Friesen, Hein
►
Ehrenvorsitzender
der Awo, Mitgründer der KBV |
* 1924 |
† 2008
In
einem Kriegsgefangenenlager bei Wickrath hatte Hein Friesen seinen
späteren Arbeitgeber
Jan Willems
kennengelernt. Nach der Entlassung stellte Willems den jungen Hein als
Maurer ein. Schnell stieg der begabte Organisator zum Polier und
schließlich zum Bauführer auf, der selbst große Projekte selbstständig
akquirierte, durchplante und mit seiner Mannschaft umsetzte. 400 Häuser
baute er allein für eine große Gesellschaft im Krefelder Raum.
Erst
1995 ging er mit 71 Jahren in den Ruhestand. Er hätte wohl weiter
gearbeitet, wäre seine Frau Maria nicht schwer erkrankt. Ihr widmete er
sich, bis sie 1996 starb.
Hein Friesen bei der Begüßung des NRW-Ministerpräsidenten Johannes
Rau.
Zu dieser Zeit hatte Friesen längst politisch Karriere gemacht. Ende der
1950er-Jahre in die SPD eingetreten, war er bereits 1964 in den Stadtrat
eingezogen. In den 1970er-Jahren und frühen 1980er-Jahren war er
Vorsitzender der rührigen Sozialdemokraten. Hein Friesen war als
SPD-Mann so bekannt in Kevelaer, dass er wie das Gesicht der Partei
wirkte.
1977 kam ihm die Idee, eine Altentagesstätte für die
Arbeiterwohlfahrt
einzurichten.
Hein Friesen im Büro der Arbeiterwohlfahrt. Rechts:
Maria Toonen
(Aufnahme von 1987).
1981 stritt er als Mitglied des Bauausschusses gegen das Ansinnen der
Verwaltung, diese Altentagesstätte im Obergeschoss des alten Gymnasiums
unterzubringen. Das KB zitierte Friesen damals: „Dann ist das Projekt
tot.“
Die CDU schloss sich Friesen an. Bürgermeister
Karl Dingermann eröffnete
den neuen Treff 1983. Noch Jahrzehnte danach wusste die Stadt Kevelaer,
was sie an dieser Begegnungsstätte hatte. 1983 ernannte die Awo Hein
Friesen zu ihrem Ehrenvorsitzenden.
Mit der SPD war Friesen freilich zunehmend unzufrieden. Er spürte, dass
immer weniger Menschen die Sprache verstanden, die SPD-Politiker in
Kevelaer am Leibe hatten. Es war jene lange Zeitspanne von 1986 bis
1999, in der der Rechtsanwalt
Dr.
Klaus Hölzle die Fraktion als Vorsitzender dominierte. Hauptamtliche wie
Stadtdirektor
Heinz Paal, aber
auch der ebenfalls akademische gebildete Bürgermeister
Dr. Friedrich Börgers
sowie etliche Nicht-Sozialdemokraten im Stadtrat und in der Kevelaerer
Gesellschaft ließen erkennen, dass sie den Stil des
Fraktionschefs begrüßten.
Schon die Sprache war's, die "echte" Genossen von "Edel"-Genossen
trennte. Das Kevelaerer Experiment, zwei Kulturkreise, die lediglich ein
Stück Papier vom Mitgliedsausweis verbanden, miteinander zu verflechten
und kreativ entfalten zu lassen, scheiterte. Nie waren die
Wahlergebnisse für die SPD schlechter als in jenen Jahren.
Dass es innerhalb der SPD rumorte, fiel der Öffentlichkeit nicht
weiter auf. Einen ersten Knacks in seinem Verhältnis zu Sozialdemokraten
hatte Hein Friesen bereits erlitten. Der neue Awo-Vorsitzende Heinz
Strötges war aus Protest gegen angeblich unkorrekte
Geschäftsführungspraktiken zurückgetreten - eine Fehleinschätzung von
Strötges, wie Prüfungen von neutraler Seite bewiesen. Als Strötges zum
SPD-Kreistagskandidaten nominiert wurde, weigerten sich Hein Friesen und
Awo-Schatzmeister Josef Langenberg, mit ihm im SPD-Ortsverein
zusammenzuarbeiten.
Die Ortspartei steckte in einer deftigen Krise; aus bundespolitischen
Gründen hatte obendrein SPD-Chef
Karl Wehren die Partei verlassen. Erst 1984, als Wolfgang Funke die
Führung unter seine Fittiche nahm, fing sich der gespaltene Ortsverein.
Hein Friesen zog sich mehr und mehr von den Sozialdemokraten zurück und
bereitete Anfang der 1990er-Jahre zusammen mit anderen die Gründung
einer Kevelaer-Partei vor - der heutigen KBV. Als die Kevelaerer
Bürgervereinigung 1994 tatsächlich zur Kommunalwahl antrat, stellte sich
der Baufachmann als Direktkandidat zur Verfügung - ausgerechnet gegen
Wolfgang Funke, dessen Vorvorgänger im Amt des SPD-Parteichefs er
gewesen war.
Nach
dem Tod seiner Frau trat Friesen auch in der Politik kürzer. Er
kandidierte nicht mehr für den Vorstand der KBV, dem er lange angehört
hatte.
Später kehrte er dorthin zurück, wo seine Wurzeln lagen: Er wurde wieder
SPD-Mitglied.
SPD-Parteivorsitzender Heinz Ermers überreichte Hein Friesen und
Heinz Lamers (r.) die SPD-Parteimitgliedsbücher.
Die Episode über Friesens angebliche Demenz im Jahr 2005 sah beinahe
aus wie die bittere Parodie auf ein freies und selbstbestimmtes Leben:
Ausgerechnet Hein Friesen, der mutige und unbeugsame Streiter, sollte
entmündigt und gegen seinen Willen des Selbstbestimmungsrechts beraubt werden.
Eine energische zupackende
Delia
Evers schilderte den Skandal-Fall im
Kevelaerer Blatt,
worauf das drohende Unrecht abgewendet werden konnte.
Er war ein aufrechter Mann, der ein Stück Sozialgeschichte in Kevelaer
mitgeschrieben hat.
Wir haben allen Grund, ihn nicht zu vergessen.