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Linssen, Dr. Helmut
Vom Ratsherrn zum Finanzminister | * 1942

Fot zeigt Dr. Helmut LinssenJahrelang war Dr. Helmut Linssen Vorzeigepolitiker der CDU in Kreis, NRW und Bund. Über seinen 70. Geburtstag 2012 hinaus war er ein gefragter Ratgeber. Im Februar 2014 holte ihn eine Affäre um Geldanlagen auf den Bahamas ein. Linssen musste einräumen, dort, später in Panama, Vermögen seiner Eltern geparkt zu haben. Linssen, schwer unter Druck geraten, verzichtete auf seine Ämter als CDU-Bundesschatzmeister und CDU-Kreisschatzmeister.

Der "Stern" hatte zuvor berichtet, dass der Politiker über 800.00 Mark (umgerechnet rund 424.000 Euro) bei der Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt in Luxemburg eingezahlt hatte; die Beträge seien zunächst zu einer Briefkastenfirma auf den Bahamas, später nach Panama, transferiert und anonym verwaltet worden. Zwar wies Linssen den Vorwurf, er habe Steuern hinterzogen, zurück (er habe lediglich versteuertes Geld angelegt), der Image-Schaden war allerdings immens.

Linssen erklärte, er habe seiner Mutter mit der Geldanlage einen Gefallen tun wollen. Nach dem Tod seiner Mutter 2004 hatte er das Trinkaus-Konto aufgelöst.

Linssen war bereits 2011 ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten, weil er auf einer "Steuer-CD" genannt war, die NRW im Jahr 2010 gekauft hatte. Ein Verfahren gegen ihn war allerdings eingestellt worden, da keine Steuerhinterziehung festgestellt worden war - vielleicht weil die Vorgänge verjährt waren.

Über Jahre hatte Linssen in der CDU als Mann für alle Fälle gegolten. Natürlich, so meinten viele, hätte er auch als Ministerpräsident in NRW einen guten Job gemacht. Jedenfalls ließ sich das aus dem Respekt ableiten, den er sich bei den Seinen und der Opposition auf dem Feuerstuhl des NRW-Finanzministers erarbeitet hatte. Helmut Linssen registrierte als "elder statesman" mit Vergnügen, dass er als Ratgeber und Ehrengast gefragter war denn je.

Ihm ist nichts geschenkt worden, nicht einmal eine sorgenfreie Zeit an der Schwelle vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Mit 19 stand er vor dem Problem, zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Bernd den plötzlich verstorbenen Vater als Chef eines beachtlichen Agrargroßhandels in Geldern ersetzen zu müssen. Nicht nur die wirtschaftliche Existenz von 70 Beschäftigten, sondern auch die der Linssen-Familie stand auf dem Spiel. Bernd Linssen bildete sich zum Mühlen-Ingenieur aus, Helmut Linssen studierte Groß- und Außenhandelslehre, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Mit 24 Jahren lernte Helmut Linssen während des Studiums in München seine spätere Frau Cathrin kennen. Zu Hause in Geldern managte er mit seinem Bruder das Familienunternehmen und entwickelte sich zu einem Experten für Pflanzenernährung und Pflanzenschutz. Von einer Parteimitgliedschaft wollte er damals nichts wissen.

1972, im Jahr des gescheiterten Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Willy Brandt, bezog Helmut Linssen engagiert Gegenposition zu Politikern, die die Wirtschaft immer stärker belasten wollten. Er trat in Geldern der CDU bei und ließ sich 1975 zu einer Ratskandidatur bewegen.

Helmut Linssen in Kevelaer
1986 in Kevelaer (v.l.): Vize-Landrat Gerd Jacobs, Landrat Hans Pickers, Dr. Helmut Linssen und Karl Dingermann.

Fünf Jahre danach klapperte er mit seinen Mitbewerbern Peter Roosen (Kevelaer) und Helmut Neersen (Issum) Gaststätten im Südkreis ab, wo die CDU-Mitglieder das Trio kennen lernen wollten, das sich um die Nominierung für die Landtagswahl bewarb. Es waren große Schuhe, die Dr. Jochen van Aerssen hinterlassen hatte: Sie passten Dr. Helmut Linssen.

