Logo für Blattus Martini



Logo für Buchstaben A Logo für Buchstaben B Logo für den Buchstaben c Logo für den Buchstaben d Logo für den Buchstaben e Logo für den Buchstaben f Logo für den Buchstaben g Logo für den Buchstaben h Logo für den Buchstaben i Logo für den Buchstaben j Logo für den Buchstaben k Logo für den Buchstaben l Logo für den Buchstaben m
    SACHBEGRIFFE |
Kleuren-Schryvers, Dr. Elke

Initiatorin der Afrika-Hilfe Aktion pro Humanität | * 1959

Dr. Elke Kleuren-SchryversDie kleine Elke Kleuren wächst in den 1960er-Jahren in Kellen als Einzelkind auf und geht dort zur Schule. Ihr Elternhaus ist ausgesprochen gläubig und fördert Elkes Sozialverantwortung von Kindesbeinen an. Gleichzeitig behüten, sichern und schützen ihre Eltern das Mädchen und die junge Frau, und sogar als später die fast 30-jährige Ärztin mit ihrem Benin-Projekt beginnt, das sie am ganzen Niederrhein bekannt machen wird, zeigen die Eltern ihre liebevolle Besorgnis um die Tochter.

1978 macht Elke ihr Abitur und studiert Medizin in Düsseldorf. Nach dem vorgeschriebenen praktischen Jahr in Krankenhäusern in Duisburg und Kleve bildet sie sich bei niedergelassenen Ärzten im internistischen und chirurgischen Bereich weiter. „Das war eine tolle Zeit“, sagt sie später.

Elke Kleuren, die angehende Ärztin, und die Menschen im Dorf Kervenheim, wo sie später praktizieren wird, wissen noch nichts voneinander. Seit den 1970er-Jahren kämpfen die Kervenheimer um die Niederlassung eines Arztes - lange Zeit ohne Erfolg. Als sich hier 1981 der seit 15 Jahren in der Bundesrepublik lebende indonesische Mediziner Dr. Sunbien Ho als praktischer Arzt niederlassen will, scheitert das am Formalismus: Der Mann, am Rheinberger Krankenhaus als Gynäkologe beschäftigt, ist 15 Monate jünger als das vorgeschriebene Mindestalter von 35. Erst dann darf er eingebürgert werden. Aber ohne Einbürgerung ist er darauf angewiesen, dass der Regierungspräsident einer Zulassung zum frei praktizierenden Arzt zustimmt. Und das tut er nicht: „... aus entwicklungspolitischen Gründen“.

Die Kevelaerer Ratsfraktionen schalten sich auf Anregung von Ortsvorsteher > Theo Kothes mit einer Resolution an den Regierungspräsidenten ein: „Der Rat befürwortet die Bewerbung des Herrn Dr. Sunbien Ho und begrüßt dessen Bereitschaft, sich in Kervenheim als praktischer Arzt niederzulassen“. Dringend wird an die zuständigen Landesminister und vor allem an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf appelliert, das Einbürgerungsgesuch und das Approbationsverfahren für Dr. Ho beschleunigt zu erledigen und positiv zu bescheiden - vergebens.

Sieben Jahre später kommt den Kervenheimern ein Zufall zu Hilfe. Dr. med. Elke Kleuren ist 29 Jahre alt, als sie beschließt, sich als Allgemeinärztin niederzulassen und eine eigene Praxis zu betreiben. Ihre Wahl fällt auf den „weißen Fleck“ im Kreis Kleve, auf Kervenheim.

Während sich ihre neue Arztpraxis entwickelt, lässt sich Elke Kleuren, die den Gocher Unternehmer Herbert Schryvers heiratet, von der unvorstellbaren Not in Afrika anrühren. Grauenhafte Bilder aus Somalia gehen um die Welt. Sie lassen die junge Ärztin nicht mehr los. Schon während des Medizinstudiums hat sie mit dem Gedanken gespielt, für ein Krankenhauspraktikum in die südafrikanischen Homelands zu gehen, wo die armen Farbigen leben. Doch das hat sich zerschlagen.

Elke Kleuren-Schryvers bekommt auf dem Höhepunkt der Somalia-Katastrophe Kontakt zu Christel und Rupert Neudeck von Cap Anamur. Sie engagiert sich im Komitee Cap Anamur, das Soforthilfe für Somalia leisten will. Die Kervenheimerin trommelt, unterstützt von ihrem Mann, Spenden zusammen und kann im Herbst 1992 Dr. Christel Neudeck vom Komitee Cap Anamur 50.000 Mark überreichen.

