Bogers, Theo
►
Politischer
Aussteiger in Kevelaer |
* 1944 |
†
2006
Der
Mann mit der kräftigen Stimme konnte auf der Bühne wie ein gelernter
Moderator ins Mikro sprechen. Und er tat es gerne, wie seine drei
EWG-Quizshows im Bühnenhaus (1969 bis 1971) zeigten, an die sich
Kevelaerer noch heute gern erinnern. Er initiierte und moderierte eine
Olympiaquizshow für die Jugend (1971 und 1972), außerdem ein Blues- und
Rockfestival. Und als er in die Kommunalpolitik einstieg, inszenierte er
für seine CDU-Fraktion einen Karnevalsabend (1975). Auch die Sommerfeste
der Fraktion und des CDU-Stadtverbands, die bis 1984 für Zusammenhalt
und Wir-Gefühl sorgten, gingen auf ihn zurück.
Der Mann, der später sagte: „Politik ist für mich keine Heimat mehr“,
war alles andere als ein oberflächlicher Unterhalter.
Kurz vor Weihnachten 1944 war Theo Bogers als Sohn von Adele und
Heinrich Bogers, einem Schreinermeister, geboren worden. Er blieb ein
Einzelkind, denn sein Vater kam kurz vor Kriegsende durch Granatsplitter
im Düsseldorfer Rheinstadion ums Leben. Theo wuchs an Hoogeweg und
Jägerstraße in der Obhut seiner Mutter auf, die eine Schwester von
Heinrich „Köpke“ Janssen war. Theo besuchte die Marktschule und später
das Adolfinum in Moers, dem das einzige Aufbaugymnasium am Niederrhein
angegliedert war.
Aktive Mitarbeit in der Pfarrgemeinde St. Antonius war für den Jungen
selbstverständlich. 13 Jahre war er Messdiener, schließlich auch Lektor
und Kollektant.
Prägend fürs Leben war sein Eintritt in die Deutsche Pfadfinderschaft
St. Georg (1956), deren Marienstamm Kevelaer ihm ans Herz wuchs und für
die er 1959 Gruppenführer bei den Jungpfadfindern wurde. Selbst noch
jugendlich und heranwachsend, übernahm Theo immer mehr Verantwortung für
andere.
Als ab 1960 die Amelandferien zu einer festen Einrichtung wurden, war
Theo Bogers nicht als Gast mit von der Partie, sondern als Gruppenleiter
im ersten Jungenlager. Ein Vormann für die Jugendlichen blieb er selbst
zu dem Zeitpunkt, als er sich auf seinen Beruf konzentrieren musste und
als 20-Jähriger bei der Deutschen Bundesbahn einstieg, um im mittleren,
später gehobenen Dienst seinen Weg zu machen.
Es kam das Jahr der kommunalen Neuordnung. Für jeden Bürger war die neue
Stadt Kevelaer, die auf einmal doppelt so groß war wie vorher, „ein
unbekanntes Wesen“; niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, wie sich die
Ortsteile nach dem meist als schmerzlich empfundenen Verlust der
Selbstständigkeit „schicken“ würden. Es waren spannende Zeiten, in denen
Klugheit, Überblick und Einsatzfreude der Kommunalpolitik gefragt waren.
Theo Bogers war dabei. Prompt gestaltete er mit seinem
Organisationstalent den ersten Wahlkampf nach der kommunalen Neuordnung
mit. Von Anfang an band ihn die CDU als Sachkundigen Bürger im Jugend-
und Sportausschuss ein und nutzte Bogers’ Kenntnisse von der
jugendpflegerischen Arbeit in der Marienstadt.
Theo Bogers gestaltete im Neuordnungsjahr 1969 auch sein Privatleben
neu. Er heiratete Hannemie Holtappels; aus dieser Ehe gingen René (*
1972) und die Zwillinge Sandra und Corinna (* 1975) hervor.
Theo Bogers (1995).
Trotz aller Engagements blieb Bogers zudem der „Pfadfinder-Mann“. Er
leitete - ab 1970 - für drei Jahre die „Roverschaft im Gau Grenzmark“,
zu dem neben dem Marienstamm Kevelaer auch die Pfadfinder im Altkreis
Kleve gehörten.
Er aktivierte den Stadtjugendring und wurde dessen Vorsitzender. Als
Delegierter für die katholischen Jugendverbände arbeitete er im
Kreisjugendring mit, obwohl ihn sein Beruf ein weiteres Mal forderte:
Bogers wurde 1972 Personalchef am Hauptbahnhof Krefeld. Das hinderte ihn
nicht daran, auch als Pfarrjugendführer von St. Antonius Einsatz zu
bringen.
Die Partei schöpfte seine Fähigkeit stark ab.
