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Teil 3: Von 1300 bis 1500
Hauen und Stechen | Die Grafen und Herzöge des Gelderlands
Von seinem
Vater Otto übernimmt Graf Reinald I. ein mächtig ausgedehntes
Gelderland. Aber Reinald I. verschuldet sich tief und verpfändet alle
Einkünfte der Grafschaften Geldern und Zutphen sowie des Landes Kessel
auf fünf Jahre an seinen Schwiegervater. Unterdessen kommt es zwischen
ihm und seinem Sohn Reinald II. zum Machtkampf. Der Sohn nimmt den Vater
gefangen und übernimmt 1318 die Regierung. Acht Jahre später stirbt
Reinald I. in Gefangenschaft.
Graf Reinald II. setzt alles daran, die Schulden seines Vaters zu
tilgen. Das Geld dafür beschafft er sich über zwei Heiraten mit reichen
Erbinnen. Mit seiner zweiten Frau Eleonore, einer Tochter des Königs
Eduard III. von England, hat er zwei Söhne. Das Eheglück zerbricht, als
seiner Frau nachgesagt wird, sie leide an Aussatz.
1339 wird Reinald II. vom König zum Herzog ernannt. Die Grafschaft ist
von nun an Herzogtum Geldern.
Als Reinhald II. am 12. Oktober 1343 stirbt, ist sein ältester Sohn,
Reinald III., erst elf Jahre alt. Für ihn übernimmt zunächst seine
Mutter Eleonore die Regierungsgeschäfte.
Reinald III. und Eduard, die beiden Söhne, werden erbitterte Feinde.
Kaum dass sie erwachsen sind, überziehen sie wegen ihrer
Erbstreitigkeiten das Gelderland mit jahrelangen Bürgerkriegen. 1361, in
der Schlacht bei Tiel, wird Reinald III. besiegt. Als Gefangener muss er
auf die Herrschaft über Geldern zu Gunsten Eduards verzichten.
Zehn Jahre regiert Eduard, da wird er - 1371 - ermordet. Sein Bruder
Reinald III. darf nun das Gefängnis verlassen, übernimmt das Herzogtum,
stirbt aber wenige Monate später im Alter von 38 Jahren. Mit ihm
erlischt der Mannesstamm der geldernschen Fürsten.
Um das Erbe streiten sich die beiden Schwestern der verstorbenen Brüder,
Mechtild und Maria. Am Ende setzt sich Maria durch, deren Mann, der
Herzog von Jülich, Kaiser Karl IV. dazu bringen kann, seinem ältesten
Sohn Wilhelm das Herzogtum Geldern anzuvertrauen - unter der Bedingung,
dass bis u dessen Großjährigkeit sein Vater die Regentschaft übernimmt.
Kaum ist Herzog Wilhelm I. in Amt und Würden (1377), da führt er gegen
seine Tante Mechtild Krieg. Nach ihrer Niederlage in der Schlacht zu
Hönnepel verzichtet Mechtild auf das Herzogtum Geldern und die
Grafschaft Zutphen.
Wilhelm I. kennt kaum etwas anderes als Kriege zu führen. Nach dem Tod
seines Vaters, des Herzogs von Jülich (1393), vereinigt Wilhelm das
ererbte Herzogtum Jülich mit Geldern und Zütphen. Wilhelm stirbt (1402)
ohne männlichen Nachkommen. Besitz und Regierung von Geldern und Jülich
gehen auf den jüngeren Bruder Wilhelms, Reinald IV., über.
Nach acht Jahren, als sich immer noch kein männlicher Nachwuchs zeigt,
geht unter den Rittern und Adeligen des Gelderlands die Furcht um, dass
die Nachfolge von Reinald IV. nach dessen Tod wieder gewaltsam
entschieden werde. Sie verlangen - Reinald ist entrüstet - rechtzeitige
und vor allem friedenstiftende Bündnisse.
