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    SACHBEGRIFFE |
Esters, Helmut

Weltpolitiker aus Kevelaer und Ehrenbürger | * 1935

Foto zeigt Helmut EstersSeine kleinbürgerliche Herkunft hat er nie verleugnet. Und wer sonst nichts von seiner Vita weiß und ihn über Kaninchenzucht fachsimpeln hört, einem Hobby, dem er selbst frönt, kommt nicht von selbst darauf, daß er mit einem „Weltpolitiker“ spricht, einem Mann, der in den dörflichen Niederungen seiner Heimat verwurzelt ist und zugleich global denkt und handelt. Kein zweiter Politiker aus dem Kreis Kleve hat es je zu einer solchen Reputation in der deutschen und internationalen Politik gebracht. Gleichwohl blieb der Kevelaerer im Schatten der „Großen“.

Helmut Esters wurde als Sohn eines Postbeamten geboren. Nach dem Abitur in Geldern studierte er Geschichte und Politik und heiratete später in zweiter Ehe seine Assistentin Monika, die ihm zwei Kinder schenkte. Seine politische Karriere hatte bereits 1958 begonnen. Vor den Landtagswahlen besuchte er, neugierig und parteipolitisch noch nicht entschieden, Wahlveranstaltungen verschiedener Parteien und verschaffte sich erste Eindrücke. Die SPD verlor die Landtagswahlen, gewann aber in Kevelaer ein neues Mitglied: Helmut Esters, der zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht die Absicht hatte, selbst politisch tätig zu werden.

Im Frühjahr 1961 schickten ihn seine Kevelaerer Genossen zur Delegiertenversammlung, die den Bundestagskandidaten der SPD im Kreis Geldern aufzustellen hatte. „Ahnungslos fährt man dahin - und dann haben die keinen Kandidaten“, erzählte Esters später. Als er merkte, daß die Versammlung ihn vorschlagen wollte, nahm der junge Mann erst einmal Rücksprache mit seinen Eltern. Nach der Devise, „das kannste ruhig machen, wirst ja doch nicht gewählt“, akzeptierte der bisher jüngste Kandidat die Herausforderung.

Foto zeigt Helmut Esters mit Willy Brandt in KevelaerWährend des Wahlkampfes besuchte Willy Brandt Kevelaer, spazierte mit Esters durch die Stadt, kehrte bei Ehren in der Gelderner Straße ein und ließ sich dort ein Pils und ein Knackwürstchen servieren.

Wahlkämpfer in Kevelaer (v.l.): Klaus Schütz, Willy Brandt, Helmut Esters, Hermann Runge und (hinter Esters) > Hans Willems.

Die Wahlhilfe durch Willy Brandt änderte nichts daran, daß die SPD bei der Wahl mit 17,4 Prozent der Stimmen wie gewohnt schlecht abschnitt. Zu diesem Zeitpunkt war Esters weit davon entfernt, in den Bundestag einziehen zu können, und er engagierte sich zunächst auf lokaler Ebene.

Mühsam gestaltete sich für die Kevelaerer SPD 1964 die Suche nach Ratskandidaten für die Kommunalwahl 1964. „Wir mußten erst einmal gesellschaftsfähig werden“, erinnerte sich Esters. Vier Jahre später gründete er zusammen mit Alfred Hermens, > Heinrich van Rissenbeck, Theodor Verheyen, > Karl Wehren und > Peter Willems in der Marienstadt einen Ortsverein der > Arbeiterwohlfahrt.

Als 1969 nach der Bundestagswahl zahlreiche Bundestagsabgeordnete aus dem Parlament ausschieden und in Bonn eine große Koalition unter Kanzler Kiesinger gebildet wurde, kam die Stunde des Helmut Esters. „Plötzlich zog die Reserveliste, und ich war im Bundestag“. Sein erster Tag im Parlament war der 14. Januar 1969. Es sollten 25 Jahre werden. Esters wurde zunächst Mitglied im Haushaltsausschuß. Diese Aufgabe reizte ihn besonders, weil ihm bewußt war, daß ohne Geld keine Politik zu machen war.