Herbert Schryvers und Elke Kleuren-Schryvers
Herbert Schryvers und seine Frau Elke mit Gästen aus Afrika.

Auf Initiative von Herbert Schryvers, der auch mit Einbauküchen handelt, legt eine Vereinigung von Küchenhändlern noch 25.000 Mark drauf. Zum Abschluss der erfolgreichen Aktion, der ersten von Elke Kleuren-Schryvers, wird im > Kevelaerer Bühnenhaus ein Benefizkonzert gegeben, bei dem nicht nur Elke Kleuren-Schryvers und Christel Neudeck strahlen: Volles Haus und tolles Programm. Insgesamt bringt die Initiative der Kervenheimerin über 110.000 Mark für Somalia zusammen.

Mit dieser Nothilfe für Somalia wird in der Kervenheimer Ärztin das Bedürfnis geweckt, etwas Grundsätzliches und Dauerhaftes für arme Menschen in Afrika zu leisten. Den letzten Anstoß bekommt sie beim Lesen eines Spiegel-Berichts über Benin. Ihr ist klar, dass auch in ihrem Heimatland nicht alles zum Besten steht, aber in Afrika geht es um die nackte Existenz - um Leben oder Tod. „In Deutschland verhungert niemand! In Afrika habe ich Menschen verhungern sehen. Das geht tief. Das vergisst man nicht“, sagt die Ärztin.

Noch unter der Flagge von Cap Anamur, das eigentlich auf Sofortmaßnahmen im Katastrophenfall spezialisiert ist, nimmt sie 1993 das westafrikanische Land Benin in den Blick. Es ist eines der ärmsten Länder dieser Erde. Dort will die Ärztin eine Krankenstation aufbauen - ein abenteuerlicher Gedanke, der fern jeder Realität zu sein scheint, denn wie soll von Kervenheim aus - Elke Kleuren-Schryvers will ja ihre Zelte in Kervenheim nicht abbrechen - eine Station im Busch von Benin organisiert werden? Und woher soll das viele Geld kommen?

Bekannte von Elke Kleuren-Schryvers, die von ihren Plänen erfahren, fassen sich an den Kopf. Dort in Afrika verhungern Hunderttausende, was kann die Kervenheimerin da bewirken, was mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist? „Mir haben Freunde gesagt, du kannst die Welt nicht verbessern. Nein, das kann ich wirklich nicht. Aber ich kann versuchen, in einem kleinen Umfeld etwas zu erreichen und dafür mein Bestes zu geben.“

Die Ärztin rührt wie ein Profi die Werbetrommel am unteren Niederrhein. Die Menschen lassen sich von dem Elan anstecken und spenden, bis im Herbst 1993 rund 300.000 Mark auf dem Konto liegen. Elke und ihr Mann Herbert fliegen nach Benin und legen sich fest: In der Ortschaft Gohomè soll die Krankenstation aufgebaut werden. Sie soll die medizinische Basisversorgung für rund 20.000 Menschen sicherstellen.

Die deutsche Öffentlichkeit erfährt nicht viel davon, wieviel Arbeit das Ehepaar in die Entstehungsphase investieren muss. Ende März 1995 steht der Rohbau. Zeitgleich werden Einrichtungsgegenstände, Medikamente und ein vom Kevelaerer Opel-Händler Josef Maassen gestifteter und besonders ausgestatteter Geländewagen verschifft. Elke Kleuren-Schryvers kann die Benin-erfahrene Kinderkrankenschwester Anne Bauer gewinnen; die Fachkraft erhält für ihren Einsatz vor Ort einen Arbeitsvertrag für sechs Monate.

Aus einem behütenden Elternhaus kommend, legt Elke Kleuren-Schryvers zunehmend eigene Ängste ab. Sie steht zusammen mit ihrem Mann bei Benin-Aufenthalten auch gefährliche Situationen durch, zum Beispiel bei Straßensperren. Einmal werden ihnen Maschinenpistolen unter die Nase gehalten, weil jemand aus der deutschen Gruppe aus Versehen einen Soldaten fotografiert hat. Ihr Mann Herbert, als Unternehmer risikobewusst und flexibel, verhilft ihr zu mehr Sicherheit im Auftreten. „Wir haben alle Reisen nach Benin gemeinsam gemacht und uns gegenseitig geschützt und gestützt. Ich wurde agiler, beweglicher, selbstständiger, selbstsicherer“, sagt sie später in einem KB-Gespräch.