Nach Reinalds Tod (1423) werden sofort die herzoglichen Burgen und
Städte militärisch besetzt und verstärkt, um Überfällen, die befürchtet
werden, begegnen zu können. Anspruch auf die Herzogtümer Geldern und
Jülich erheben Arnold von Egmond (12), ein Neffe der beiden letzten
Herzöge von Geldern, Wilhelm und Reinald IV., und zwei entferntere
Verwandte. Unmittelbar nach dem Tod Reinalds entscheiden die Ritter und
Städtevertreter des Gelderlands in Nimwegen, dass der junge Arnold ihr
neuer Landesherr werden soll. Dessen Vater Johann von Egmond wird - bis
zu Arnolds Volljährigkeit - zum Regenten ernannt.
Um die Machtverhältnisse zu sichern und zu verstärken, wird zwischen
Arnold von Egmond (12) und der achtjährigen Katharina von Kleve-Mark ein
Ehevertrag geschlossen, der regelt, dass die Ehe vollzogen wird, sobald
Katharina zwölf Jahre alt und damit volljährig ist.
Arnold regiert bis 1465 - ungewöhnlich lang, und das, obwohl ihm
nachgesagt wird, er sei nur der Spielball seiner verschlagenen Frau,
seines missratenen Sohnes und seiner zügellosen Untertanen, die mit dem
„Faustrecht des Stärkeren“ übereinander herfallen. Um ihn endlich los zu
werden, bereiten seine Frau und sein Sohn Adolph ihm zu Weihnachten 1464
eine Falle. Um das Fest zu feiern, versammeln sich die Verwandten auf
Schloss Grave. Dann wird am 9. Januar 1465 ein glanzvoller Abend in
illustrer Gesellschaft gegeben. Adolph bringt seinen Vater noch zu Bett,
doch kaum dass der Herzog eingeschlafen ist, lässt Adolph seinen Vater
von heimlich hereingelassenen Wachen verhaften: ,,Mein Vater, es muß so
sein, folge mir!“
Im Nachthemd wird der alte Mann durch die kalte Nacht aus dem Schloss
geführt und im Zollhaus Lobith, dann im Schloss Büren arretiert. In den
nächsten Wochen schafft es Adolph, die Ritterschaften und Städte des
Herzogtums hinter sich zu bringen. Die Absetzung des Herzogs Arnold wird
akzeptiert.
Wieder überzieht Krieg das Land, diesmal zwischen Geldern und Kleve. Und
die Absetzung des alten Herzogs ist noch nicht ausgestanden. Herzog Karl
von Burgund, Schwager des Gelderner Herzogs Adolph, setzt sich weniger
aus humanitären als vielmehr aus politischen Gründen für den gefangenen
alten Mann ein. Ein Brief des Papstes Paul II., in dem der burgundische
Herzog zur Befreiung des gefangenen Arnold aufgefordert wird, ist der
Startschuss zum Einmischen: Herzog Adolph wird 1470 an den burgundischen
Hof vorgeladen, um sich zu rechtfertigen. Karl erzwingt durch eine List
die Freilassung des Gelderner Herzogs Arnold und nimmt dessen Sohn
Adolph, den regierenden Herzog von Geldern, gefangen. Die Städte des
Gelderlandes wollen den alten Mann, der nun seine erzwungene Abdankung
widerruft, als Regenten nicht wieder haben, und verweigern sich. Nur das
Oberquartier Geldern - mit Ausnahme von Venlo - erkennt Arnold als
seinen Regenten an.
Das politische Schachspiel des burgundischen Herzogs Karl geht auf:
Herzog Arnold, wirtschaftlich ruiniert, politisch geradezu machtlos,
überträgt dem Burgunder die Aufgabe eines Vogts und Beschirmers des
Gelderlands und verpfändet ihm das Land für 300.000 Gulden. Mit dieser
kläglichen Aufgabe der Selbstständigkeit zeichnet sich der Abschied der
Gelderner Herzöge aus der Geschichte ab.
Die Verpfändung des Gelderlands (1472) begründet den Herrschaftsanspruch
von Burgund und später des österreichisch-spanischen Hauses. Gleichwohl
ist sie zunächst rechtswidrig: Das Gelderland ist zur Zeit noch ein
Lehen des Deutschen Reiches, das nur mit Zustimmung des Königs
verpfändet werden kann. Der aber hat nicht zugestimmt. Das holt Kaiser
Friedrich III. vier Jahre später allerdings nach. Bis dahin überzieht
Herzog Karl von Burgund das Gelderland mit Krieg, um seine Ansprüche
durchzusetzen. Herzog Karl, genannt „der Kühne“, will ein großes Reich
gründen und startet einen Eroberungsfeldzug nach dem anderen, um sein
Reich bis zu den Alpen auszudehnen. Karls Pläne und Leben enden in der
Schlacht von Nancy, in der er 1477 fällt.
