Bercker, Edmund
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Verleger in schwerer Zeit | * 1905 | † 1988
Da,
wo heute die
„Luxemburger Galerie"
steht, begann 1870 die Geschichte des Kevelaerer
Unternehmens Bercker.
Es zählte mit Verlag, Kunstwerkstätten, Schreinerei und dem (später
verkauften) graphischen Großbetrieb samt Setzerei, Druckerei und
Buchbinderei zu den bedeutendsten Arbeitgebern dieser Region. 1977
erfolgte die Aussiedlung an den Hoogeweg.
Als handwerkliche Buchbinderei von
Franz Hermann Bercker
gegründet, bildeten Gebetbücher und Bücher religiösen Inhalts die
Schwerpunkte der ersten Produktionsjahre.
Um für die Ledereinbände einen strapazierfähigeren Ersatz zu bekommen -
viele Bücher wurden nach Übersee exportiert -, verband Franz-Hermann
Bercker sich 1874 mit Hermann Butzon, einem Zelluloid-Hersteller.
Seitdem heißt der Verlag „Butzon & Bercker“, und dabei blieb es, obwohl
Berckers und Butzons Zusammenarbeit nur ein Jahr dauerte.
Der 1905 in Kevelaer geborene Verleger-Sohn Edmund musste, nachdem sein
Vater Franz-Hermann 1927 plötzlich verstorben war, unerwartet früh die
Geschäftsleitung übernehmen.
Seine Grundüberzeugungen deckten sich mit seiner beruflichen Profession.
Edmund Bercker, ein feinfühlender, bodenständiger Mensch, im
katholischen Glauben verwurzelt, empfand es als seine Bestimmung, Bücher
religiösen Inhalts herauszubringen.
Mit Standfestigkeit und mit Klugheit begegnete er den neuen Machthabern
im Staat, die den Verleger gängelten und zensierten. Als der Präsident
der Berliner Reichsschrifttumskammer zum Beispiel im Frühjahr 1937 eines
der vorgelegten Manuskripte zum Druck pauschal ablehnte, hakte Bercker
nach und bat doppelsinnig um Hinweise, wie er künftig Manuskripte zu
beurteilen habe. Die Antwort aus Berlin lautete:
„Ihre Bitte, Sie die beanstandeten Stellen im einzelnen wissen zu
lassen, damit Sie als Verleger ’von vorneherein Bücher nach diesen
Gesichtspunkten auch vom verlegerischen Standpunkt aus beurteilen
können’, hat mich außerordentlich in Erstaunen gesetzt. Wenn Sie,
nachdem Sie durch mich darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß das
Buch ‚Moderne Ehefragen‘ von Laros eine ausgesprochen staatsfeindliche
Haltung bekundet, nicht von selbst darauf kommen, welche Stellen als
staatsfeindlich anzusprechen sind, so muß ich daraus entnehmen, daß Sie
nicht in der Lage sind, als Verleger im nationalsozialistischen Staat
tätig zu sein. Ich empfehle Ihnen dringend, sich daraufhin nochmals mit
Ihrem Verlagswerk zu beschäftigen. Wenn Sie mir dann noch zugeben, nicht
in der Lage zu sein, die staatsfeindlichen Stellen herauszufinden, so
würden Sie mir dadurch die Möglichkeit geben, Ihre politische
Zuverlässigkeit und Eignung im Sinne des § 10 der Ersten Verordnung zur
Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1.11.33 (RGBl. I, S.
797) in Zweifel zu ziehen. Ihre Absicht, noch einen 2. und 3. Band
dieses Werkes zu veröffentlichen, scheint mir nach Ihren Ausführungen
hinfällig zu sein.“
Die existentielle Bedrohung war eindeutig.
Als 1938 ein anderer katholischer Verlag, der der Dominikaner, verboten
wurde, riskierten Edmund Bercker und der Berliner Rechtsanwalt Wirmer
einen Coup: Bercker gründete offiziell den Albertus-Magnus-Verlag,
führte ihn inoffiziell als Verlag der Dominikaner weiter und gab ihn
nach dem Krieg an den Orden zurück.
