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SPD - Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Von der Nachkriegszeit bis zum "Willy-Jahr" 1972 (Teil 2)

150 Jahre SPDDer 15. September 1946 war der Tag der ersten freien Kommunalwahlen nach der Befreiung vom NS-Regime. Auch in Kevelaer traten Sozialdemokraten wieder an, nachdem die von den Nazis verbotene Partei wiedergegründet worden war. Ihre Hauptgegner waren die Kandidaten einer neuen Partei - der Christlichen Demokratischen Union. Unter den Zeitungen in der britischen Besatzungszone war es das im März 1946 erstmals erschienene "Rhein-Echo", das die sozialdemokratischen Richtungen unterstützte.

Im Kreis Geldern holte die CDU bei dieser ersten freien Wahl 76,8 der Stimmen, während die SPD 12,1 Prozent erreichte. Sieben SPD-Kandidaten durften in die Gemeindevertretungen einziehen, davon zwei in Kevelaer: Wilhelm Fegers und Anton Lemmen.

Bei der Kreistagswahl einen Monat später, bei dem das von der Militärregierung nach britischem Vorbild eingeführte Mehrheitswahlrecht zog, erlebte die SPD eine böse Überraschung: Obwohl sie auf Kreisebene 17,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt hatte, wurden ihr nur zwei der 39 Kreistagssitze zugestanden, während die CDU 37 Sitze beanspruchte. Das "britische Wahlrecht" wurde als ungerecht kritisiert.

Nachdem das Wahlrecht modifiziert und die Bürger für Oktober 1948 erneut zu Kommunalwahlen an die Urnen gerufen worden waren, war es die CDU, die unangenehm überrascht wurde: Sie verlor im Kreis Geldern ihre absolute Mehrheit - hauptsächlich wegen der neugründeten Zentrumspartei, der erstarkenden SPD und der KPD, die beachtlich viele Stimmen bekam.

Lokal sah das politische Stimmungsbild dieser Wahl allerdings so aus: In Winnekendonk 100 % CDU, in Kervenheim 100 % CDU, in Kervendonk 100 % CDU, in Wetten 100 % CDU, aber in Twisteden 68,1 % CDU, 31,9 % Unabhängige.

Und in Kevelaer? 53,5 % CDU, 23,3 % Zentrum, 16,1 % SPD und 7 % FDP.

Hans WillemsAn Sozialdemokraten im Stadtrat Kevelaer mussten sich die CDU- und Zentrum-Anhänger nun wieder gewöhnen. Zu einem der bekanntesten Genossen gehörte damals Hans Willems, der in den Jahren 1957 bis 1964 die SPD-Ratsfraktion führte.

Hans Willems.

Mit dem Eintritt des Geschichtsstudenten Helmut Esters in die Politik begann 1958 der zähe Kampf der Sozialdemokraten, endlich in der Kevelaerer Gesellschaft geduldet, wenn auch noch nicht geachtet zu werden. Esters, der sich vor 1958 keiner Partei zugeordnet hatte, hatte sich für seine Mitarbeit in der SPD entschieden. "Besonders beeindruckt hat mich", sagte er einmal in einem Gespräch mit Sabine Föhles, "dass die Sozialdemokraten 1933 als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers gestimmt haben". Für den Neustart in Kevelaer kam wie gerufen, dass im November 1959 die SPD in Bad Godesberg ihr neues Grundsatzprogramm verabschiedete und sich fortan als Volkspartei definierte.

Trotzdem scheuten nicht wenige SPD-Sympathisanten in Kevelaer davor zurück, sich in aller Öffentlichkeit zu den Sozialdemokraten zu bekennen. Selbst 1964 gelang es Esters und seinen Genossen kaum, ausreichend viele Kandidaten für die anstehende Kommunalwahl auf die Beine zu stellen. Esters führte damals die "Tresen-Politik" ein: Genossen wagten sich in die einschlägigen Lokale und politisierten zurückhaltend in gemütlicher Atmosphäre mit anderen Gästen. "Wir mussten", sagte Esters später, "hier erst einmal gesellschaftsfähig werden." Ausgeguckte Ratskandidaten wurden so feinfühlig bearbeitet, dass sie nicht merkten, wie verloren der Posten war, auf dem sie bei der Wahl standen.

