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    SACHBEGRIFFE |
Reißner, Hanswerner

Theologe, Lehrer, Autor zahlreicher Schriften | * 1921 | † 2013  

Hanswerner ReißnerEr war mit seinem langen Haaren unter der Baskenmütze eine stadtbekannte Persönlichkeit. Und bis vor wenigen Monaten sah man ihn noch seine Runde durch Kevelaer ziehen. Von seiner schriftstellerischen Arbeit hatte man gehört, und natürlich kannten die Kevelaerer > Ilma Reißner († 2001), seine Frau, die die unvergessliche Georgienhilfe organisiert hatte. Aber über Hanswerner Reißner, den Theologen, Lehrer und Autor von 900 Publikationen, wussten bisher nur wenige mehr als das, was man sich so erzählte.

Kindheit und Jugend hatten seinen christlichen Glauben protestantisch geprägt, denn seine Familie - der Vater praktizierte als Arzt in Leipzig - war evangelisch durch und durch. Hanswerner Reißner begann ein Doppelstudium und studierte sowohl evangelische als auch katholische Theologie. Die hierbei gewonnene, "ganzheitliche Sicht" war vielleicht die Grundlage für sein lebenslanges Bemühen um ökumenisches Miteinander.

Der Krieg riss ihn aus der Berufsvorbereitung heraus. Hannswerner Reißner wurde eingezogen und auch in Russland eingesetzt. Vor Leningrad, dessen Bevölkerung von den deutschen Soldaten eingekesselt und ausgehungert wurde, widerfuhr dem hochtalentierten Geigenspieler das Glück, von seinen Vorgesetzten für eher musische Aufgaben als für Kämpfe an vorderster Front eingesetzt zu werden. So rettete ihm vordergründig seine Violine das Leben; aber in diesen Tagen des Jahres 1942 geschah mehr mit ihm: Er fühlte sich von der Gottesmutter beschützt und geleitet. Noch im selben Jahr konvertierte Hannswerner Reißner zum katholischen Glauben.

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Leipzig zurück. Erfüllt von dem Wunsch, katholischer Priester zu werden, zog er vor dem Mauerbau aus der DDR in den Westen um und setzte in Bonn sein Theologiestudium fort. Sein ausgeprägter Wunsch nach einer Familie und eigenen Kindern veränderte seine beruflichen Pläne. Hannswerner Reißner wurde Lehrer und unterrichtete einige Jahrzehnte in Düsseldorf an der kaufmännischen Berufsschule im Fach Religion.

Mit seiner Frau Ilma bekam er die drei Kinder Ilma, Matthias und Clemens und genoss das Familienleben in vollen Zügen. Zeitgleich schrieb er ohne Unterlass. Er verfasste ungezählte Beiträge für Fachzeitschriften und schrieb etliche Bücher. Seine Gedanken befassten sich in der Regel mit theologischen Grundsatzfragen, mit der Marienverehrung und der orthodoxen Kirche, die er bei seinem Russland-Einsatz kennengelernt hatte. Und er schrieb immer wieder Gedichte, von denen einige auch im Kävels Bläche erschienen sind.

Wie kam die Beziehung zu Kevelaer zustande? Wenn es Hannswerner Reißner zu "rüselig" in seinem Düsseldorfer Refugium wurde, nahm er seine Reiseschreibmaschine und fuhr nach Kevelaer, wo ihm Pfarrer > Richard Schulte Staade, den er schon früh kennengelernt hatte, im > Priesterhaus eine stille Kammer zum Arbeiten bereitstellte. Eines Tages fragte ihn Schulte Staade, ob er nicht ganz nach Kevelaer wechseln wolle. Und weil an der Friedenstraße gerade eine Wohnung freigeworden war, fiel die Entscheidung leicht.

Hier lebten Ilma und Hannswerner Reißner glückliche Jahre, in denen die Öffentlichkeit besonders auf die Georgien-Hilfe der Journalistin aufmerksam wurde. Inzwischen hatten ihre Kinder eigene Familien gegründet: Tochter Ilma, die Erstgeborene, und ihr Mann Jón Thor Gislason (jonthorgislason.de) leben in Düsseldorf, Matthias (Musiker) in Wien und Clemens (Architekt) in Düsseldorf. Die drei Enkel Leander, Raphael und Mia machten das Glück von Hannswerner Reißner komplett.

Hanswerner ReißnerDer Einbruch trat 2001 ein, als seine Frau Ilma starb, mit der er länger als vier Jahrzehnte verheiratet gewesen war. Ihr Mann schrieb in der Traueranzeige: „Wir haben unseren irdischen Engel verloren.“

Hanswerner Reißner in seiner Wohnung.

In der Wohnung an der Friedenstraße sah man Bilder seiner verstorbenen Frau und seiner Familienangehörigen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ikonen und dem Gnadenbild der Kevelaer-Madonna.

Bis zuletzt war der hochgebildete Theologe schriftstellerisch tätig. Zahlreich sind die Verlage, die seine Werke publizierten. In seinem Nachlass fand Tochter Ilma Berge von Manuskripten, die meisten von Hand geschrieben.

„Mein Herz schlägt für die orthodoxe Kirche“, sagte er einmal in einem KB-Gespräch. Er ist der Autor von „Rosa Mystica, Ein Marienleben in Gedichten“, der „Gedanken zur Kevelaer Messe“ (Ave spes nostra, Kevelaer 1965), der „Botschaft von Kevelaer“ und vieler anderer Schriften. Er verfasste für das Kevelaerer "Wallfahrtsjubiläumsbuch" den Beitrag "Kevelaer im Kranz europäischer Wallfahrten" und ist mit Aufsätzen mehrfach in der Broschüre zur orthodoxen Johanneskapelle vertreten.

Er war auch Autor der Reihe "Bedenkliches" im Kävels Bläche und äußerte sich 1996 engagiert zu der Frage, ob Kevelaer neben der Wallfahrt ein "zweites Standbein" haben müsse: "Wenn das Kreuz Zentrum unseres Daseins bleibt, dann wird das ganz von selbst auch auf die Stadt ausstrahlen und damit auf die Wallfahrt. Dann bleibt sie 'attraktiv' (um einmal dieses wenig schöne Wort zu gebrauchen) und wird weiterhin Wallfahrer aller Art anziehen. Wenn dagegen die Güter und Werte dieser Welt zur Mitte unseres Daseins aufrücken, dann wird eben auch dies auf die Wallfahrt 'abfärben'."

Zahlreich sind die Leserbriefe, die Hannswerner Reißner dem KB schickte. In ihnen ging es allerdings nicht um theologische Fragen, sondern um unser Leben im Alltag, das der inzwischen hochbetagte Mann besonders durch rüde Radfahrer, die Hauptstraße und Kapellenplatz unsicher machten, in Mitleidenschaft gezogen sah.

Auch einige seiner Gedichte wurden im KB veröffentlicht, so das von 2003, das er "Rückwege gibt es nicht!" überschrieben hatte und in dem es zum Schluss heißt: "Auf das, was vor dir liegt, musst du vertrauen! Durch Dunkelheit führt dich dein Weg ins Licht."

Dieses Licht sah Hannswerner Reißner in seiner Todesstunde im April 2013 im gesegneten Alter von 92 Jahren.

© Martin Willing 2012, 2013