Derweil „klappert“ die Ärztin aus Leidenschaft in ihrer Heimat unermüdlich für ihre Vision. Sie organisiert für April 1995 ein Afrika-Forum in Kevelaer („Gerechtere Weltordnung im neuen Jahrtausend?“) und hält die Sensibilität der Öffentlichkeit für ihr Anliegen wach. Im September schickt sie an zahlreiche Empfänger einen Brief:

Die Cap Anamur-Krankenstation in Benin wird in diesen Tagen fertiggestellt; das Centre Medical Gohomè wird jetzt seine Arbeit aufnehmen! In wenigen Tagen werden wir selbst wieder nach Benin fliegen, um in Gohomè alles in Augenschein zu nehmen und sicher noch bei vielen Dingen Hand mit anzulegen und vor allem noch viele organisatorische Probleme zu lösen. (...) Anne Bauer, unsere starke und unermüdliche Projektfrau vor Ort, der beninische Arzt Dr. Houiley und das gesamte beninische Team stehen unmittelbar vor der Aufnahme ihrer medizinischen Arbeit in Gohomè.

Elke Kleuren-Schryvers bietet in dem Brief kostbare Kunstdrucke zum Kauf an, außerdem - mit gleichen Motiven - Weihnachts-/Neujahrs-Briefkarten - alles „Bausteine“ für Benin. Die Fotografien der Drucke und Karten stammen von Harlan Ross Feltus, dem Vater von Barbara Becker und Schwiegervater von Boris Becker. Und dann beginnt die Krankenstation tatsächlich zu arbeiten! Am 18. September 1995 versorgt sie die ersten Patienten. Die Ärztin schreibt nach ihrer Rückkehr aus Benin:

Als wir morgens in Gohomè an der Krankenstation eintrafen, trauten wir unseren Augen kaum. Auf dem noch gar nicht bearbeiteten Außengelände der Krankenstation tummelten sich seit 7 Uhr in der Frühe mehrere hundert Menschen, vornehmlich Frauen mit ihren Kindern.

Es ist ein tief berührender Augenblick, als Elke und ihr Mann, nun schon zum achten Mal in Benin, mit eigenen Augen sehen, wie sehr ihre Krankenstation gebraucht und von der einheimischen Bevölkerung angenommen wird.

Unser beninisch-deutsches Team, bestehend aus zwei Ärzten sowie Krankenschwestern und -pflegern, schaffte an diesem ersten Tag ohne Pause.

Bis zum 1. Oktober 1995 behandelt das beninische Team unter Leitung von Anne Bauer ambulant. Das Team der Krankenstation - vom Pförtner und Wächter über Putzfrauen, Techniker, Krankenpfleger und Hebamme bis zum Arzt - ist komplett. Der operative beziehungsweise stationäre Betrieb wird 1996 aufgenommen. Dann erst ist auch die Wasser- und Stromversorgung gesichert; bis dahin rattert der hauseigene Stromgenerator. Fünf junge Männer, kurzfristig eingestellt, graben einen Wasserbrunnen.

Die Krankenstation will mit ambulanter Behandlung einen Bereich abdecken, in dem etwa 20.000 Menschen in einem Umkreis von etwa zehn Kilometern leben. Für stationäre und operative Behandlung - ab 1996 - umfasst das Versorgungsgebiet sogar 70.000 Menschen. Die Kervenheimer Ärztin gesteht später in einem Brief ein, dass sie die hervorragenden Leistungen des Beniner Teams so nicht erwartet habe. „Sicher war dies ein unbewusstes Vorurteil von mir“. Um so glücklicher ist sie darüber, wie professionell in der Station gearbeitet wird.

Anfang 1996 wird auch mit dem Bau von zwei dreiklassigen Schulen in Gohomè und Adjintime begonnen. Direkt neben der Krankenstation wird später auch ein Waisenhaus errichtet. Dafür hat die Gemeinde Gohomè bereits ein großes Grundstück in der Nachbarschaft der Krankenstation zur Verfügung gestellt. Das Waisenhaus soll zunächst etwa 20 Kinder aufnehmen.

Die Menschen in der Heimat von Elke Kleuren-Schryvers nehmen nach wie vor herzlichen Anteil an den Projekten. Zur Kirmes in Winnekendonk - im Juni 1996 - inszeniert der > Heimatverein Ons Derp im Zelt auf dem neuen Markt ein Konzert mit Imitatoren bekannter Schlagersänger, gesponsert von örtlichen Unternehmen. Jede Eintrittskarte nimmt an einer Verlosung teil, bei der es Reisen zu gewinnen gibt - ebenfalls von Kevelaerer Firmen gestiftet.