Verleger Edmund Bercker wurde 1941 zur Luftwaffe eingezogen und
verwundet; er kehrte nach Kriegsende wohlbehalten nach Kevelaer zurück.
Nach nur einem Tag in amerikanischer Gefangenschaft war er heimgeschickt
worden.
Der braune Spuk war vorbei, nicht aber die Not. Bercker druckte in
Kevelaer Lebensmittelkarten, bis 1949 seine Verlagslizenz erneuert
wurde. In den Jahren 1948 bis 1949 entwickelte er die berühmte „Berckers
Kleine Volksbibliothek“ - Wissensvermittlung auf 32 Seiten zu 25
Pfennigen (später 30), quasi die Antwort auf die „Reclam-Hefte“. Von
bildungshungrigen Lesern wurden die Mini-Werke verschlungen. Sie waren
längere Zeit wichtigste Informationsquelle über Kunst, Literatur und
Philosophie, Naturwissenschaft und Technik. Etwa 130 Nummern erschienen
in Millionenauflage. Mit dem Aufkommen der Taschenbücher musste die
Reihe eingestellt werden.
Edmund Bercker hatte 1949 mit Inkrafttreten seiner Verlagslizenz
schlechte Karten, denn längst ratterten bei der Konkurrenz, auch bei den
religiösen Verlagen, die Setz- und Druckmaschinen auf hohen Touren. Das
religiöse Verlagsprogramm, das das Gesicht und Gewicht des Verlags
ausmachte, konnte sich wegen des Vorsprungs der Mitbewerber nur langsam
entwickeln.
Parallel zu seinem aufreibenden Beruf ließ sich Edmund Bercker immer
wieder für Ehrenämter in die Pflicht nehmen. 1933 übernahm er den
Vorsitz über den Kevelaerer Männergesang-Verein, in den ersten Jahren
nach dem Krieg wirkte er im Ausschuss des Kreises Geldern mit, der in
Zusammenarbeit mit dem Versicherungsamt und den Krankenkassen
Streitfälle zu entscheiden hatte - eine sozial sehr wichtige, aber
undankbare Aufgabe. Als Vertreter der Schulpflegschaft engagierte sich
Bercker Anfang der 50er-Jahre zusammen mit
Dr. Paul Lingens,
Bürgermeister
Peter Plümpe,
Stadtdirektor
Fritz Holtmann
und Dechant
Heinrich Maria Janssen
für den Ausbau der
Höheren Schule
zu einem sechsklassigen Progymnasium (bis Klasse 10, mittlere Reife) mit
entsprechendem Neubau.
Für den katholischen Verlag bedeutete das Zweite Vatikanische Konzil mit
seinen tiefgreifenden Veränderungen eine neue Bewährungsprobe. Anfang
der 60er-Jahre reiste der Kevelaerer Verleger mehrmals nach Rom,
informierte sich aus erster Hand und leitete mit zusätzlichen Autoren
und konzilsgerechtem Buchprogramm eine neue Epoche des Verlags ein.
Von seinen drei Kindern bereitete Edmund Bercker, seine eigene Erfahrung
nicht vergessend, die Söhne
Klaus und Edmund behutsam auf die Firmenleitung vor. Er ersparte
ihnen sein Schicksal, extrem früh mit der ganzen Verantwortung für einen
großen mittelständischen Betrieb beladen zu werden.
Viele Jahre gemeinsamer Unternehmensführung zogen ins Land, bevor sich
Edmund Bercker aus der Firmenleitung ganz herauszog. Im Oktober 1984
zeichnete ihn der Papst mit dem Silvesterorden für Verdienste um
christliche Literatur aus. Der damalige Generalvikar und spätere
Weihbischof
Heinrich Janssen
aus Münster übergab die Auszeichnung in Kevelaer.
Generalvikar Heinrich Janssen überreichte Edmund Bercker 1984 im
Beisein von Frau Hildegard den Silvesterorden.
In der Nacht zum 2. Advent des Jahres 1988 starb Edmund Bercker (83) in
seinem Refugium an der Johannesstraße. Seine Frau
Hildegard überlebte
ihn um fast zehn Jahre.