1973 und 1974 wurde er zum Wahlkampfleiter des CDU-Stadtverbands
Kevelaer berufen und von den Bürgern - 1974 - als Direktkandidat in den
Stadtrat gewählt. Den Jugend- und Sportausschuss, in dem er bis dahin
als Sachkundiger Bürger gesessen hatte, übernahm Bogers als
Vorsitzender.
Ratsmandat und Mehrarbeit kamen zu einem unglücklichen Zeitpunkt, denn
1974 musste sich der Kevelaerer beruflich wiederum auf Neues
konzentrieren: Die Bundesbahn setzte den Viel-Talentierten jetzt als
hauptamtliche Lehrkraft für den Bereich Betrieb, Verwaltung und
Management ein.
Trotzdem übernahm er 1974 zusätzlich den Vorsitz des CDU-Ortsverbands
Kevelaer und zwei Jahre später obendrein den Fraktionsvorsitz als
Nachfolger von
Hans Broeckmann.
Was er machte, machte er ganz: Über das politische Geschäft hinaus
versuchte Bogers, in die Arbeit menschliche Elemente einzubringen. Er
feierte mit seinen Fraktionskollegen und deren Angehörigen Karneval;
auch die Sommerfeste von Fraktion und Partei, die nach Bogers’
Ausscheiden einschliefen, waren auf ihn zurückzuführen.
Und noch ein Novum: Kurz vor Weihnachten ging der
CDU-Fraktionsvorsitzende im Rathaus von Tür zu Tür und drückte jedem
Mitarbeiter die Hand. Eine solche Geste der Anerkennung und des Danks
durch einen führenden Kommunalpolitiker hatte es vor Bogers nicht
gegeben.
Eher argwöhnisch kritisiert wurde von seinen eigenen Leuten, dass er bei
Debatten die Parteipolitik gerne ins zweite Glied stellte. Als er mit
dem Sozialdemokraten Winfried Janssen vorzüglich zusammenarbeitete, um
ein Jugend- und Sportförderungsprogramm der Stadt Kevelaer zu
konzipieren, löste das in der CDU-Fraktion nicht nur Freude aus.
Bogers beherrschte sein Handwerk. Er zog als Chef der CDU
Kevelaer-Mitte - den Fraktionsvorsitz hatte er inzwischen an Hans
Broeckmann zurückgegeben - Bürgerversammlungen durch, zum Beispiel 1983,
als das Reizthema
„B&B-Center“
die politische Szene beherrschte und den Kevelaerer Mittelstand
stark beunruhigte. Die Brisanz von damals ist heute kaum noch
nachzuvollziehen, da die Luxemburger Galerie, die schließlich entstand,
mit dem zunächst befürchteten Riesenkaufhaus nichts mehr zu tun hat.
Theo Bogers pflegte, besonders in seiner Zeit als Fraktionschef, das
Instrument vertraulicher Hintergrundgespräche.
Theo Bogers
(1987) mit
CDU-Parteifreunden (v.l.):
Dr. Helmut Linssen, Theo
Bogers,
Urban Schumacher und
Peter Roosen.
Die Krise in der Kevelaerer Kommunalpolitik Anfang der 80er-Jahre, die
Anfang der 90er-Jahre zur Gründung der KBV führte, zeichnete sich an der
Oberfläche deutlich ab, als im Dezember 1983 bekannte CDU-Ratsmitglieder
wie
Häns Boers, Heinz-Josef van Aaken,
Heinz
Ingenpaß, Jean Schatorjé
und eben Theo Bogers erklärten, nicht mehr kandidieren zu wollen. Für
Bogers sicher kein leichter Schritt, denn inzwischen war er zum ersten
stellvertretenden Bürgermeister aufgestiegen und damit auf dem Höhepunkt
seiner politischen Karriere. 1984 schied er aus dem Rat
aus.
Bis 1987 blieb er noch Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Kevelaer.
Stadtdirektor
Heinz Paal wollte den Sachverstand, das
Organisationstalent und die Ortskenntnis von Theo Bogers für die
Stadtverwaltung nutzen und brachte ihn als Nachfolger von
Martin Pauli –
in den Bereichen Fremdenverkehr und Kulturbüro - ins Gespräch. Aber in
jene Zeit fiel Bogers’ Berufung zum Hauptgruppenleiter des
Bildungswesens in der Bundesbahndirektion Köln. Bogers blieb
Bundesbahner und gab den Vorsitz der CDU Kevelaer-Mitte an Peter Hohl
ab. Immerhin ließ er sich noch - 1991 - als Beisitzer in den Vorstand
des CDU-Stadtverbands wählen.
Er vollzog den Ausstieg aus der Politik stufenweise. Das geschah wohl
nicht kühl dosiert; es ist nicht einmal sicher, ob Theo Bogers Anfang
der 90er-Jahre schon wusste, was genau ihm seit geraumer Zeit in Partei,
Fraktion und Kommunalpolitik „stank“. Ihn befiel Unbehagen darüber, wie
sich der menschliche Umgang entwickelte, und er sah, wie das Wir-Gefühl
aus den 70er- und 80er-Jahren fast verschwunden war.
