|
|
|
Entwicklung der Kevelaerer SPD von 1973 bis 1999 (Teil 3)
Im
Vorstand des Kevelaerer SPD-Ortsvereins tauchten 1973 zwei Leute auf,
die heute mit einer anderen Partei in Verbindung gebracht werden: Als
Bildungsobmänner wirkten Dr. Edmund Bercker und
Peter Hohl mit - zwei Politiker,
die in der Folgezeit in der CDU ihren Weg machten. Vorsitzender war 1973
Helmut Esters. Im Vorstand mit
dabei: Juso-Vorsitzender Winfried Janssen.
Esters' Stellvertreter
Hein Friesen wurde im Jahr
darauf Vorsitzender des SPD-Ortsverein, und Winfried Janssen stieg zum
Vize-Parteichef auf. Zur Führungsmannschaft gehörten 1974 außerdem Karl
Laarmanns,
Heinrich van Rissenbeck,
Heinz Lamers, Änne Lieber und
Karl Wehren.
Helmut
Esters (Bild) konzentrierte sich - neben seiner Arbeit im Bundestag -
auf den Fraktionsvorsitz im Kevelaerer Stadtrat. 1975 begann die bis
1984 dauernde Zwei-Parteien-Zeit in der Kevelaerer Politik, die
hauptsächlich von den beiden Fraktionsführern Helmut Esters (SPD) und
Hans Broeckmann (CDU)
gestaltet wurde. Dass Esters und Broeckmann miteinander befreundet
waren, erleichterte die Arbeit in dieser heimlichen "Großen Koalition".
Derweil hielt SPD-Parteichef Hein Friesen in den ersten Jahren seinem
Fraktionsvorsitzenden Esters den Rücken frei. Was sich im Ortsverein
tat, wusste Esters sowieso: Seine Frau Monika gehörte dem Vorstand als
Kassiererin und ab 1978 als Schriftführerin an.
Das Jahr 1981 brachte für die Kevelaerer SPD einen grundlegenden Wandel,
der allerdings erst im weiten zeitlichen Abstand als ein solcher erkannt
werden sollte. Karl Wehren hatte 1980 die Führung des Ortsvereins
übernommen; nun wechselte auch der Vorsitz der SPD-Stadtratsfraktion:
Winfried Janssen folgte Helmut Esters, der als Unterbezirksvorsitzender
in die Kreispolitik "emigrierte". Janssen, damals Konrektor der
Edith-Stein-Hauptschule, war intensives, systematisches Arbeiten gewöhnt
und investierte in die Fraktionführung seine ganze Erfahrung und
Freizeit. Die SPD begann sich, stärker als Oppositionspartei
darzustellen.
Nach
der für die SPD verlorenen Bundestagswahl 1983, für die Winfried Janssen
als Wahlkampfleiter mit ganzem Einsatz gearbeitet hatte, waren kritische
Stimmen zu hören. Esters beklagte, dass in Kevelaer Arbeitslose und
Facharbeiter zur CDU gewechselt seien, weil sie der SPD keine
wirtschaftspolitische Kompetenz zugeordnet hätten. Wolfgang Funke
bemängelte den "zu akademischen Wahlkampf". Die Themen müssten einfacher
und plakativer dargestellt werden und die SPD müsste sich als "linke
Volkspartei" definieren.
Karl Wehren, Hein Friesen (r.).
Der SPD, so
wurde befürchtet, sei der "Stallgeruch" abhanden gekommen. Dafür hatte
auch Parteichef Karl Wehren ein Gespür. Er ärgerte sich so sehr über
Diätenerhöhung und Parteienfinanzierungsgesetz, dass er den Vorsitz
niederlegte und aus der Partei austrat. In dieser Krisensituation
übernahm - nach Jürgen Schofenberg, der für die ersten Monate
eingesprungen war - Wolfgang Funke den Parteivorsitz (1984). Funke
konnte sich auf die Mitarbeiter Paul Kammann, Josef Langenberg, Karl
Heinz Pacco, Heinz Strötges, Udo Haese, Ingrid Schommer und Heinz
Kessels stützen. Als Obmann für Öffentlichkeitsarbeit war Fraktionschef
Winfried Janssen in die Parteiführung eingebunden.
