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Grüngürtel Kevelaer

Ein "Dauerbrenner" als Idee - und nie verwirklicht

Bauschild GrüngürtelAb 1986 schwebte das Projekt "Grüngürtel" durch die Stadt - und das zunächst quicklebendig. Dann mutierte es - etwa 1993 - zu dem Polit-Zombie "Grüngürtel" und geistert seitdem durch das Kevelaerer Rathaus.

Der Grüngürtel lebte nie richtig. Er starb nie richtig. Er war nie richtig. Denn die SPD hatte die Idee geboren, weshalb für die Ratsmehrheit das grüne Projekt eher ein rotes Tuch war. Im Juni 2012, nach fast zwanzigjähriger Geisterfahrt, empfahl die Stadtverwaltung den Politikern seine endgültige Bestattung: Der grüne Zombie ohne Gürtel darf endlich sterben.

Grün ist man in Kevelaer immer dann, wenn es nützt. Schon 1940 schwadronierte Lehrer Clemens Plaßmann im "Geldrischen Heimatkalender", wie grünlich Kevelaer im braunen Kurzzeitalter geworden sei. Nachkriegs-Stadtdirektor > Fritz Holtmann lobte sich 1961, wie sehr er doch "die großzügige Ausgestaltung der Grünanlagen" gefördert habe.

1981, als die Kevelaer-Politik im Einkaufsfieber steckte und für das ehemalige B & B-Gelände mitten in der City ein Großkaufhaus forderte, formulierte Martin Willing, der Autor dieser Zeilen, im "Kevelaerer Blatt" das Unaussprechliche: "Ist ernsthaft über die Alternative nachgedacht und debattiert worden, hier kein Kaufhaus sondern eine Wohnlandschaft mit viel Grün, geeignet für älter Bürger und kinderreiche Familien, anzubieten?"

Grüngürtel Kevelaer
So wurde mit dem Grüngürtel Kevelaer 1986 begonnen.

Natürlich war nicht darüber nachgedacht worden. Denn alle wollten ein Einkaufszentrum. Zunächst jedenfalls.

In seiner Haushaltsrede 1988 sprach es SPD-Fraktionschef Dr. Klaus Hölzle aus: "Wir fordern für das B&B-Gelände einen Bürgerpark". Es war der Beginn der langen Grüngürtel-Geschichte, die aber erst Anfang der 1990er-Jahre so genannt wurde. Beflügelt durch die Vorstellungen, auf der Hüls würde ein Kurzentrum rund um die Thermalquelle entstehen, schwebte den Politikern nun eine grüngürtelähnliche Landschaft vor, in der das Volk lustwandeln könnte.

1993 machten sie Nägel mit Köpfen: Sie stellten im Herbst gleich drei Bebauungspläne auf - je einen für Nordwest, West und Südwest. Die SPD-Idee schien grüne Wirklichkeit werden zu können.

Vielleicht schwante ihr was. Prophylaktisch forderte die SPD in ihrem Parteiprogramm 1994, der "Grüngürtel um Kevelaer, verbunden mit Wander- und Radwegen sowie Ruhezonen", müsse "weiter ausgebaut" werden.

Nun ja, eigentlich war 1994 noch nix da.Und weil die Politiker sogar fürchten mussten, dass der am Vorstellungshorizont schwebende Grüngürtel von der Verwaltung mit jedem neuen Bebauungsplan ein Stückchen mehr zur Makulatur werden könnte, verlangte damals der Planungsausschuss, die Verwaltung müsse immer sofort Ton abgeben, wenn ein Bauplan den Gürtelplan berühre.

Das rote Grüngürtel-Projekt nervte die Christdemokraten, die noch im selben Jahr empfahlen, das Ding aus dem neuen Flächennutzungsplan zu streichen. Mit neuer Konzeption könne der Gürtel später wieder 'reinkommen.

Mittlerweile hatte sich eine neue Partei, die KBV, gegründet, und eine ihrer ersten Initiativen im Stadtrat war 1995 die von Heinz Lamers vorgetragene Empfehlung: Man könne "auf den Grüngürtel unter Berücksichtigung der gesamtstädtischen Finanzierbarkeit verzichten". Es grüne doch sowieso so grün im grünen Kevelaer. Da seien Mühen und Kosten für einen besonderen Grüngürtel entbehrlich. In fetteren Jahren könne man darauf wieder zurückkommen.

Der Angriff des Ex-SPD-Mannes auf das liebste Kind des ungeliebten SPD-Fraktionschefs war kaum gefahren, da mahnte Hölzles Stellvertreter Dr. Horst Grobe in seiner Haushaltsrede an: "Bei der Stadterneuerung vermissen wir nachhaltige Aktivitäten zum Grunderwerb für den Grüngürtel im Westen und Nordwesten. Daraus können wir aber der Verwaltung nur bedingt einen Vorwurf machen, nachdem die CDU die planungsrechtlichen Grundlagen für die Realisierung des Grüngürtels torpediert hat."

