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Janssen, Marianne
Erste stellvertretende Bürgermeisterin in Kevelaer | * 1939

Foto zeigt Marianne Janssen
Sie ist die erste Frau, die in der Stadt Kevelaer hohe politische Ämter wie Ortsvorsteher und Vizebürgermeister bekleidet hat. Und sie ist, derweil sie sich in Kervenheim eines fröhlichen Lebens erfreut, bereits eine geschichtlich bedeutsame Persönlichkeit, die der SPD vor Ort Gesicht, Respekt und Anerkennung verschafft hat.

Die Frau, die sich energisch und erfolgreich für ihr Heimatdorf Kervenheim eingesetzt hat, ist von Hause aus - Kevelaererin. Zwar wird sie als Marianne Grüntjens in Kleve geboren, aber ihre Eltern stammen aus der Marienstadt, wo Mariannes Urgroßvater ein Baugeschäft unterhalten hat. 1949 kehrt die Familie Grüntjens mit Marianne nach Kevelaer zurück, wo sie ihre Jugend verbringt. Ihre ersten engen Beziehungen zu Kervenheim werden 1960 geknüpft, als sie nach Ausbildung zur Erzieherin den dortigen Kindergarten unter ihre Fittiche nimmt. Aus jener Zeit - mit Unterbrechung insgesamt zehn Jahre - rührt ihre Liebe zu den Kervenheimern. Sie wird 1964 in der Pfarrkirche Kervenheim mit Johannes Janssen getraut. Drei Kinder bringt sie zur Welt, baut mit Johannes am Mühlenweg ein Haus und ist fortan Kervenheimerin aus Überzeugung. 1971 übernimmt sie erneut die Leitung des Kindergartens und begibt sich 1975 in die aktive Kommunalpolitik, als der St.-Norbert-Schule in Kervenheim das Aus droht. Bis 1984 wirkt sie als sachkundige Bürgerin im Schulausschuss mit. Mit ihrer Ratskandidatur 1984 beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

Foto zeigt Marianne Janssen und RatskollegenMarianne Janssen (1985) mit den Kommunalpolitikern (v.l.) Hannes Selders, Marianne Metsch, Günter Gruyters, Werner Helmus sen. und Udo Haese.

Bei Girmes in Kevelaer überwindet sie ihre Bedenken und tritt auf Platz 5 der SPD-Reserveliste an. Marianne Janssen zieht in den Stadtrat ein und wird sogar zur ersten stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt.  

Dass die Kervenheimerin, auch für die eigenen Genossen überraschend, inzwischen zu den wichtigsten politischen Stimmen in Kevelaer zählt, wird von der CDU als „Gefahr“ für die erfolgverwöhnte Mehrheitspartei eingeschätzt. In ihrer Parteischrift Kevelaerer Überblick versucht die CDU im Mai 1988, den Aufstieg der Marianne Janssen zu bremsen, indem sie sie als „Mauerblümchen“ hinstellt. Solche Schüsse gehen nach hinten los. Marianne Janssen wiederholt bei der Kommunalwahl 1989 nicht nur ihren 1984er-Erfolg, sondern hängt ihren unmittelbaren Konkurrenten Alfons Horlemann meilenweit ab. Als erste sozialdemokratische Ortsvorsteherin im Stadtgebiet tritt sie die Nachfolge von Josef Schäfer, Theo Kothes und Alfons Horlemann an und wird auch als erste stellvertretende Bürgermeisterin wiedergewählt.

Foto zeigt Marianne Janssen mit Bürgermeister Dingermann und Stadtdirektor PaalMarianne Janssen als Vizebürgermeisterin (1987) mit Bürgermeister Karl Dingermann und Stadtdirektor Heinz Paal.

Marianne Janssen mit Sabine FöhlesIn ganz Kevelaer ist sie eine hoch angesehene Persönlichkeit, aber um praktische Ergebnisse für ihr Heimatdorf muss sie kämpfen und bitten „wie eine Bettlerin“, wie sie 1991 laut schimpft. Selbst ihre eigenen Genossen fallen ihr zuweilen in den Rücken.

Marianne Janssen (1990) bei der Verleihung der KB-Torjägerpokale, rechts: Sabine Föhles.