Was
bereits 1984 als wichtiges Ereignis verstanden wurde, war die
Reaktivierung des früheren Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion
Dr. Klaus Hölzle (Bild), der
sich auf den bescheidenen Platz 6 der Reserveliste für die nächste
Kommunalwahl setzen ließ - nach der noch relativ unbekannten
Kervenheimerin
Marianne Janssen. Auch der
zweite Neuzugang sorgte für Aufsehen:
Werner Helmus, Architekt und
Investor, hatte sich ebenfalls für die Bewerbung um eine Ratsmandat
gewinnen lassen.
Der von Winfried Janssen geprägte Wahlkampf ("Soziales Gewissen in
unserer Stadt") betonte, dass die SPD-Fraktion die "selbstgefällige CDU"
in Schwierigkeiten gebracht habe, so beispielsweise bei dem Kernthema
jener Zeit, dem
"B&B-Center" (Warenhaus). Im
neuen Stadtrat konnte die SPD allerdings nur noch zehn Plätze (statt
zwölf) besetzen, was in erster Linie den beiden neuen
Oppositionsfraktionen Grüne (3 Sitze) und FDP (2 Sitze) geschuldet war.
Trotzdem war die 1984er-Wahl ein Riesenerfolg für die SPD: Kervenheim
war von der SPD gewonnen worden, und dort würde mit Marianne Janssen zum
ersten Mal eine Sozialdemokratin das Ortsvorsteheramt übernehmen können.
In die Freude über den Erfolg mischte sich auch Kritik: Die SPD sei
einen "weichen, zuweilen schlingernden Kurs gefahren", schrieb damals
Martin Willing im KB. "Der Wettstreit läuft auf die spannende Frage
hinaus, wer in Kevelaer eigentlich die Opposition ist."
Im Ratssaal (v.l.): Hans
Broeckmann, Heinz Lamers, Winfried Janssen, Dr. Klaus Hölzle und Martin
Willing.
SPD-Parteichef Wolfgang Funke funkte buchstäblich dazwischen: Als im
Spätherbst 1984 die Fraktion dem geplanten Erweiterungsbau des Rathauses
"mit Bauchschmerzen" zugestimmt hatte, setzte Funke für die Partei ein
klares "so nicht" dagegen.
Die parteiinterne Kritik an der Fraktion nahm in den folgenden zwei
Jahren zu. Inzwischen war Fraktionschef Winfried Janssen mit Klaus
Hölzle ein ernsthafter Konkurrent zugewachsen. Es kam zu einem
Zerwürfnis, nachdem Janssen ultimativ aufgefordert worden war, zugunsten
von Werner Helmus auf seinen Sitz im Verwaltungsrat der Sparkasse zu
verzichten. Janssen trat im Oktober 1986 zurück, aber nicht vom
Sparkassenmandat, sondern als Vorsitzender der SPD-Fraktion.
Heinz Lamers übernahm kommissarisch die Fraktionsführung. Und im
November trat Klaus Hölzle Janssens Erbe an: "Das war wie bei Jerusalem
- ein Stuhl wird frei, und irgendwer muß sich draufsetzen". Hölzle war
einstimmig zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Heinz Lamers: "Wir
werden die Arbeit, die Winfried Janssen bisher allein getragen hat, auf
mehrere Schultern verteilen". Bemerkenswertes Bild am Rande: Winfried
Janssen nahm nun im Ratssaal in der letzten Bank Platz, wo Klaus Hölzle
bisher gesessen hatte. Sein Tischnachbar war - Werner Helmus.
