Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Tamilen-Mord 1997

Auf der Kapellenplatz

KapitalverbrechenAm Samstag, 9. August 1997, gegen 19 Uhr, wurde auf dem Kapellenplatz ein 28-jähriger Tamile von Schwertern durchbohrt und getötet.

Am Vormittag jenes Samstags staute sich der Verkehr von Winnekendonk bis zur Einfahrt in die City. Autos der aus halb Europa anreisenden tamilischen Wallfahrer hatten längst alle Parkplätze in der Innenstadt besetzt. Und immer noch schob sich eine nicht enden wollende Stau-Kolonne auf die City zu.

Im Ort freuten sich die Einheimischen auf die bunt gekleideten Menschen dunkler Hautfarbe, die - seit 1986 kommen sie jedes Jahr - die mit Abstand größte Einzelwallfahrt bilden.

Der tödliche Überfall, der an diesem Tag geschah, war geplant. Hier in Kevelaer, das wussten die Täter, würden sie auf den 28 Jahre alten Jeyakkumar Jeganathan, das Opfer, treffen. Zwei Tage zuvor waren in Essen zwei verfeindete Tamilen-Gruppen aufeinander gestoßen, wobei der Anführer einer Gruppe schwere Verletzungen erlitten hatte. Das sollte gerächt werden - an Jeganathan, dem Anführer der anderen Gruppe.

Es war gegen 19 Uhr: Zwei Wagen mit ausländischen Kennzeichen fuhren auf den Kapellenplatz. Als der 28-Jährige in der Menschenmenge nahe der Basilika entdeckt wurde, entwickelte sich sofort ein handgreiflicher Streit unter den beiden rivalisierenden Gruppen. Jeganathan wurde ergriffen. Der wiederum schlug mit einem Gegenstand auf den Kopf des Angreifers. Der blutende Rivale rief seine Freunde herbei, die Jeganathan zu Boden warfen. Sie umstellten ihn und prügelten auf ihn ein.

„Maurice“, der Haupttäter, hatte inzwischen Waffen - darunter Schwerter - aus dem Auto geholt und verteilt. Die Tätlichkeiten wurden blutiger. Der 28-Jährige ging erneut zu Boden - da stach „Maurice“ mit einem Schwert zweimal an derselben Stelle auf das liegende Opfer ein, das verblutete.

Ein Pole lief ins Priesterhaus und alarmierte Pastor Richard Schulte Staade, der sofort zum Tatort eilte. Der inzwischen gestorbene Tamile lag noch auf dem Pflaster. Schulte Staade sprach die Sterbegebete. Als der Geistliche die Umstehenden in Deutsch und Englisch fragte, was passiert sei, erhielt er keine Antwort. Keiner wollte etwas sagen.

Noch eine ganze Weile blieb der tote Tamile am Tatort liegen. Viele Kevelaerer empfanden das als entsetzlich; aber die Spurensicherung der Polizei verlangte es so.

Am Montag titelte die Bild: „Schwert-Mord bei Pilgerfahrt“, der Express schrieb in die Headline „Mord vor der Mutter Gottes“. Tatsächlich hatte die Tat mit der Tamilien-Wallfahrt inhaltlich nichts zu tun. Das verstanden auch die Kevelaerer, die in den Folgejahren die immer größer werdende Pilgergruppe der Tamilen genau so herzlich aufnahmen wie in den Jahren zuvor.

Nach dem Überfall hatte die neunköpfige Tätergruppe zunächst fliehen können. Nur zwei der neun Verdächtigen wurden innerhalb von vier Tagen verhaftet.

Der erste von mehreren Prozessen vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Kleve begann Ende August 1998. Dabei kam heraus, dass schon lange vor dem Mord ein feindliches Klima zwischen dem Tamilien-Lager aus Frankreich und dem aus dem Ruhrgebiet herrschte. Die Schlägerei in Essen war nur noch der Auslöser für den Ausbruch der schließlich tödlichen Aggressionen gewesen. Das Gericht schickte zwei Mittäter für mehrere Jahre ins Gefängnis.

„Maurice“, der die zwei tödlichen Stiche ins Herz des Opfers gesetzt hatte, blieb lange Zeit im Ausland untergetaucht. Erst zur Jahreswende 2005/2006 wurde der Tamile, in Frankreich verhaftet, der deutschen Justiz ausgeliefert.

Die Klever Kammer wertete für „Maurice“ begünstigend, dass die Tat bereits etwa acht Jahre zurücklag und er zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorbestraft war. Gegen ihn sprach, dass er einen am Boden liegenden, verletzten und wehrlosen Menschen „hingerichtet“ habe.

„Maurice“ wurde wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt.

© Martin Willing 2012, 2013