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Wehren, Karl
Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Kevelaer |  * 1925 | † 1994

Karl Wehren
In den „wilden 80ern“ knackte es im Kevelaerer SPD-Ortsverein stärker, als die Öffentlichkeit wahrnahm. Hein Friesen, bis 1981 Vorsitzender der Sozialdemokraten, verließ später seine Partei ebenso wie sein Amtsnachfolger Karl Wehren.

Der 1925 geborene Karl Wehren, dem die Partei als Mitgründer der Arbeiterwohlfahrt eigentlich einen Ehrenplatz in der Partei auf Lebenszeit hätte bereithalten sollen, hatte unter Friesen bereits in den 1970er-Jahren Vorstandserfahrung als Beisitzer gesammelt. Zusammen mit Winfried Janssen, Karl Laaarmanns, Heinrich van Rissenbeck, Heinz Lamers und Änne Lieber zählte Wehren zu Friesens Führungsmannschaft.

1981 - da war von einem Parteiaustritt Friesens noch lange nicht die Rede - schied Friesen aus dem Vorsitzeramt aus. Wehren übernahm die Führung der SPD Kevelaer.
Die guten Beziehungen zwischen Karl Wehren und Winfried Janssen, die auch nach Wehrens späterem Parteiaustritt nicht abbrachen, wurden bereits 1981 offenkundig, als der Winnekendonker Janssen mit großer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden der SPD-Fraktion in Kevelaer als Nachfolger von Helmut Esters gewählt wurde. Wehren sagte damals über Janssen: „Ich habe großes Vertrauen in Winfried Janssen.“ Und gegenüber dem KB äußerte sich der Parteivorsitzende: „Winfried Janssen wird diese Aufgaben hervorragend meistern.“ Nicht viele, das war die Sorge damals, passten in die Schuhe eines Helmut Esters.

Karl Wehren mit Winfried JanssenDen Führungszirkel der Kevelaerer SPD unter Wehren bildeten 1983 Jürgen Schofenberg, Josef Langenberg, Karl Heinz Pacco, Werner Braunmüller, Heinz Strötges, Elisabeth Heeser, Ingrid Schommer und Horst Blumenkemper.

Karl Wehren mit Winfried Janssen im SPD-Parteibüro Anfang der 80er-Jahre.

Erst ein gutes halbes Jahr zuvor war Wehren als Parteichef wiedergewählt worden - nach der verlorenen Bundestagswahl. Der Vorsitzende dankte besonders Winfried Janssen für den engagierten Einsatz für die SPD.

Dieser Einsatz vor Ort konnte allerdings die Frustration über die Arbeit auf Bundesebene nicht ausgleichen. Arbeitslose und Facharbeiter waren bei der Wahl zur CDU gewechselt, weil die SPD, so die Interpretation in Kevelaer, Kompetenz in Sozial- und Arbeitsplatzfragen eingebüßt hatte.

Wolfgang Funke ärgerte sich über den „akademischen“ Wahlkampf der Bundes-SPD. Die SPD dürfe, so Funke 1983, nicht ebenfalls zu einer „Partei der Mitte“ werden, sondern müsse ihre Identität als „linke Volkspartei“ wiederfinden. Schröders „neue Mitte“ des Jahres 1998 war damals noch nicht erfunden.

Diese Grundsatzdiskussion über die Identität ihrer Partei wirkt heute wie eine Vorbereitung auf Wehrens Rücktritt und Austritt. In dem drahtigen Kevelaerer, der sich Zeit seines Lebens als Anwalt der „kleinen Leute“ verstand und der geradezu ausrasten konnte, wenn er von „üppigen Abgeordnetendiäten“ hörte, musste sich längst eine Menge Verdruss aufgestaut haben. In Bonn getroffene Entscheidungen über Diätenerhöhungen und das Parteienfinanzierungsgesetz, also Beschlüsse ohne unmittelbare Verknüpfung zur Kevelaerer Szene, lösten bei Karl Wehren im Weihnachtsmonat 1983 - das ging ruckzuck - den Rücktritt als Parteivorsitzender und obendrein seinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei aus.

Insider waren so verwundert nun auch wieder nicht: Wehren hatte schon mehrfach ähnlich gehandelt und in den 1970er-Jahren der SPD die Papiere geschickt, um bald darauf heimzukehren. Auch sein Abschied aus dem Stadtrat - zwei Jahre bevor er Parteivorsitzender wurde - hatte sich unorthodox gestaltet: als Mandatsniederlegung aus Protest gegen die seiner Meinung nach falsch laufende Stadtpolitik.

Nach dem 83er-Eklat kehrte Karl Wehren, der aus der Haut fahren konnte und doch immer wieder als Integrationsfigur mit ausgezeichneten Kontakten Basisarbeit geleistet hatte, nicht mehr in die Kommunalpolitik zurück. Als er Ende Dezember 1994 starb, nahmen Heinz Daniels und Paul Kammann als Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in einem KB-Nachruf für die Awo „voll Trauer und Mitgefühl mit den Angehörigen Abschied von Karl Wehren“. Offizielles von der SPD hörte man nicht.

Vier Jahre später erinnerte sich ein Sozialdemokrat des stillen und zuweilen so spektakulär handelnden und auftretenden Karl Wehren, der innerlich diese Partei nie verlassen hatte. Wehren sei für ihn ein wichtiger Weggefährte bei der Basisarbeit der Partei gewesen, sagte Winfried Janssen 1998 bei seiner Nominierung zum Bürgermeisterkandidaten. Es klang wie eine posthume Rehabilitierung.