Im Vorfeld der Kommunalwahl 1989 - Funke führte immer noch die Partei -
kam Kritik an Winfried Janssens geplantem Doppelmandat (Stadtrat und Kreistag)
auf. Esters setzte sich dafür ein, dass Janssen "zweigleisig" fahren
solle. Nur so habe die SPD eine Chance, einen Kevelaerer in den
Bezirksplanungsrat entsenden zu können. Mit Mehrheit stimmten die
Genossen zu.
Vorbereitung der Kommunalwahl 1989: Engagierte SPD-Mitglieder.
Es war die Zeit der höchsten Anerkennung der SPD in der Kevelaerer
Bürgerschaft. Zum ersten Mal hatten die Sozialdemokraten bei einer
Kommunalwahl mehr als 30 Prozent der Stimmen bekommen (1989) - ein
Erfolg, der durch den Einsatz vieler Parteimitglieder erreicht worden
war, besonders aber durch die jahrelange Vorarbeit von Helmut Esters,
Wolfgang Funke und Winfried Janssen.
Funke musste 1991 aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten und gab den
Parteivorsitz auf. Für ihn wurde Ditmar Friedrich in das Amt gewählt.
Winfried Janssen übernahm den zweiten Vorsitz. Zum Vorstand gehörten
ferner Josef Zeller, Lydia Rommen, Heinz Daniels, Norbert Killewald,
Peter Brünken, Jörg Vopersal,
Rudi Werner und Josef Reuter.
Vom Wahlerfolg beflügelt, mit einem neuen Parteivorstand gut aufgestellt
und mit einer lebendigen Ratsfraktion ausgestattet - so ging die
Kevelaerer SPD in das Jahr 1992, in dem die "Sparkassen-Affäre
Fürstenwalde" Partei und Fraktion erschütterte. Fraktionsmitglied Heinz
Lamers kritisierte in öffentlicher Ratssitzung, dass Ratsmitglieder zu
einer "kostspieligen Vergnügungsreise" nach Fürstenwalde östlich von
Berlin aufbrechen wollten. Die wegen der Kritik dann abgesagte
Dienstreise von politischen Mitgliedern der Sparkassenorganisation
führte zum Bruch. Hölzle und Janssen, beide Mitglieder im
Sparkassenverwaltungsrat und potenzielle Mitreisende, stellten vor der
Fraktion ihre Ämter (Hölzle als Fraktionsvorsitzender, Janssen als sein
Stellvertreter) zur Disposition. Vorwürfe musste sich Lamers anhören,
weil er seine kritischen Fragen im Stadtrat und nicht in der Fraktion
gestellt habe. Während Hölzle und Janssen die Krise gut überstanden, sah
sich Kritiker Lamers genötigt, Fraktion und Partei zu verlassen (er
schloss sich später der KBV an).
In
den folgenden zwei Jahren bis zur Kommunalwahl 1994 erschienen Klaus
Hölzle und der wiedererstarkte Winfried Janssen in der Öffentlichkeit
beinahe wie ein "Dream-Team".
Wolfgang Funke, Bürgermeister Dr. Friedrich Börgers, Winfried Janssen (v.l.).
Hölzle
verschaffte der SPD im Ratssaal Gehör, Janssen wirkte als graue Eminenz
in die Partei hinein. Marianne Janssen aus Kervenheim, bisher
Bürgermeisterkandidatin der SPD, wollte sich nur noch auf Kervenheim
konzentrieren und zwang der Partei die Entscheidung auf, mit welchen
Bürgermeisterkandidaten die SPD in den Wahlkampf ziehen wolle.
Die Chancen für einen Wechsel an der Ratshausspitze standen 1994 so gut
wie noch nie. Die SPD musste allerdings einen Kandidaten küren, der
bereit sein würde, fünf Jahre später auch für das Amt des dann
hauptamtlichen Bürgermeisters zur Verfügung zu stehen. Dafür kam nur
einer in Frage: Winfried Janssen. Mit 40 Ja-Stimmen bei drei
Nein-Stimmen und einer Enthaltung setzte ihn der SPD-Ortsverein im
Frühjahr 1994 auf Platz 1 der Reserveliste. Um ihn zusätzlich zu
stützen, wurde Janssen auch zum Vorsitzenden der Partei gewählt. Ihm zur
Seite standen Norbert Killewald, Lydia Rommen, Rudi Werner
Heinz Daniels, Jörg Vopersal,
Peter Brünken, Elisabeth Heeser, Rudi Werner und Wilfried Niemeyer.