Von da an ging's bergauf.

Helmut Linssen in Kevelaer
1987 in Kevelaer (v.l.): Gregor Vos, Dr. Helmut Linssen, Norbert Blüm und - r. - Richard Schulte Staade.

1987 übernahm Linssen unter Norbert Blüm den Job des Generalsekretärs der Landes-CDU, fusionierte mit Geschick die Landesverbände Westfalen-Lippe und Rheinland, setzte sich 1990 an die Spitze der CDU-Landtagsfraktion und erklomm als Mitglied des Bundesvorstands den parteipolitischen Olymp.

Wahlkampfbild 1995 mit Helmut Kohl
Dr. Helmut Linssen kämpfte gegen Johannes Rau um das Amt des Ministerpräsidenten. Das Bild zeigt den Herausforderer während einer Wahlkampfveranstaltung 1995 auf dem Gelderner Marktplatz (v.r.): Bürgermeister Paul Heßler, MdL Norbert Giltjes, MdL Helmut Linssen und Kanzler Helmut Kohl. Links: MdB Ronald Pofalla. Foto: Delia Evers

1984 der nächste Höhepunkt: Helmut Linssen, durch Urwahl seiner Partei beauftragt, trat gegen Johannes Rau an, um Ministerpräsident zu werden. Der Griff zur Macht misslang 1995, und die Partei versuchte es später (erfolgreich) mit Jürgen Rüttgers; für Linssen bedeutete das keinen Karriereknick. Als 1. Vizepräsident des Landtags machte sich der "Gelderner Mühlenbesitzer" (Helmut Kohl über Linssen) mit präsidialen Umgangsformen vertraut und wäre nicht ungern in diesem schönen Amt geblieben, wenn ihn Rüttgers nicht 2005 gerufen hätte.

Helmut Linssen, Martin Willing
1993 in Kevelaer auf einer Tagung der CDU-Frauenunion: Dr. Helmut Linssen und Martin Willing.

Linssen musste zurück in die Mühle politischer Schwerstarbeit, diesmal als Finanzminister, auf den zu wenige Einnahmen, zu viele Ausgaben, ausgedehnte Schulden und eine sterbende WestLB warteten. Er hatte also jede Chance, grandios zu scheitern, und tat, was nicht wirklich überraschte, genau das Gegenteil. Als Linssen im Sommer 2010 seine Papiere als Finanzminister abholte, hinterließ er ein ordentlich bestelltes Feld. Nahtlos übernahm er das Amt des CDU-Bundesschatzmeisters.

Im Dezember 2012 wurde Linssen Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung. Er sitzt im Aufsichtsrat der RAG Aktiengesellschaft und der RAG Deutsche Steinkohle AG.

Helmut Linssen in Kevelaer
Finanzminister Dr. Helmut Linssen 2007 beim Empfang zum 75. Geburtstag von Weihbischof  Heinrich Janssen im Petrus-Canisius-Haus zu Kevelaer (v.l.): Generalvikar Norbert Kleyboldt, Kevelaers Bürgermeister Dr. Axel Stibi und Dr. Helmut Linssen.

Nicht Legende, sondern leibhaftig sind Linssens Erfahrungen beim Ausmisten eines Schafstalls, denn irgendwo in Issum, wo selbst Hase und Igel sich einsam fühlen, blöken auf dem weitläufigen Refugium der Linssens tatsächlich einige Schafe, bei denen der Ex-Minister zuweilen seine pflegende Hand anlegt und dabei an liebe Zeitgenossen denkt, die in einem früheren Leben eben solche gewesen sein müssen.

Im wirklichen Leben begegnet er Menschen mit ungeteilter Achtung. Das wird sicher auch nach der "Anlagen-Affäre" so bleiben. Sein Herz schlägt zwar nicht links, aber sozialpolitisch am richtigen Fleck. Verantwortung für das eigene Schicksal zu übernehmen, war immer seine Forderung. Daher war sein Rücktritt von den Schatzmeisterämtern für ihn eine Zwangsläufigkeit - ein klarer Schritt nach einer überwiegend beispielhaften Karriere.