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Musikverein Kevelaer

Gegründet 1872

Die Pfarrgemeinde St. Antonius, die bis 1956 die einzige Pfarrei in der damaligen Stadt (Kevelaer-Mitte) und damit zugleich Wallfahrtspfarrei war, stellte 1871 für die Kirchenmusik den Chordirektor > Stanislaus Aenstoots ein. Der Geistliche fand in der Gemeinde eine reichhaltige Szene der musica sacra vor - mehrere Musikgruppen und Chöre, die noch nicht unter einem Namen vereint waren. Aenstoots fasste sie 1872 unter dem Namen "Musik-Verein" zusammen.

Um den neuen Musikverein Kevelaer und seine Arbeit finanziell zu unterstützen, wurden Ehrenmitglieder und Abonnenten angeworben. So hieß es in einer Anzeige im Kävels Bläche Anfang 1881: "Diejenigen Herren, welche als Ehrenmitglied oder Abonnenten dem Vereine neu beizutreten wünschen, wollen ihre Anmeldungen gütigst bei den Vorstands-Mitgliedern H. Bloes, P. J. Sieben, H. van den Wyenbergh abgeben. Bei den bisherigen Ehren-Mitgliedern und Abonnenten werden die genannten Vorstandsmitglieder den Beitrag pro 1881 in nächster Zeit persönlich abholen."

Das Repertoire der Gesangs- und Instrumentalgruppen im Musikverein Kevelaer beschränkte sich zunächst nicht auf geistliche Musik. So brachte beispielsweise das Konzert am 3. Januar 1881 Mozarts "Schauspieldirector", Aubers "Schlummerlied aus der Stumme", Boildieus "Calif von Bagdad" und "Jean de Paris" sowie das Finale aus der Oper "Dornröschen". Wenige Tage danach trat der Musikverein mit Wagners "Tannhäuser", Rossinis "Italienerin in Algier" und Rossinis "Italienerin in Algier" auf.

Die Qualität der Darbietungen fand auch in der Presse Lob. So notierte ein nicht genannter "praktischer Musiker" im KB Mitte Februar 1881: "Mit einer gewissen ängstlichen Spannung folgten wir am 13. Feb. einer Einladung aus Kevelaer zur Aufführung des berühmten Haydn'schen Oratoriums. (...) Es war also ein kühnes Unternehmen des Kevelaerer Musik-Vereins, als er ein solches Werk in die Hand nahm. Um so freudiger waren wir überrascht, als nach einigen Orchester-Schwankungen im Anfang das große Werk mit großer Sicherheit und stellenweise sogar mit an Vollendung grenzender Präcision seinen Fortgang nahm (...)." Fast zehn Jahre nach seiner Gründung war der Musikverein Kevelaer, der bis Ende der 1880er-Jahre den großen Saal des Gasthofs "Kölner Hof" an der Hauptstraße für Proben und Auftritte nutzte, in Gesellschaft und Kirche zu einer anerkannten Größe geworden.

Für 1894 ist belegt, dass wöchentlich zu einem "Montags-Abend-Concert des Musik-Vereins" eingeladen wurde. Über eines dieser Konzerte, das zum Abschiedskonzernt des Dirigenten Aenstoots wurde, schrieb das KB im April 1894:

 "Beendigung des Concertes feierte Herr Bürgermeister Leeuw den Dirigenten des Musik-Vereins, den Herrn Chordirector Aenstoots, welcher, dem Vernehmen nach, zum Pfarrer von Brüggen ernannt werden soll. Redner schilderte in feuriger Weise die großen Verdienste des Herrn Chordirectors um die Hebung der Wallfahrt durch seine musikalischen Darbietungen bei der Feier des Gottesdienstes und gab der Hoffnung Ausdruck, daß dem nunmehr bald scheidenden Herrn auch eine ebenso glänzende Zukunft bevorstehen möge, wie die Thaten in der Vergangenheit ja bereits glänzend waren. Sein Hoch galt dem Priester-Jubilar, dem jetzigen Chordirector und dem künftigen Pfarrer von Brüggen, dem Hochw. Herrn Stanislaus Aenstoots. Die Versammelten stimmten begeistert unter den Klängen der Musik in das Hoch ein. Herr Chordirector Aenstoots dankte dem Herrn Bürgermeister für seine schönen Worte, schilderte die Freuden, die er stets unter seinen Sängern und Musikern erlebt habe, dankte den Herren Ehrenmitgliedern und Abonnenten sowie deren Familien für das Wohlwollen, welches sie stets dem Verein und seinen Bestrebungen erwiesen hätten und bat sie, dasselbe dem Vereine auch für die Zukunft bewahren zu wollen. Er selbst würde Kevelaer nie vergessen und hoffe, daß ihm auch stets im Herzen der Kevelaerer ein Plätzchen bewahrt bliebe."

Mit dem Fortgang des Vereinsgründers Aenstoots nach fast 25-jährigem Wirken war dem Musikverein seine charismatische Führungsfigur entzogen. Öffentlich wurde darüber nachgedacht, ob der Musikverein den Verlust verkraften könne. "Hin und wieder sind in letzter Zeit Zweifel aufgetaucht, ob hiesiger Musik-Verein für die Zukunft fortbestehen werde", notierte das KB Ende 1894 und brachte die gute Nachricht: "Demgegenüber vernehmen wir zu unserer Freude, daß er am Montag [12.11.1894] seine musikalischen Abendunterhaltungen wieder beginnen wird."