Der Kevelaerer, inzwischen Berichterstatter im Haushaltsausschuß für Entwicklungshilfe, initiierte 1974 die Gründung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn bei Frankfurt, eine privatwirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaft, um deutsche Entwicklungshilfepolitik in die Tat umzusetzen. 20 Jahre lang blieb Esters im GTZ-Aufsichtsrat ehrenamtlich tätig.

1975 wurde ihm der Vorsitz der sogenannten „Kopfschlächter“ angetragen, die unter Kanzler Helmut Schmidt 4800 Stellen in Bundesministerien und Behörden streichen sollten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragte in einer Schlagzeile: „Wer köpft besser: Rummenigge oder Esters?“ Beinahe selbst „geköpft“ wurde er ein Jahr später, als der Entwicklungshilfe-Experte die Idee vortrug, Luftschiffe für Lastentransporte in Afrika einzusetzen. Dahinter steckte die Überlegung, das entscheidende Defizit in vielen afrikanischen Ländern, nämlich fehlende Straßen und keine Flugplätze, durch ein zunächst exotisch anmutendes Transportfahrzeug wettzumachen. Esters wurde wegen dieser Idee insbesondere in seinem Heimatkreis Kleve verhöhnt. Der Plan stellte sich wegen der tropischen Wetterverhältnisse als undurchführbar heraus. Gleichwohl war Esters´ Idee von 1975 weitsichtig: Seit Mitte der 90er Jahre erlebt die Luftschiffahrt eine Renaissance, und fieberhaft wird, auch in Deutschland, an der Entwicklung moderner Luftschiffe und Zeppeline gearbeitet.

Als einen Fehler erkannte Helmut Esters ein anderes Engagement aus den 70er Jahren, bei dem er zunächst davon überzeugt gewesen war, daß es der Kreis Klever Wirtschaft und damit den hier Beschäftigten dienen würde. Esters hatte sich für Zuschüsse zu einem Projekt eingesetzt, und tatsächlich sollten fast 50 Millionen Mark aus öffentlichen Töpfen in dieses Kreis Klever Vorhaben fließen. Wenige Tage vor einer entsprechenden Vertragsunterzeichnung erkannte Esters, daß er über die wahre Bedeutung des Projektes falsch unterrichtet worden war und daß es in Wirklichkeit nur wenigen Interessenten nützen würde. Der Kevelaerer Bundespolitiker wandte sich sofort an dieselben Stellen, bei denen er sich zuvor für das Projekt eingesetzt hatte, und erklärte, einen Fehler begangen zu haben. Daraufhin wurden die Zuschüsse gestrichen, und Esters hatte ein paar Freunde weniger. Neue für seine bedingungslose Ehrlichkeit konnte er nicht hinzugewinnen, denn die Öffentlichkeit erfuhr nichts davon.

Esters´ Öffentlichkeitsarbeit war zu keinem Zeitpunkt seiner Jahrzehnte langen Arbeit entwickelt. Eine PR-Maschinerie, wie sie heute von seiner Nachfolgerin und der politischen Konkurrenz auf Hochtouren gehalten wird, war dem Kevelaerer Abgeordneten fremd und zuwider. Gleichwohl schätzte Esters Hintergrundgespräche mit unabhängigen Journalisten, und aus dieser Erfahrung heraus unterstützte er 1981 den Plan, die monopolitisch strukturierte Medienlandschaft des Altkreises Geldern zu verändern.

Foto zeigt Helmut Esters und seinen Mitarbeiter Franz Crom sowie Martin WillingNach einem gescheiterten, kurzen Versuch der Neuen Ruhr-Zeitung aus den 1960er Jahren, im Altkreis Geldern eine zweite Tageszeitung herauszubringen, sprach Helmut Esters Anfang des Jahres 1981 zusammen bei dem Verleger der Neuen Ruhr-Zeitung in Essen, Oppenberg, vor.

