Janssen, Heinrich Maria
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Pfarrer
und Ehrenbürger in Kevelaer |
* 1907 |
Priesterweihe 1934
Bischofsweihe 1957 |
† 1988
Heinrich
Maria Janssen wurde im Mai 1957 nach seiner Ernennung durch Papst Pius
XII. als Bischof von Hildesheim inthronisiert. Nicht diese
außergewöhnliche Berufung, sondern das Wirken und Ansehen des ehemaligen
Pastors in Kevelaer veranlassten einen Monat später die Ratsmitglieder,
Heinrich Maria die Ehrenbürgerrechte der Stadt zu verleihen.
Schon zu seinen Lebzeiten wurde dem Geistlichen eine außergewöhnliche
Hochschätzung entgegengebracht, und zwar bereits als er Pastor von St.
Antonius und - nach der Abpfarrung – Pastor von St. Marien war. Das
lässt sich teilweise damit erklären, dass sich in den 50er-Jahren viele
Bürger und weltliche Amtsträger offener zur Kirche bekannten als heute.
Es war den Ratsmitgliedern ein Herzensbedürfnis, dem scheidenden Pastor
durch die Ehrenbürgerrechte zu danken und sich mit ihm und dem, wofür er
gestanden hatte, zu identifizieren. Diese Heraushebung fand breiteste
Zustimmung in der Bevölkerung.
Selbst
gravierende Meinungsverschiedenheiten hatten an der Wertschätzung nichts
ändern können, wie der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD,
Hans
Willems, bekräftigte. Ihn hatte Heinrich Maria - im übertragenen
Sinne - eher mit Box- denn mit Glacéhandschuhen angefasst.
Heinrich Maria Janssen (1957).
Janssens Verwurzelung in den Herzen der Kevelaerer hat lange
nachgewirkt. 1987, als Kevelaers
Rathausanbau fertig war, bat Bürgermeister
Karl Dingermann den Ehrenbürger, die Segnung vorzunehmen. Heinrich
Maria war es auch, der die neuen Glocken von St. Antonius - im selben
Jahr - weihte.
Die liebevolle Bindung zwischen Janssen und Kevelaer war auf beiden
Seiten fest. „Er war ein ungeheuer vitaler und unkomplizierter Mann“,
sagte Dingermann nach Janssens Tod Ende 1988. Besonders habe ihn seine
Gabe zu predigen fasziniert. „Er konnte seine Zuhörer in den Bann
ziehen."
Auch das Kävels Bläche hat eine feste Bindung zu Heinrich Maria, denn
sein Wunsch an diese Zeitung, in der ersten Ausgabe nach dem Krieg am
26. November 1949 veröffentlicht, hat Eingang in das Redaktionsstatut
des Kevelaerer Blatts von 1981 gefunden. Janssen schrieb damals:
„Möge das Blatt zum Sprachrohr werden für die Öffentlichkeit, möge es
Bote werden in alle Familien hinein! Möge es einen Geist atmen, der
unserer Gnadenstätte, unserer Marienstadt Kevelaer sich verpflichtet
weiß.“
Sein
Hirtenstab, so legte es Bischof Heinrich Maria Janssen in seinem
Testament fest, kam nach seinem Tod in die Marienstadt zurück.
Bischof Heinrich Maria Janssen in
Kevelaer (1987).
In einem handschriftlichen Nachtrag zu seinem Testament hatte er
gebeten: „Wenn es möglich ist, möge mein Hirtenstab der Pfarrei St.
Marien in Kevelaer gegeben werden. Die Stadt Kevelaer, die Gnadenstätte
der Consolatrix afflictorum, hat mir einmal den Stab geschenkt, und bei
der Wallfahrt dort wird oft ein Stab gebraucht."
Bei Janssens Begräbnis in Hildesheim wurde der Hirtenstab dem Sarg
vorangetragen, mit dem oberen Ende nach unten zeigend.
Die Wurzeln von Heinrich Maria Janssen hatten am Niederrhein gelegen.
1907 in Rindern geboren, wurde er 1934 durch Bischof Clemens August von
Galen zum Priester geweiht. Im selben Jahr begann er als Vikar an der
Freien Prälatur Schneidemühl in der damaligen „Grenzmark
Posen-Westpreußen“ und blieb in Westpreußen bis zum Kriegsende.
Um Janssens Schneidemühl-Aufenthalt rankten sich Spekulationen, er habe sich
dort nicht für verfolgte Juden eingesetzt. Im Februar 1940, während
Janssens Amtszeit, waren alle Juden in Schneidemühl unweit der
westpreußischen Grenze - etwa 120 an der Zahl - festgenommen und
deportiert worden. Insgesamt fielen rund 160 Menschen aus Schneidemühl
in die mörderischen Hände der Nazis.