Killewald, so wurde verabredet, sollte nach der Landtagswahl 1995 den
Parteivorsitz von Janssen übernehmen.
Bei der Stadtratswahl blieb die SPD hinter den Erwartungen zurück. Sie
kam "nur" auf 29,1 Prozent der Stimmen, was hauptsächlich auf die neu
aufgetretene Partei KBV (13,7 Prozent) zurückzuführen war. Die KBV hatte
der SPD den "Griff zur Krone" vereitelt. Nervösität wurde zum
Dauerzustand hinter den Kulissen der Sozialdemokraten. Die kritische
Berichterstattung des KB passte dem Vorstand nicht, der beschloss, die
Kevelaerer Heimatzeitung vom Informationsfluss abzuschneiden und zu
keiner Veranstaltung mehr einzuladen. Ein Fraktionsmitglied wandte sich
hilfesuchend an den KB-Redakteur Martin Willing: Die Fraktion werde von
einem überheblichen Vorsitzenden geleitet, der Mitglieder regelrecht
vorführe. Er trage sich mit dem Gedanken, das Mandat niederzulegen. Der
Journalist gab den Rat, es sei besser, in den Gremien mitzuarbeiten und
etwas zu bewegen, als von außen nur zuzusehen.
Die fraktionsinternen Kämpfe schwelten weiter, bis es 1997 beinahe zu
einem Eklat kam: Drei Fraktionsmitglieder planten einen "Putsch" gegen
Fraktionschef Dr. Klaus Hölzle. Sie wollten die Wiederwahl von Hölzle
verhindern. Den zehn stimmberechtigten Mitgliedern sollte ein
Gegenkandidat vorgeschlagen werden, nämlich Dr. Horst Grobe, und im
Geheimen sollten Grobe-Wähler in Stellung gebracht werden. Wolfgang
Funke, der nur einen offenen Schlagabtausch und keine Geheimaktivitäten
duldete, informierte Hölzle und seinen Geschäftsführer Winfried Janssen
über den geplanten "Putsch". In der entscheidenden Fraktionssitzung
sprach Janssen den Plan direkt an und forderte zu einer offenen
Aussprache aus.
Die kam, und zwar heftig. Hölzle, um den es in erster Linie ging, hatte
mit ungewohnt ruhigen, sachlichen Wortbeiträgen einen starken Auftritt.
Janssen erhöhte den Druck auf die "Putschisten", indem er versicherte,
Hölzle und er seien nur im Doppelpack zu haben. Und nachdem einer der
Kritiker zwar Vorwürfe gegen den amtierenden Fraktionschef vorgebracht,
gleichzeitig aber betont hatte, zu Hölzle gebe es keine Alternative,
waren die Chancen für einen Wechsel weggeschmolzen. In der
Kampfabstimmung unterlag Grobe mit 4:5 dem Amtsinhaber Hölzle. Funke
hatte sich der Stimme enthalten.
Der knappe Sieg von Klaus Hölzle stand, wie sich zeigen sollte, am
Anfang seines Ausstiegs aus der Politik. Nach der Kommunalwahl 1999
überließ er seinem Vorgänger Winfried Janssen den Fraktionsvorsitz,
wartete seinen 60. Geburtstag ab und legte im Frühjahr 2001 sein
Ratsmandat nieder.
Die Fraktion nahm eine Runderneuerung vor und stellte Sigrid Ehrentraut,
Ortsvorsteherin in Kervenheim, an die Spitze.
Teil 1: SPD von der
Gründung bis 1945
Teil 2: SPD von 1945 bis
zum "Willy-Jahr" 1972
Teil 3: SPD von 1973 bis 1999
Teil 4: SPD von 2000 bis 2013