Helmut Esters und sein Mitarbeiter Franz Crom (r.) zu Besuch in der KB-Redaktion, hier mit Martin Willing.

In Esters' Begleitung befanden sich der Gelderner Kommunalpolitiker Jörg Grahl und der Kevelaerer Journalist Martin Willing. Grahl und Willing boten eine komplette Infrastruktur (Personal) für eine Lokalredaktion im Altkreis Geldern an, und zwar auf eigenes wirtschaftliches Risiko, wenn die Neue Ruhr-Zeitung zu dem Lokalteil gegen entsprechende Vergütung den Hauptteil (Mantel) liefern würde.

Oppenberg zeigte sich zunächst interessiert. Die Konstruktion, nämlich eigenständiger Lokalteil mit zugekauftem Hauptteil, hatte in Deutschland viele Vorbilder. Es blieb bei der Monopolstellung der Rheinischen Post, weil die Gebietsverteilung unter den Großverlagen durch „ungeschriebene Gesetze“ geregelt war, wodurch sich die Verlage vor einem kostenintensiven „Zeitungskrieg“ geschützt hatten. Damals galt: Kein Tageszeitungsverlag würde seinen Mantel an einen neuen Konkurrenten der Rheinischen Post im Raum Geldern verkaufen.

Deshalb kam es in Kevelaer zu einer „kleinen Lösung“: Willing und Grahl - der Gelderner schied bald darauf aus dem Verlag aus - übernahmen den damaligen Köster-Verlag, in dem das 1879 gegründete Kävels Bläche, das heutige Kevelaerer Blatt, erschien.

Foto zeigt Helmut Esters mit Dr. Barbara HendricksHelmut Esters sollte SPD-Unterbezirksvorsitzender im Kreis Kleve werden und trat deswegen 1981 als Chef der Kevelaerer SPD-Fraktion zurück. Der Winnekendonker Winfried Janssen wurde im März sein Nachfolger in diesem Amt. Ende März legte Esters auch sein Stadtratsmandat nieder und wurde Anfang April zum neuen UB-Vorsitzenden gewählt. Sein Vorgänger > Werner Linkner fiel als Kandidat für einen der beiden Stellvertreter durch.

Helmut Esters bei seiner Ehrung durch die Partei - hier mit seiner Nachfolgerin im Bundestag und Unterbezirksvorsitz, > Dr. Barbara Hendricks.

Im Herbst 1982 wurde Esters, bisher Obmann der SPD-Bundestagsfraktion für Haushaltsfragen, zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewählt. Zwei Jahre später überreichte ihm Bundestagspräsident Dr. Rainer Barzel das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

Zunehmend engagierte sich der Kevelaerer - inzwischen auch Mitglied im Bonner Ältestenrat und Revisor im Deutschen Bundestag - Mitte der 80er Jahre hinter den öffentlichen Kulissen in Asien, um Aufträge zum Beispiel aus China für deutsche Unternehmen vorzubereiten. Aus dieser Zeit rühren die vorzüglichen Verbindungen Esters´ zu China und anderen asiatischen Ländern, die den Kevelaerer noch immer beschäftigen, denn seine Beratung für Fremde ist nach wie vor gefragt und überaus erfolgreich sowohl für diese Länder, als auch für die deutsche Wirtschaft. Seine örtlichen Weggefährten hingegen kamen kaum auf die Idee, seinen Fundus anzuzapfen.

Vor Ort, in seinem heimatlichen Wahlkreis Kleve, zehrten derweil nervige Auseinandersetzungen mit Freizeitpolitikern an den Kräften des Abgeordneten. Zunehmend wurde Kritik laut, man wünsche sich einen Kreisparteichef und einen Wahlkreisabgeordneten, der in den Ortsvereinen mehr Präsenz zeige. 1988 legten Helmut Esters und etwa die Hälfte der Mitglieder im UB-Vorstand ihre Ämter nieder. Für Esters wurde Dr. Barbara Hendricks als Kreisvorsitzende gewählt (1989). Die Dramaturgie des Führungswechsels geriet so provinziell, daß Esters keine Lust verspürte, sich offiziell und feierlich von seiner Partei verabschieden zu lassen.

Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1989 überreichte die Präsidentin des Bundestages, Dr. Rita Süssmuth, Helmut Esters das Große Verdienstkreuz. Süssmuth würdigte die Arbeit, die Esters in den Leitungsgremien des Deutschen Bundestages, im Ältestenrat und als Berichterstatter für den Haushalt des Parlaments geleistet hatte. Die Auszeichnung sei außerdem für den Einsatz verliehen worden, den der Kevelaerer im Haushaltsausschuß des Bundestages für die Entwicklungshilfe gezeigt habe, sagte die Bundestagspräsidentin. Das Große Bundesverdienstkreuz sei Dank für sein verantwortungsvolles und praxisbezogenes Handeln.

Als 1992, nach dem Tod Willy Brandts, Helmut Esters dienstältestes Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion wurde, signalisierte er das „Ende einer langen Dienstzeit“. Am 11. Oktober 1994 regte KB-Herausgeber Martin Willing in einem Brief an den Bürgermeister der Stadt Kevelaer, > Dr. Friedrich Börgers, an, den bundesweit bedeutsamen Politiker zu ehren; dem Stadtrat stünden dafür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Ein Vierteljahr später fragte Willing nach und erfuhr, daß den Fraktionen die Anregung zur Kenntnis gebracht worden, aber von der SPD („sie ist am Zuge“) „nichts gekommen“ sei.

Am 16. Oktober schied Helmut Esters nach 25 Jahren aus dem Deutschen Bundestag aus. Im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ erschien zum Abschied ein großer Beitrag über den Kevelaerer. Die Schlagzeile lautete: „Was wird aus Deutschland ohne diesen Mann?„ Zu seiner Nachfolgerin im Wahlkreis Kleve wurde Dr. Barbara Hendricks gewählt.

1997 antwortete Helmut Esters in einem Hintergrundgespräch mit KB-Herausgeberin > Delia Evers auf die Frage, ob er nie darunter gelitten habe, daß andere die Lorbeeren für seine Arbeit im Hintergrund eingestrichen hätten: „Es gibt zwei Möglichkeiten. Die Erste: Ich muß [über meine Schritte und Erfolge] schweigen und anderen den Vortritt lassen - oder ich muß plappern. Doch dann kriegt man schwer was umgesetzt“. Und: „Das Erste reichte mir. Es wußten genug Leute, die mir wichtig waren, was ich geleistet hatte“.

Foto zeigt Helmut E:sters mit seiner Frau Monika und Kevelaers Bürgermeister Dr. Axel Stibi1998 gab es dann doch noch eine „Ehrung“ für Helmut Esters durch seinen SPD-Ortsverein Kevelaer, auf die jeder mit entsprechend langer Zugehörigkeit Anspruch hat: Er wurde für 40-jährige Parteimitgliedschaft ausgezeichnet.

Helmut Esters mit seiner Frau Monika und Kevelaers Bürgermeister Dr. Axel Stibi.

Nachdem die Stadt Kevelaer weitere Jahre gezögert hatte, Helmut Esters eine besondere Ehrung auszusprechen, geschah 2009 das Unerwartete: Der frühere Bundestagsabgeordnete wurde am 8. Mai 2009 zum Ehrenbürger der Stadt Kevelaer ernannt.
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Helmut Esters Textstellen in der Kevelaerer Enzyklopädie:

| Arbeiterwohlfahrt | Hans Broeckmann | Delia Evers | Luxemburger Galerie | Günther Gruyters | Werner Helmus | Dr. Klaus Hölzle Heinrich van Rissenbeck | Joseph Schlusen | Geschichte der SPD (2) | Geschichte der SPD (3)Geschichte der SPD (4) | Karl Wehren |

Quellenhinweis: Kevelaerer Persönlichkeiten 1

© Martin Willing 2012, 2013