Als 1994 die Kommunalwahl naht, ist Marianne Janssen, genervt vom Gerangel in den Gremien, drauf und dran, ihre politische Arbeit aufzugeben. Das Kevelaerer Blatt analysiert damals: „Mehr noch als von der Konkurrenz wird im SPD-Ortsverein das Wirken der Kervenheimer Ortsvorsteherin Marianne Janssen beobachtet, deren integrative Kraft die Leute im Dorf eint und Parteifarben zur Nebensache macht. Das gab es so in der Kevelaerer SPD noch nicht, die immer eine Stadtpartei war. Zum ersten Mal funktioniert das Ortsteilprinzip, Monopol der CDU über Jahrzehnte, auch unter einer Sozialdemokratin. Die Wirkung aufs Innenleben der SPD ist enorm: Die SPD als gestaltende Kraft in Kevelaer hat hier auf offener Bühne Premiere, ein Rollenwechsel, mit dem die stadtbezogenen Sozialdemokraten erst fertig werden mussten.“

Kein Zweifel, von Amtsinhabern ihrer eigenen Partei wird Marianne Janssen als Konkurrenz empfunden, die um ihre Vormachtstellung fürchten müssen, sollte diese Frau „zu den Sternen greifen“ wollen. Und auf eine andere Gefahr macht ein KB-Artikel vom Januar 1994 aufmerksam: „Keine Frau vor ihr hat sich so erfolgreich in der Männerarena - manchmal gegen ihre eigenen Genossen - durchgesetzt und kraft ihrer Leistungen die Anerkennung der Bürger in Kervenheim und darüber hinaus erworben. Ratsfrau, Ortsvorsteherin und erste Ansprechpartnerin für alle Leute zu sein, egal was sie politisch wählen - das ist leider ein Fulltimejob. (...) Traurig ist, dass ihr bisheriges Vorbild für andere Frauen nun zum abschreckenden Beispiel werden könnte, so als könnten Frauen diese Belastung eines Mandats kaum durchhalten.“

Marianne Janssen mit Klaus Sadowski und Karl-Heinz KandolfEinen Monat danach lässt sich Marianne Janssen, die viel Zuspruch erfährt, umstimmen.

Marianne Janssen (1992) mit Klaus Sadowski (†) und Karl-Heinz Kandolf (r.).

Sie tritt bei der Kommunalwahl 1994 noch einmal an und gewinnt ihren Wahlkreis mit grandiosen 58,9 Prozent der Stimmen, beschränkt sich nun aber auf das Amt der Ortsvorsteherin und verzichtet auf das bis dahin wahrgenommene Amt der ersten stellvertretenden Bürgermeisterin.
Marianne Janssen 1994
Marianne Janssen trat 1994 noch einmal an (v.l.): Winfried Janssen, Marianne Janssen und Helmut Esters.

Was sich nicht ändert, ist das Klima in der Fraktion. Weil sich das nicht bessert, entschließt sich die gesundheitlich angeschlagene Kervenheimerin, ihr Ratsmandat aufzugeben.

Seit Jahren lastet auf ihr die Enttäuschung, dass ihrer Einschätzung nach Kervenheim 30 Jahre nach der Kommunalen Neuordnung immer noch eher als Fremdkörper in der neuen Stadt Kevelaer angesehen und behandelt wird.
Marianne Janssen und Sigrid Ehrentraut
Marianne Janssen und ihre Nachfolgerin im Amt der Ortsvorsteherin von Kervenheim, Sigrid Ehrentraut (Aufnahme von 1998).

Es fällt ihr leicht, 1998 ihre designierte Nachfolgerin als Ortsvorsteherin vorzustellen, zumal sie Sigrid Ehrentraut seit deren Kindertagen kennt. Als sie 1999 aus dem Rat ausscheidet, atmet sie auf und wendet sich verstärkt sozialen Aufgaben zu. Zugleich zieht sie die Konsequenz aus der Entfremdung zu einflussreichen Leuten ihrer Partei:

Marianne Janssen mit dem Awo-VorstandSie verlässt die SPD, fühlt sich aber im Herzen der sozialdemokratischen Idee weiterhin verbunden.

Marianne Janssen mit dem Awo-Vorstand.

So wundert es niemanden, dass Marianne Janssen schon bald an der Seite von Kampfgefährten aus der Parteiarbeit wie Wolfgang Funke, Jörg Vopersal und Brigitte Middeldorf bei der Arbeiterwohlfahrt mit großem Einsatz hilft. Seit 2007 ist sie Vorsitzende der Awo. Es ist eine ebenso lohnenswerte wie wichtige Aufgabe, der sie sich heute widmet. Hier erreicht die Sozialpolitikerin Marianne Janssen sozial Benachteiligte und Bedürftige, junge und alte Menschen im direkten Kontakt.

Heute ist stadtbekannt, was die Partei an Marianne Janssen gehabt hat.

Kervenheim wurde von der CDU zurückerobert (mit dem Ex-CDU-Mann Ernst Umbach stellt allerdings die abgespaltene UWU den Ortsvorsteher).

Den Posten der Vizebürgermeisterin verlor die SPD ebenfalls. Den besetzte - mit Andrea Wynhoff - die KBV.