Mit dem Tod des gefürchteten Eroberers drängen die von Burgund
unterjochten Niederlande zur Freiheit. Gelderns Herzog Adolph, der Sohn
des unglücklichen Arnold, der Karl den Kühnen durch die Verpfändung ins
Land geholt hat, wird aus dem Kerker befreit. Eine Abordnung der
Hauptstädte des Gelderlands reist zu ihm und versichert ihm ihre Treue.
Adolph wird wieder als Landesfürst eingesetzt. Doch im selben Jahr
stirbt Herzog Adolph in einer Schlacht gegen die Franzosen.
Seine Nachfolger werden durch einen Handstreich Maria von Burgund, um
deren Liebe Herzog Adolph vor seinem Tod geworben hat, und Erzherzog
Maximilian von Österreich, den Maria heiratet. Adolphs Erben, seine
Kinder Karl und Philippa, bemühen sich vergebens um das Gelderland, denn
Maximilian verbündet sich 1478 mit Kleve, Jülich-Berg und dem Erzstift
Köln und unterwirft das Gelderland.
Der Herrschaft Burgunds folgt die letzte Periode des selbstständigen
Herzogtums Gelderland unter Herzog Karl von Egmond. Nach dessen Tod
(1538) vereinigt sein Nachfolger Wilhelm die Länder Geldern, Jülich,
Cleve, Berg, Mark und Ravensburg unter seiner Herrschaft - der Höhepunkt
vor dem nahen Ende: Kaiser Karl V. erkennt Herzog Wilhelm nicht an,
rückt 1543 mit einer gewaltigen Armee ein und erobert Geldern und
Zutphen.
Mit dem Frieden von Venlo (12. September 1543) hört Geldern auf, ein
selbstständiges Herzogtum zu sein.
Aus: Martin Willing, 2000 Jahre Kevelaerer Heimat, KB-Beilage 1999/2000
Teil 1:
> Von 0 bis 1300 |
Wir
Gallier | Wie alles anfing
Teil 2:
> Von 1300 bis 1350 |
Grundstück verkauft | Erste Zeugnisse für Kevelaer
Teil 3:
> Von 1300 bis 1500
|
Hauen und Stechen | Die Grafen und Herzöge des Gelderlands
Teil 4:
> Von 1550 bis 1635
|
Freiheitskampf | Die Zeit bis zum Kroaten-Massaker
Teil 5:
> Von 1635 bis 1642
|
Mord und Totschlag | Das Chaos vor Entstehung der Wallfahrt
Teil 6:
> Von 1643 bis 1714
|
Wir Preußen | Als König Wilhelm kam
Teil 7:
> Von 1715 bis 1805
|
Wir Franzosen | Geist der Aufklärung
Teil 8:
> Von 1800 bis 1830
|
Napoleons Ende | Die Rückkehr der Preußen
Teil 9:
> Von 1830 bis 1850
|
Deutsche Revolution | Neues Selbstbewußtsein der Katholiken
Teil 10:
> Von 1850 bis 1875
| Abschied vom Mittelalter | Auflösung des Kirchenstaats
Teil 11:
> Von 1875 bis 1878
|
Kulturkampf | ... und sein Ende
Teil 12:
> 1879 |
Zeitung | Gründung des Kävels Bläche
Teil 13:
> 1880 bis 1881
| Vom Brand bis Wochenmarkt | Zwei Jahre mit großen Veränderungen
Teil 14:
> 1880 bis 1890
| Kaiser Wilhelm | Aufbruchzeiten
Teil 15:
> 1890 bis 1900
|
Aufschwung | Kevelaers Wirtschaft boomt
Teil 16:
> 1900 bis 1919
|
Das Ende von Preussens Gloria | Kevelaer und der Erste Weltkrieg
Teil 17:
> 1920 bis 1930
|
Hilfe aus der Not | Kevelaer am Vorabend des Zweiten Weltkriegs