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Teil 2: Von 1300 bis 1350
Grundstück verkauft | Erste Zeugnisse für Kevelaer
Seit
mindestens dem 7. Jahrhundert ist Kevelaer besiedelt, aber die
Dorfschaft Kevelaer bleibt im Gegensatz zu Keylaer, Wetten oder Weeze
bis zur Wende des 13. zum 14. Jahrhundert so unbedeutend, dass sie
nirgendwo schriftlich erwähnt wird.
Bis zum Jahr 1300.
Das Heidedörfchen Kevelaer gehört zu jener Zeit mit seinen knapp 70
Grundbesitzern und ihren Angehörigen zur Pfarrgemeinde St. Cyriakus
Weeze im Dekanat Straelen. Zu St. Cyriakus zählt auch die Bauernschaft
Keylaer, die seit 1144 über die Hubertus-Kapelle verfügt; die
St.-Antonius-Kapelle, aus der später die Pfarrkirche erwächst, entsteht
erst um 1450.
Insgesamt leben zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der Dorfschaft
Kevelaer kaum mehr als 300, 400 Menschen; Aufzeichnungen aus jener Zeit
gibt es nicht.
Das Pergament, auf dem nach heutigem Wissensstand zum ersten Mal der
Name „Kevelaer“ auftaucht, trägt ursprünglich zwei grüne Wachssiegel. Es
handelt sich um eine in Wetten ausgestellte Verkaufsurkunde vom 10. Mai
1300:
(...)
Nos Theodericus cognomento clericus de Assele, iudex in Wetthene,
universis presentis litteras inspecturis cupimus esse notum, quod
constitutus propter hoc coram nobis et scabinis de Wetthene Gozzuinus de
Adendunc publice professus est et recognovit curtem sive bona dicta
Uppendyke, sita apud villam de kevelar [... das Gut, Uppendyke genannt,
bei dem Ort Kevelaer gelegen ...], et quidquid iuris habuerat in eisdem
vel habere potuerat in futurum, contulisse et libere Gerardo dicto
Hagedoren suo consaguineo, priusquam uxorem duxisset aut sobolem
genuisset, renuntiasse etiam omni iuri, quod in ipsa curte seu bonis
quacumque ex causa visus fuerat habuisse.
Übersetzt:
Wir, Theoderich, Klerikal von Asselen, Richter in Wetten, wünschen, dass allen, die in Zukunft vorliegenden Kaufbrief zu Gesicht bekommen, bekannt sei, dass vor uns den Schöffen von Wetten der Goswin von Adendunk erschien und öffentlich erklärte und anerkannte, dass er den Hof oder die Güter, genannt Uppendyke, bei der Villa [beim Dorf] Kevelaer gelegen, mit allen gegenwärtigen und zukünftigen Rechten insgesamt und freiwillig dem Gerard Hagedoren, seinem Blutsverwandten, bevor er ein Weib heimgeführt oder Nachkommenschaft gezeugt, übertragen habe (...)
Damit steht der „Namenstag“ Kevelaers fest - bis ein womöglich älteres Dokument auftaucht.
In dieser Urkunde
tauchte der Name Kevelaer zum ersten
Mal auf.
Die Urkunde befindet sich ursprünglich im Kloster Graefenthal bei
Asperden. Nach seiner Enteignung 1802 im Zuge der Säkularisation wird
das Graefenthal-Archiv - mit der Kevelaer-Urkunde - ins Kloster
Gaesdonck und von dort 1944 aus Gründen der Sicherheit nach Kempen
gebracht. Die Kevelaer-Urkunde ist erhalten geblieben. Eines der beiden
grünen Wachssiegel ist abgefallen.
Kirchlich zur Pfarrei Weeze, zum Dekanat Straelen und zum Erzbistum Köln
gehörend, ist die Bauernschaft Kevelaer im 14. Jahrhundert Teil des
Niederamtes Geldern im Oberquartier der Grafschaft beziehungsweise - ab
1339 - des Herzogtums Geldern. Das Herzogtum besteht aus vier
Quartieren, benannt nach ihren Hauptstädten Nimwegen, Roermond, Zutphen
und Arnheim. Zum Quartier Roermond, wegen seiner Lage zum Rhein auch
Oberquartier genannt, gehören die Städte Roermond, Geldern, Venlo,
Straelen, Wachtendonk, Erkelenz und die angeschlossenen Ämter und
Vogteien. Bis 1402 zählt auch Emmerich zum Oberquartier Geldern.