Rund 44.000 Einwohner hatte der Stadtkreis
Schneidemühl damals gezählt, darunter 28.500 Protestanten und 13.500 Katholiken. Janssen war neben seiner Funktion als Standortpfarrer der
Wehrmacht für die 13.500 Katholiken zuständig.
Er gehörte zu den katholischen Geistlichen des Bistums Münster, die 1934
von Bischof Clemens August von Galen in die Diaspora im Osten des
Deutschen Reichs geschickt worden waren. Janssen fungierte zunächst als Vikar und wirkte ab 1939 als Kuratus an der Pfarrkirche St.
Antonius. Die Grenzmark wurde 1938 aufgelöst; unter anderem bildete sich
hier ein eigenständiger Regierungsbezirk mit Sitz in Schneidemühl (heute
Polen).
Während der gesamten Zeit von Beginn der Judenverfolgung bis zur
Eroberung durch die Rote Armee im Februar 1945 lebte und arbeitete
Heinrich Maria Janssen als Vikar und Kuratus in Schneidemühl. Jüdisches
Leben in Schneidemühl war beim Zusammenbruch des Nazi-Reichs restlos
ausgelöscht. Über Janssens Haltung und Verhalten gegenüber der jüdischen
Not in dieser Zeit gab es keine Zeugnisse. Das löste Spekulationen aus,
er habe ihrer Verfolgung tatenlos zugesehen.
Im Mai 2014 meldete
sich Zeitzeuge Godehard Baeck aus Lilienthal: „ Obwohl ich Bischof
Heinrich Maria persönlich gut kannte, habe ich nichts zu diesem Thema -
was auch nicht zwischen uns aufgeworfen wurde - gehört. Aus äußerst
sicherer anderer Quelle weiß ich aber, dass aus der Familie, von der ich
die Information habe, Juden durch Heinrich Maria Janssen damals in
Schneidemühl gerettet wurden. Über die Zahl der sonst geretteten Juden
weiß ich nichts. Die betreffende Familie wollte einen Schlussstrich
ziehen und sich außer dieser Information nicht weiter dazu äußern, es
hätte genug Leid gegeben. Vor Bischof Heinrich Maria Janssen hätten sie
den größten Respekt und mit ihm noch bis zu seinem Tod dankbaren Kontakt
gehabt. Ich verbürge mich für die absolute Verlässlichkeit der Quelle,
möchte aber auch die von ihr gewünschte Vertraulichkeit respektieren.“
Soweit Godehard Baeck.
Beschrieben ist in der Nachkriegsliteratur, dass sich
Heinrich Maria Janssen in der Seelsorge für Zwangsarbeiter
hervorgetan habe. Für sein Wirken sei er mit der sehr hohen
Geldstrafe von 10.000 Reichsmark belegt worden. Die Quelle der Aussage lässt sich
bisher nicht finden. Zwar gibt es entsprechende
Hinweise in mehreren Zeitungen und Vorträgen, aber sie beziehen sich
wohl alle auf den selben Ursprung.
Nach seiner Flucht aus Westpreußen arbeitete Janssen 1945 als Kaplan
zunächst in Bronnzell im Bistum Fulda, dann in Ochtrup (1946). Im Jahr
1949 wurde er zum Pastor von St. Antonius Kevelaer berufen.
Nach Aufteilung der Großpfarrei in St. Antonius und St. Marien 1956
bekleidete Heinrich Maria Janssen als Wallfahrtsrektor auch das Amt des
Pastors von St. Marien. Im selben Jahr wurde er Ehrendomkapitular am Dom
zu Münster. Bereits 1957 ernannte ihn Papst Pius XII. zum Bischof von
Hildesheim (St. Godehard).
Die
Kontakte Kevelaers zu Janssen rissen nie ab. Manche Pilgergruppe aus
Hildesheim führte der frühere Pastor und Ehrenbürger der Stadt an.
Heinrich Maria Janssen, Zeichnung von Josef Pauels.
Der Bundespräsident ehrte ihn 1966 mit dem Großen Verdienstkreuz mit
Stern, 1968 verlieh ihm auch Janssens Geburtsort Rindern die
Ehrenbürgerrechte. 1977 empfing er den Silbernen Brotteller, die höchste
Auszeichnung des Caritasverbandes, 1982 das Goldene Ehrenzeichen des
Internationalen Kolpingwerkes.
Im selben Jahr ließ sich Heinrich Maria Janssen, gesundheitlich
angeschlagen, von seinem Bischofsamt entpflichten.
Sechs Jahre später starb Heinrich Maria nach einem erfüllten Leben als
Seelsorger.