Für das Wallfahrtsleben seien "das Bestehen und Blühen des Musik-Vereins durchaus nothwendig", und "gar mancher würde zweifelsohne den Ausfall der bisher üblichen muskalischen Aufführung an den geselligen Abenden lebhaft bedauern." Der Verein werde sich aber "unmöglich auf der Höhe halten, die er unter der (...) Leitung des bisherigen Herrn Chordirectors (...) errungen [hat], wenn nicht nach wie vor seitens der Kevelaerer Bürgerschaft das bisherige Interesse ihm voll und ganz zugewendet wird."

Rezensionen von Auftritten in den folgenden Jahren belegen, dass der Musikverein mit seinem Kirchenchor und der Instrumentalgruppe durchaus sein Niveau halten konnte, denn in ihm wirkten auch Berufsmusiker wie Gerhard Korthaus, der Königliche Musikdirigent a.D., Heinrich Laudenbuch, und der Komponist Gustav Busch zeitweilig mit.

Für Klarheit sorgte eine Trennung Anfang 1910: Aus dem Musikverein bildete sich ein eigenständiger Gesangverein für weltliches Liedgut. Unter Leitung des Basilikaorganisten Korthaus gab der neue Verein, der sich "Männer-Gesang-Verein Kevelaer" nannte und den wir heute als KMGV kennen, 1911 sein erstes Konzert.

1915 begann die Zeit des Chordirektors Franz Schmäing, der Chor und Orchester des Musikvereins leitete. "In unermüdlicher Arbeit gelang es ihm, das Orchester und den Kirchenchor zu seinen weit über Kevelaers Grenzen hinaus bekannten, hochkünstlerischen Leistungen heranzubilden", hieß es im KB, als 1927 Schmäing nach Münster berufen wurde und für ihn Prälat Konrad Thielen die Leitung des Musikvereins übernahm. Thielen führte mit der Basilikamusik große Werke auf wie die Oratorien "Die Schöpfung", "Jahreszeiten" und  "Der Messias".

Während der Nazi-Zeit geriet auch der Musikverein in Gefahr, die NS-Ideologie unfreiwillig zu unterstützen. Er wirkte wie auch der KMGV musikalisch mit, als beispielsweise zu Hitlers Geburtstag 1933 eine groß inszenierte Feier vor dem Rathaus ablief und - so vermerkt es ein zeitgenössischer KB-Bericht - "alle das 'Horst-Wessel-Lied' sangen." Ebenso fehlte der Musikverein nicht, als 1935 die NS-Organisation "Kraft durch Freude" im Gesellenhaus einen Heimatabend mit > Theodor Bergmann veranstaltete.

Nach der Befreiung vom NS-Regime erschien der Musikverein Kevelaer zum ersten Mal wieder im April 1946 in der Öffentlichkeit, indem er die "Matthäus-Passion" (Bach) und Teile von "Der Messias" (Händel) in der Kerzenkapelle aufführte. Unter Prälat und Chorleiter Heinrich Kempkes fand die Basilikamusik zu dem früher so hoch geschätzten Niveau zurück. Nach seinem Tod 1955 folgte ihm der junge > Josef Lohmann, der erste Nichtgeistliche unter den Leitern der Basilikamusik. So sprach auch Pfarrer > Heinrich Maria Janssen bei Lohmanns Vorstellung von einem "Neubeginn für die Basilikamusik".

Lohmanns engagiertem Einsatz war es zu verdanken, dass der Musikverein Kevelaer weiter aufblühte. Im Festjahr 1972, als der Verein sein Hundertjähriges feierte, trug sein Vorsitzender > Karl Dingermann die Festkette. Es war das Jahr, in dem der Musikverein mit der Palestrina-Medaille ausgezeichnet wurde, die Domvikar >Richard Schulte Staade als Vertreter Bischofs überreichte.

Musikverein Kevelaer 1996
Boris Böhmann (l.) trat 1993 die Nachfolge von Josef Lohmann an. Bildmitte: Annegret Beckedahl, rechts: Präses Richard Schulte Staade (Aufnahme von 1996).

Auf Chordirektor Josef Lohmann folgten Boris Böhmann (1993), Markus Belmann (2002) und Romano Giefer (2008). Dem seit 2000 in Kevelaer wirkenden Basilikaorganisten Elmar Lehnen, der > Wolfgang Seifens (1983 - 2000) Aufgaben übernommen hatte, wurde 2008 auch die Leitung der Ensembles der Basilikamusik anvertraut, die er sich mit Chordirektor Romano Giefer und Organist Martin Chrost teilt.

2007 gab sich der Verein nach dem Abschied der langjährigen Vorsitzenden > Annegret Beckedahl einen neuen Vorstand. Vorsitzender wurde Dr. Markus Spolders.

2012 trug für den Musikverein Bruno Helmus, Schwiegersohn von Karl Dingermann, die Festkette zur gemeinsamen Kirmes - so wie schon sein Vater > Theo Helmus (1997).

© Martin Willing 2012, 2013