In der Region herrscht reger Handel, von dem die Kevelaerer, durch deren
Dorf ein alter Handels- und Militärweg führt, einiges mitbekommen - und
sei es nur den Verkehr. Haupttransportmittel für Güter ist das Schiff,
die Hauptachse die Maas. Wein, Holz- und Steinkohlen, Baumrinde, Öl,
Eisen, Töpfe, Krüge, Tuchwaren, Steine, Häute und Bier werden bevorzugt
in Venlo verschifft, wie ein Handelsabkommen von 1303 unterstreicht.
Im Zentrum des Lebens der einfachen Leute steht ihre Religionsausübung.
Die Seelsorge in Geldern übernehmen Karmeliter-Mönche, denen Graf
Reinald I. von Geldern 1306 ein Kloster gestiftet hat. Die Bettelmönche
kümmern sich später auch um die Organisation der Marienwallfahrt nach
Aengenesch. Bis in unseren Raum strahlt die wundertätige Kreuzreliquie
zu Kranenburg, zu der ab 1308 fromme Menschen pilgern. Kranenburg ist
einer von vielen neuen Wallfahrtsorten, die Anfang des 14. Jahrhunderts
in deutschen Landen entstehen.
Unterdessen verfestigen sich die Pfarrstrukturen auch im angrenzenden
Herzogtum Kleve, zu dem Winnekendonk gehört. 1318 wird die Pfarrgemeinde
St. Urbanus eingerichtet, zu der zunächst auch die Gläubigen aus
Kervenheim und Kervendonk zählen. 1310 ist hier ein Halbbruder des
Grafen Dietrich VII. von Kleve, dem Burg Kervenheim gehört, als Pastor
im Amt. 1322, zwei Jahre nach der Stadterhebung Sonsbecks durch Graf
Theodor von Cleve, wird auch Kervenheim als „Stadt“ bezeichnet. Ob Graf
Theodor dem Burg-Dorf Kervenheim tatsächlich Stadtrechte verliehen oder
ihm nur vergleichbare Privilegien gewährt hat (die später nachweislich
existieren), wissen wir nicht.
Unbestritten in der Geschichtsschreibung ist eine außerordentliche
Erhebung in der benachbarten Grafschaft Geldern: Graf Reinald II. wird
am 19. März 1339 in den Herzogstand erhoben und zum Reichsfürsten
befördert - eine außerordentliche Standeserhöhung durch Kaiser Ludwig
den Bayern, die den Beginn des Herzogtums Geldern darstellt.
Zu den größten Leistungen Reinalds zählt, in seinem Herrschaftsgebiet
eine neue, geordnete Rechtskultur eingeführt zu haben.
Aus: Martin Willing, 2000 Jahre Kevelaerer Heimat, KB-Beilage 1999/2000
Teil 1:
> Von 0 bis 1300 |
Wir
Gallier | Wie alles anfing
Teil 2:
> Von 1300 bis 1350 |
Grundstück verkauft | Erste Zeugnisse für Kevelaer
Teil 3:
> Von 1300 bis 1500
|
Hauen und Stechen | Die Grafen und Herzöge des Gelderlands
Teil 4:
> Von 1550 bis 1635
|
Freiheitskampf | Die Zeit bis zum Kroaten-Massaker
Teil 5:
> Von 1635 bis 1642
|
Mord und Totschlag | Das Chaos vor Entstehung der Wallfahrt
Teil 6:
> Von 1643 bis 1714
|
Wir Preußen | Als König Wilhelm kam
Teil 7:
> Von 1715 bis 1805
|
Wir Franzosen | Geist der Aufklärung
Teil 8:
> Von 1800 bis 1830
|
Napoleons Ende | Die Rückkehr der Preußen
Teil 9:
> Von 1830 bis 1850
|
Deutsche Revolution | Neues Selbstbewußtsein der Katholiken
Teil 10:
> Von 1850 bis 1875
| Abschied vom Mittelalter | Auflösung des Kirchenstaats
Teil 11:
> Von 1875 bis 1878
|
Kulturkampf | ... und sein Ende
Teil 12:
> 1879 |
Zeitung | Gründung des Kävels Bläche
Teil 13:
> 1880 bis 1881
| Vom Brand bis Wochenmarkt | Zwei Jahre mit großen Veränderungen
Teil 14:
> 1880 bis 1890
| Kaiser Wilhelm | Aufbruchzeiten
Teil 15:
> 1890 bis 1900
|
Aufschwung | Kevelaers Wirtschaft boomt
Teil 16:
> 1900 bis 1919
|
Das Ende von Preussens Gloria | Kevelaer und der Erste Weltkrieg
Teil 17:
> 1920 bis 1930
|
Hilfe aus der Not | Kevelaer am Vorabend des Zweiten Weltkriegs