Abschied folgen zu lassen.
Und es war nicht nur eine Erfolgsgeschichte, die Kuypers hinterlassen
hatte. Kevelaer stand längst nicht mehr nur in Konkurrenz zu Altötting,
Telgte oder Neviges, sondern - ein unglaublicher Abstieg des größten
Wallfahrtsorts im nördlichen Europa - längst auch zu Goch und Geldern,
Straelen und Kleve und manchem Straßendorf dazwischen.
Anstatt das zu betonen und zu fördern, was nur Kevelaer schaffen kann
und es wahrlich unverwechselbar macht, hatte sich die Stadt auf den
Jahrmarkt der Gemeinden, die vom Kuchen der zahlenden Kundschaft
möglichst viel abbekommen wollen, begeben. Diese falsche Positionierung
Kevelaers im Konzert der Wettbewerber zog für die Stadt Langzeitfolgen
nach sich, die nach wie vor mühsam abgearbeitet werden müssen.
Die
Chance von 2006 für eine radikale Neubesinnung verstrich ungenutzt.
Keinem PR-Profi, weder Kuypers noch seiner Nachfolgerin Ruth Keuken, ist
vorzuhalten, dass er sein Handwerk versteht: Die wichtigste Aufgabe
eines PR-Profis ist, seinen Auftraggeber ständig davon zu überzeugen,
dass er den Besten für die gute gemeinsame Sache engagiert hat.
Zu Ruth Keuken wurde 2006 keine Alternative gesehen.
Insofern stand 2006 nicht zur Debatte, einen Schnitt einzuleiten und die
Wirtschaftsförderung neu aufzubauen. Zu Ruth Keuken und der Fortsetzung
der Kuypers'schen Arbeit, so damals die Einschätzung, gab es keine
Alternative.
Tatsächlich hatte die zunehmend kritisch gesehene Arbeit von Kuypers
schon 1996 zu Verwerfungen zwischen Stadtdirektor Heinz Paal und
WfG-Geschäftsführer Kuypers geführt. Paal, der sich auf seine Kandidatur
als Bürgermeister von Kevelaer vorbereitete und von den Bürgern zum
ersten Mal direkt gewählt werden wollte, rügte intern, dass Kuypers über
Gebühr oft in Presseberichten vertreten sei und damit viel eher die
Chance habe, sich zu vermarkten, als dies bei Stadtdirektor oder
Bürgermeister der Fall sei. Zudem gebe es in der Verwaltung zahlreiche
weitere Leute, die sehr gute Arbeit leisteten und kaum je im Licht der
Öffentlichkeit stünden. Er habe Kuypers bereits einmal darauf
hingewiesen gehabt, dass er nicht sich selbst, sondern die Stadt
Kevelaer vermarkten müsse.
Die "Stimmungslage" wenige Jahre vor der ersten Direktwahl des
Bürgermeisters (1999) war für Paal eher bedrückend: Kuypers stehe, so
stellte der Stadtdirektor intern fest, ausnahmslos mit positiv belegten,
populären Geschichten in den Medien, während Paal meist für Negatives
herhalten müsse.
Jedoch: Heinz Paal konnte sich 1999 nicht nur als Bürgermeisterkandidat
durchsetzen - er verstand es außerdem, in der ihm verbleibenden Amtszeit
bis zum Antritt von Dr. Axel Stibi seinen Wirtschaftsförderer und
PR-Mann im Rathaus an einer kürzeren Leine zu halten. Dieser von Kuypers
zum ersten Mal gespürte Gegenwind im Rathaus, ausgelöst von seinen
"Auftraggebern", dürfte seinen Abschied von Kevelaer und Wechsel zum
Kreis Kleve beflügelt haben.
(Im KB hatte Mr. W. bereits die
endlosen, kritiklosen Loblieder auf den Wirtschaftsförderer so
interpretiert, Hans-Josef Kuypers stünde in Kevelaer offenbar kurz vor
seiner "Heiligsprechung" oder zumindest der Berufung zum hauptamtlichen
Bürgermeister.)
Erst mit Stibi im Bürgermeisteramt begannen sich neue Gedanken behutsam
Bahn zu brechen. Zwar blieb mit Keukens Bestellung die Struktur der WfG
mbH immer noch unangetastet, obwohl bereits Mitte der 2000er-Jahre im
Büro von Bürgermeister Stibi erste Überlegungen angestellt worden waren,
ob auf dieses privatwirtschaftliche Firmenkonstrukt zu verzichten sei.
Zunächst änderte sich freilich nichts - im Gegenteil: Mitte 2010 wurde
Ruth Keukens Vertrag als WfG-Geschäftsführerin bis zum Jahr 2016
verlängert, und das, obwohl die gesamte WfG-Konstruktion mit Kulturbüro
und weiterer Aufgabenüberfrachtung längst kritisch gesehen und überprüft
wurde.
Erst
2013, nach Ruth Keukens Weggang von Kevelaer, die hier keine Zukunft
mehr sah und nun für den Kreis Kleve arbeitet, kam das gesamte
WfG-Projekt auf den Prüfstand: Bürgermeister Stibi erklärte im Juni
2013, dass er die WfG auflösen lassen wolle.
Bernd Pool: In der Amtszeit von Heinz Paal (r.) aufgestiegen
(Aufnahme aus 1995).
Dennoch rechnete sich Bernd Pool als kommissarischer Leiter der WfG
Chancen aus, in Fußstapfen von Keuken und Kuypers treten zu können.
Pools Gegenkonzept zu Stibis Auflösungsplan konnte im Stadtrat nicht
überzeugen. Die Ratsmehrheit wollte einen Neuanfang, der einen in der
Paal-Ära aufgestiegenen Bernd Pool nicht als führenden
Wirtschaftsförderer vorsah.
Die von seinem Vorgänger Paal ausgelagerten und an die WfG übergebenen
Arbeitsfelder Stadtmarketing, Kultur und Tourismus wolle er ins Rathaus
zurückholen, sagte Stibi. Ein neuer Wirtschaftsförderer solle engagiert
werden, der dem Bürgermeister direkt zu unterstellen sei und der sich
nur auf diese Kernaufgabe konzentrieren solle. Allein durch Auflösung
der GmbH spare die Stadt Kevelaer jährlich fast 80.000 Euro.
Gegen diese Pläne wurden Proteste laut. Besonders die
Unternehmervereinigung Kevelaer (UVK) vertrat die Auffassung, dass
eine eigenständige Firma und ein professioneller Wirtschaftsförderer als
Geschäftsführer unerlässlich seien.
Das sah eine Mehrheit im Stadtrat Kevelaer unter Führung der CDU anders:
Mitte Juli beschloss der Rat, die WfG aufzulösen. Der künftige
Wirtschaftsförderer sollte mit seiner Stabsstelle direkt ans Rathaus
angebunden und unmittelbar dem Bürgermeister unterstellt werden.
Gewählt
wurde im Dezember 2013 mit Mehrheit
Hans-Josef Bruns (54, Bild), der lange
Zeit Verkaufsleiter für die Brauerei Diebels gewesen war und sich
verändern wollte. "Wir haben mit ihm einen Wirtschaftsförderer gefunden,
von dem ich neue Impulse für unseren Standort erwarte", schrieb
Bürgermeister Dr. Axel Stibi.