Eines dieser "64er-Opfer" war der junge Anwalt Klaus Hölzle, dem nichts ferner gelegen hatte, als ein Kreistagsmandant zu übernehmen. Hölzle hatte sich von Esters breitschlagen lassen, nachdem Esters die Ungefährlichkeit der Hölzle-Kandidatur in den schönsten Farben geschildert hatte. Es kam ganz anders: Klaus Hölzle zog in den Kreistag ein, gewann Spaß an der Sache und wurde bald Fraktionschef der SPD.

Der Kevelaerer Ortsverein hatte nicht nur mit fehlender Akzeptanz in der Bürgerschaft zu kämpfen, sondern auch mit internen Querelen. 1964 trat der langjährige Fraktionschef im Stadtrat, Hans Willems, aus der Partei aus, weil sein Ortsverein Heinz Daniels als Kandidaten aufgestellt hatte, mit dem sich Willems überworfen hatte und nicht zusammenarbeiten wollte.

1965 verlor der SPD-Ortsverein seinen Ehrenvorsitzenden Wilhelm Fegers (79). 50 Jahre hatte er der SPD angehört und war 1933 wochenlang von den Nazis wegen "führender Betätigung im marxistischen Sinne" inhaftiert worden. Er hinterließ seine Frau Petronella und Tochter Margarete (Smits). Sein Sohn Johann war in Russland vermisst.

Den gesellschaftlichen Durchbruch schaffte die Kevelaerer SPD mit der Ende 1967 von zahlreichen Genossen gegründeten Arbeiterwohlfahrt. Es nötigte Respekt ab, was die Awo leistete: Sie schickte 1968 von Kevelaer aus sieben Kinder und vier Mütter in Kur und sie ermöglichte 14 älteren Mitbürgern erstmalig einen Urlaub. Paul Dietrich, Heinrich van Rissenbeck, Peter Willems und Maria Nissen waren die führenden Persönlichkeiten im ersten Awo-Vorstand.

Willy Brandt 1961 in Kevelaer
Willy Brandt 1961 zu Besuch in Kevelaer (v.l.): Klaus Schütz, Willy Brandt, Hans Willems und Helmut Esters.
Foto aus: Vier Jahrzehnte Pressefotografie im Kreis Geldern: Ulrich Engelmann. Historischer Verein für Geldern und Umgegend. Geldern 2012.


Im "Willy-Jahr" 1972 blühte der SPD-Ortsverein auf. Geradezu in Massen strömten der Partei neue Mitglieder zu. Willy Brandt, der 1972 das von Rainer Barzel geführte Misstrauensvotum überstanden hatte, zog Sympathisanten wie ein Magnet an. Und der Ortsverein konnte mit Stolz darauf verweisen, dass einer aus seinen Reihen seit Anfang 1969 im Bundestag saß: Helmut Esters, der heutige Ehrenbürger der Wallfahrtsstadt.

Zu den im "Willy-Jahr" eingetretenen SPD-Mitgliedern gehörten u.a. die Kevelaerer Günther Block, Karl Aengenheyster, Aenne Buschkamp, Peter Brade, Agnes Pacco, Heinrich Pierkes, Line Pierkes, Helmut Scheepers, Paul Lyssy, Otto Puhl, Heinz-Dieter Otterpohl, Udo Haese, Magda Janssen, Georg Luig, Wolfgang Janssen, Monika Esters, Peter Nischwitz, Rainer Bach, Paul Kammann, Wolfgang Hohage und Wilfried Niemeyer.

Teil 1: SPD von der Gründung bis 1945
Teil 2: SPD von 1945 bis zum "Willy-Jahr" 1972
Teil 3: SPD von 1973 bis 1999
Teil 4: SPD von 2000 bis 2013

© Martin Willing 2012, 2013