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Seit Mitte des 19. Jahrhunderts
Paramente
- kirchliche Gewänder - gehören seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur
Palette des Kevelaerer Kunsthandwerks. Die Ursprünge handwerklicher
Paramenten-Herstellung in der Marienstadt liegen im Hause I.W. van den
Wyenbergh am Kapellenplatz Nr. 27, wo 1845 eine Werkstatt eingerichtet
wurde.
Deckblatt des Katalogs von
I. W. van den Wyenbergh um 1920.
1897 übernahmen Anton Jansen und Hermann Tauwel das Unternehmen. Neben
dieser berufsmäßigen Paramenten-Produktion gründete sich 1900 der
Paramentenverein der Wallfahrtsgemeinde, dessen Frauen sich regelmäßig
treffen, um Kleider, Gewänder und andere Textilien ehrenamtlich und zur
Ehre Gottes auszubessern oder herzustellen.
St. Marien hat einen besonders hohen Bedarf an Paramenten; keine andere
Kirchengemeinde am Niederrhein wird so stark von Geistlichen besucht.
Die Frauen im Verein nähen und sticken auch für Missionsgemeinden, die
kostbare Gewänder nicht selbst herstellen oder bezahlen können.
Auch im Klarissenkloster gab es früher eine Paramenten-Werkstatt.
Außerdem trugen die
Vorsehungsschwestern, die schon 1900 „nadelführend“
tätig waren, zum klangvollen Namen der Kevelaerer Paramente wesentlich
bei - bis zur Auflösung ihres Klosters (2005).
Etwa zur Zeit der Gründung des Paramentenvereins, also um 1900, begannen
die berufsmäßigen Paramentenhersteller in Kevelaer mit ihrer
internationalen Ausdehnung. Aufträge aus vielen Ländern trafen in der
Marienstadt ein. Kevelaers Paramente wurden, wie Orgeln und Glasfenster,
bedeutsame Exportartikel unserer Stadt. Sie prägten den Charakter
Kevelaers als Kunstwerkstadt wie die Arbeiten der Goldschmiede.
Das Nebeneinander von professioneller und ehrenamtlicher
Paramentenstickerei befruchtete sich. Mehrere
Paramenten-Ateliers, wirtschaftlich voneinander unabhängig, hatten gut
zu tun. Neben den Namen van den Wyenbergh und Tauwel und Jansen ist der
von Hein Bercker (Gelderner Straße Nr. 29) in Erinnerung. Für das
Atelier Bercker, das wie die anderen hohen Anspruch pflegte, wirkten
beispielsweise die Künstlerinnen Lotte Bach, Trude Benning,
Helly Driesen und Mia Wirges.
Bis in die 1960er-Jahre arbeitete das Unternehmen „Paramentik“ von Maria
Vorfeld (Mirgel), zuletzt in der Busmannstraße. In der Marktstraße war
das Atelier von Franz Peters ansässig. Der Kunststicker arbeitete bis
Ende 1966 und beschäftigte rund 20 Stickerinnen und Näherinnen. Das
Unternehmen von Heinrich Berthold, das Messgewänder, Fahnen oder
Altardecken für mehrere deutsche Bistümer reinigte, ausbesserte oder
herstellte, ist am Mühlenring angesiedelt.
1970 feierten die auf I.W. van den Wyenbergh zurückgehenden
Paramentenwerkstätten mit den Eigentümern Luzie Tauwel und Sohn Heinrich
Tauwel das 125-jährige Bestehen. 1985 wurde das Atelier von dem
niederländischen Paramentenunternehmer Stadelmaier (Nimwegen)
übernommen. Anschließend hieß es „Kevelaerer Fahnen und Paramente GmbH“
und war ein zunächst wirtschaftlich prosperierendes Unternehmen mit
internationalen Geschäftsbeziehungen.
Nach der Insolvenz der Kevelaerer Fahnen und Paramenten GmbH (2012)
bemühten sich Stadt und Wallfahrtsleitung um eine Nachfolgelösung. Im
September 2012 zog das Unternehmen schmitt-paramente/Polykarp Reuss ein.
Dass Paramente und Goldschmiedekunst schon in der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts das „Image“ der Stadt prägten, ist in einem Aufsatz von
Clemens Plaßmann aus dem Jahre 1940 nachzulesen. Bürgermeister
Friedrich Börgers sagte es einmal so: „Der Entwurf und die
Herstellung sakraler Textilien gehören in den für unsere Stadt
kennzeichnenden Zusammenhang von Marienwallfahrt auf der einen und der
Kunst sowie dem Kunsthandwerk auf der anderen Seite. Denn mit der
Entfaltung des Wallfahrtslebens geht von Beginn an die Entwicklung der
Kunst und des Kunsthandwerks in Kevelaer Hand in Hand.“
So wie der Goldschmied nicht nur ein kunsthandwerkliches Meisterstück
formt, wenn in seinen Händen ein Messkelch wächst, befasst sich auch die
Zunft der Kunststicker und -näher mit einem Werkstück, dessen
eigentlicher Sinn sich erst in der Liturgie entfaltet. „Das liturgische
Kleid ist immer eine Hilfe gewesen, die ganz andere Wirklichkeit, auf
die wir uns in den Gottesdiensten einlassen, über die Sinne vom äußeren
zum inneren Erleben zu bringen“, formulierte Bischof
Reinhard Lettmann
1992 in der Schrift zur Ausstellung „Textile Kostbarkeiten“.
„Das Kleid als Zeichen macht sichtbar, was im Geist und Wort geschieht“,
schrieb in der gleichen Broschüre Pfarrer
Richard Schulte Staade. „Alle, die bei der Liturgie durch eine
Aufgabe hervortreten, sollten auch durch die Kleidung zeichenhaft in die
Gesamtverkündigung hineingenommen werden. Unsichtbares soll ja erfahrbar
gemacht werden. Alles Geistige kann sich jedoch nur über die Sinne
mitteilen. Das Zeichen verleiblicht das Wort und lässt sichtbar werden,
was im Geist und Wort geschieht. Zugleich aber tritt durch die Gewandung
das allzu Persönliche zurück und gibt dem Amt und der Aufgabe den
Vortritt“.
Deshalb bekleiden sich während der Liturgie nicht nur die Priester,
sondern auch die Helfer. Dass die Gewänder nicht aussehen wie
Sackkittel, sondern selbst in schlichten Ausführungen schön und
festlich, ergibt sich aus der zentralen Bedeutung des ersten Abendmahls
und seiner Wiederholung für die Christen.
Einige Begriffe für liturgische Gewänder:
Die Albe Bis an die Füße reichendes, weißes Unterkleid.
Es wird gegürtet mit einem Cingulum.
Das Amict (Schultertuch), weiß, Leinen, ca. 80 x 60 cm,
mit dem der Priester Hals und Schultern bedeckt; an einer der
Längsseiten sind zwei Bänder befestet, die zum Festmachen des
Schultertuches dienen.
Das Cingulum Doppelt geschlungene Kordel für die Albe.
Die Dalmatik Übergewand, das der Diakon während des
Gottesdienstes trägt.
Die Kasel Symbolisiert das Kreuz Christi, Übergewand, das vom Priester
während des Gottesdienstes getragen wird.
Die Pluviale Rauch- oder Chormantel, ein langer, bis an
die Füße reichender mantelförmiger Umhang.
Die Stola Symbol des Opfers; langes, breites Band von
250 cm, gleicht in Farbe und Stoff der Kasel. Die Stola wird heute
meistens frei über dem Messgewand getragen.