Er wurde 1994 stellvertretender Leiter des Bildungswesens bei der Bahn
AG für Nordrhein-Westfalen und ein Jahr später Leiter des
Trainingszentrums Köln, Bereich „Westliches NRW“.
Dann kam das Ende seiner CDU-Zeit. Es ging um den Streit in der
Kreispartei, ob der amtierende Mandatsinhaber
Heinz Seesing oder
Ronald Pofalla als Bundestagskandidat für den Kreis Kleve nominiert werden
sollte. Theo Bogers stellte sich auf die Seite von Seesing, weil er
fand, dass dem Kalkarer übel mitgespielt worden war. Enttäuscht vom
Verhalten vieler Christdemokraten gab Bogers dem schon lange gefühlten
Unbehagen Raum und trat aus der CDU aus. Er blieb parteilos und
widerstand später Anwerbeversuchen aus anderen Lagern.
Mit seiner ernsten Erkrankung, die erst in der zweiten Hälfte der
90er-Jahre entdeckt wurde und zu seiner vorzeitigen Pensionierung im
April 1999 führte, hatte die parteipolitische Abstinenz nichts zu tun –
viel dafür mit seinen eigenen Wertvorstellungen auch aus dem katholischen
Umfeld, in dem er mit ganzem Herzen aktiv war. Ein solcher Mann musste
im parteipolitischen Geschäft fast zwangsläufig an Schmerzgrenzen
stoßen.
Von seinen Idealen und
seinem Handeln war Theo Bogers so überzeugt, dass der Umgang mit ihm
zuweilen nicht einfach war.
Bereits ab 1976 hatte sich Theo Bogers, der auch der KAB angehörte und
aktiv in der
Aktion St. Nicolaus mitwirkte, als Brudermeister der
Bruderschaft
Consolatrix afflictorum engagiert, die im Wallfahrtsleben
eine wichtige Schutzaufgabe erfüllt. Er fand es 1995, nach dem Vollzug
seiner Trennung von der Partei, wichtiger, im Bibelarbeitskreis
mitzuwirken als politische Sitzungen zu besuchen. Und er widmete sich
verstärkt seinen Hobbys, dem Fotografieren, der Computergrafik, dem
Lesen, Heimwerken und seinen heimlichen musischen Leidenschaften, dem
Malen und Dichten.
Am 1. Dezember 2000 feierte der Verein Aktion St. Nicolaus sein
30-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsveranstaltung im Konzert- und
Bühnenhaus stand unter dem Motto „Ein Potpourri der guten Laune - Komm
und hilf - Sieh zu und staune“. Ausschließlich heimische Künstler und
Akteure waren verpflichtet worden. Theo Bogers hatte das Programm
zusammengestellt. Er stand selbst auf der Bühne und präsentierte
souverän und locker als Conferencier die Höhepunkte - darunter die
Auftritte von Karl Timmermann.
Besonders seine Gedichte zeigen, dass Theo Bogers nicht die banalen
Oberflächlichkeiten im täglichen Allerlei bewegten. Er suchte Antworten
auf Fragen nach den letzten Dingen des Lebens und der Zeit danach.
Theo Bogers starb 2006 mit 61 Jahren.
Wer bist du
Wer bist du,
der du nicht weißt
wer du bist,
woher du kommst
und wohin du gehst?
Ist alles verflogen
aus deiner Erinnerung?
Bist du ein Mensch
ohne Namen
und Sinn?
Das kann doch
nicht sein!
Wer bist du?
Du mußt dich nur
mühen und wollen,
daß du weißt,
wer du bist.
Du kommst nicht
irgendwo her!
Erinnere dich!
Du bist ein Mensch,
ein Ebenbild Gottes.
Bewahre dir Würde
und Achtung!
Geh durch dich
auf andere zu!
Heinz-Theo Bogers,
12.1.1998
Wolken
Wolkenlos der Himmel -
Blickst zu ihm hinauf.
Träumst von and’ren Welten
Die dich nehmen auf.
Wolken zieh’n am Himmel,
Dunkler wird der Tag.
Nur noch schwach die Sonne
Zu dir kommen mag.
Wolken ohne Himmel?!
Finster wie die Nacht,
Wird auch unser Leben,
Bis wir aufgewacht.
Wolkenlos der Himmel,
Kann nicht immer sein;
Denn zum Glück auf Erden
Braucht’s Regen - Sonnenschein.
Brich Wolken auf zum Himmel!
Sei selber Sonnenschein!
Dann werden Menschen Brüder,
Das ist uns Sinn und Sein.
Heinz-Theo Bogers, o.
D.