Mit anderen Worten: Die gürtellose Plan-Schimäre war bereits zum Zombie geworden.

Die KBV legte wenige Wochen später nach: Sie sei "entschieden gegen den geplanten Grüngürtel mit einem Gesamtausgabevolumen von rund 270.000 DM. Nach unserer Ansicht ist der Stadtrand Kevelaers ausreichend begrünt und zum Wandern und Radfahren auch ohne diese Investition hervorragend geeignet. Dieses Geld wird für eine Vielzahl anderer und wichtigerer Aufgaben dringend benötigt".

1997 bekamen die Roten unverhoffte Schützenhilfe. Pfarrer > Richard Schulte Staade, als Wallfahrtsrektor in Kevelaer einflussreicher als Stadtdirektor und > Bürgermeister zusammen, erzählte im Kävels Bläche mit gewisser Scheinheiligkeit, er werde oft von Gästen der Stadt gefragt, wo sie ausdauernd im Grünen spazieren gehen könnten. "Dann muss ich mit den Achseln zucken und sagen: So was gibt es hier nicht." Er wünsche sich eine Nierspromenade ohne pompöse Bauten und schwere Lampen, sondern als einen einfachen Weg, auf dem der Besucher ein paar Hundert Meter am Niersufer durch die niederrheinische Kopfweidenlandschaft flanieren könne - das Ganze gut angebunden an die City und an eine zweite Brücke, über die der Spaziergänger den Nierswanderweg erreichen könne.

Aber auch die Initiative des Pastors ließ die Grüngürtelidee nicht mehr sprießen. 1998 kritisierte SPD-Vormann Dr. Klaus Hölzle "den Stillstand in Sachen Grüngürtelplanung", was Bürgermeister > Heinz Paal die frommen Worte entlockte, man arbeite weiter an diesem Thema.

Die Wirklichkeit sah anders aus, nämlich so, wie der Fachmann Rinald Punga-Kronbergs in einem Schreiben an den Autor dieses Beitrags Ende 2000 sie schilderte. Der 2010 verstorbene Punga-Kronbergs, der die Kritik nicht zu seinen Lebzeiten veröffentlicht sehen wollte, führte damals aus: "Achten Sie doch mal aufmerksam darauf - wie oft hier von hochoffizieller Seite von Natur, Umwelt oder Grün gesprochen wird. Fast garnicht! Und das wird sich für Kevelaer rächen. In keiner alten Grünanlage wird energisch renoviert und nachgepflanzt - Kapellenplatz, Südstraße, Friedensplatz, Kreuzweg und Friedhof u.v.m. sind alle abgängig und werden ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Wir bauen Turnhallenpaläste, Schulen, Wohngebiete, gepflasterte Flächen, gebührenpflichtige Parkplätze, Eisenkübel usw. und so fort."

Der Grüngürtel-Geist schwebte immer noch über Kevelaer und kam 2002 sogar noch einmal herab. Die Mitglieder der städtischen Spielplatzkommission spielten im Frühjahr 2002 "Mensch ärgere dich nicht": Sie regten an, am 4. Mai auf Klinkenberg ein "Grüngürtelfest" zu feiern, zu dem alle Kevelaer eingeladen werden sollten. Es war eine Fete mit Etikettenschwindel. Das, was die Ideengeber unter einem "Grüngürtel" verstanden, war zur üblichen Begrünung in neuen Baugebieten verkümmert.

2005 wollte es Hölzle noch einmal wissen. Der von der SPD geborenen Grüngürtel-Idee, von der Stadtverwaltung und der CDU-Mehrheit abgeblockt, solle neues Leben eingehaucht werden. Die neue Fraktionsvorsitzende Sigrid Ehrentraut erläuterte, drei aktuelle Bebauungspläne eigneten sich dazu, mit dem Grüngürtel endlich zu beginnen: BalneaSana, Heideweg und rund um das ehemalige > Tagungshaus der Clemensschwestern an der Sonnenstraße.

Daraus wurde mal wieder nichts, obwohl die Politiker in den anschließenden Sitzungen das hohe Lied vom grünen Kevelaer sangen.

Die Wahrheit sollte bis zum 12. Juni 2012 unter der Decke bleiben. In ihren Erläuterungen für den Stadtentwicklungs-Ausschuss räumte die Stadtverwaltung zum ersten Mal ein: "Seit der vorgezogenen Beteiligung 1993 ruht die Planung. Eine Realisierung scheint nicht möglich zu sein." Es sei die Zeit gekommen, "die eingeleiteten Bauleitplanverfahren förmlich zu beenden, indem die Aufstellungsbeschlüsse vom 22.09.1993 aufgehoben werden."

Der Zombie darf nun endlich in die Gruft.

© Martin Willing 2012, 2013