Die Hilfsbereitschaft - hier der Winnekendonker - ist keine Einbahnstraße. Als Herbert Schryvers im August 1996 im Kevelaerer Blatt liest, dass > Sophie Willems händeringend um Geldspenden bittet, weil sie sonst den Transport von Rollstuhlfahrern aus dem Kreis Kleve für das jährliche Blumenfest der Kranken und Behinderten in Winnekendonk nicht bezahlen kann, übernimmt der Geschäftsmann die Beförderung der Rollstuhlfahrer auf seine Kosten.

Zur Konzeption von Elke und Herbert Schryvers gehört der Plan, dass sich die Krankenstation bald selbst tragen soll. Deshalb werden die ärztlichen Leistungen nicht kostenlos erbracht. Eine stationäre Unterbringung, egal wie lang sie dauert, kostet für Kinder umgerechnet 3 Mark, für Erwachsene 4,50 Mark. Die ambulante Konsultation eines Krankenpflegers muss mit dem Gegenwert von 30 Pfennig bezahlt werden, der Projektarzt kostet 90 Pfennig je Konsultation. Für eine wiederkehrende Wundbehandlung oder einen öfter notwendig werdenden Verbandswechsel werden umgerechnet 15 Pfennig verlangt.

Und weiter schlagen die Busch- und Werbetrommeln: Ende August 1997 richten Elke Kleuren-Schryvers und Benin-Freunde das erste Afrika-Festival am Niederrhein auf dem > Kalkarer Ex-Brütergelände (> „Kernwasser-Wunderland“) aus. Vieles, was Afrika musikalisch, folkloristisch oder lukullisch „drauf hat“, wird in Kalkar aufgefahren. Was unterm Strich erlöst wird, dient dem Krankenhausprojekt.

Elke Kleuren-Schryvers
Im Januar 1998 wurde der Kervenheimer Ärztin im Kleinen Sitzungssaal des Rathauses Kevelaer der ihr verliehene Kaslkarer Ochsenorden überreicht. Rechts neben Dr. Elke Kleuren-Schryvers: ihr Mann Herbert Schryvers (†).

Das unermüdliche Engagement der Kervenheimerin bleibt auch in ihrer Heimat nicht ohne Folgen. 1998 wird der Ärztin der Kalkarer Ochsenorden verliehen. Nach > Änne Kasper (1989) trägt zum zweiten Mal eine Kevelaererin diese besondere Ehrung für mitmenschliches Engagement. Den Einheimischen, die sie auszeichnen, erzählt Elke Kleuren-Schryvers bei einer kleinen Feier im Kevelaerer Rathaus von den Menschen in Benin, von denen kaum jemand älter als 50 Jahre wird. Dort ist es ein Glücksfall für Eltern, wenn ihr Kind seinen fünften Geburtstag feiern kann. Stirbt eine Mutter, werden die Kinder häufig ausgesetzt, weil kein Geld vorhanden ist, um Babynahrung zu kaufen.

Kevelaers Bürgermeister > Dr. Friedrich Börgers („Sie haben so unglaublich viel getan“) und Kalkars Bürgermeister Karl-Ludwig van Dornick („Ich bin beeindruckt von der Vehemenz, Beharrlichkeit und von dem Enthusiasmus“) danken der Ärztin. Später erzählt Elke Kleuren-Schryvers die bewegende Geschichte des kleinen Marcelin. Als der Halbwaise in die Krankenstation von Benin gebracht wird - Elke Kleuren-Schryvers und ihr Mann sind gerade da -, wiegt der Junge, sechs Monate alt, 2500 Gramm. Seine Pflegemutter, die ihn nicht stillen kann, ist mit ihm kilometerweit durch die Sonne bis zu der Station gelaufen. Fast tot und völlig ausgetrocknet versucht der Junge, die Hände an die Brust geklammert, ihr einen Tropfen abzugewinnen. Marcelin wird sofort in die Krankenstation aufgenommen. Nach geraumer Zeit wiegt er annähernd fünf Kilogramm, und sein gesundheitlicher Zustand stabilisiert sich nach vielen Krisen.

Elke Kleuren-Schryvers entwickelt sich weiter, indem sie die krassen Gegensätze in Afrika und in Deutschland erlebt. In Benin praktiziert der Arzt Überlebens-Medizin, hier ist Elke Kleuren-Schryvers als Kassenärztin in eine Wohlfahrtsmedizin eingebunden. „In Benin käme niemand auf die Idee, wegen einer Bagatellgeschichte einen Arzt aufzusuchen. Dort verlassen sich die Menschen auf bewährte Hausmittel und ihre Selbstheilungskräfte. Um es krass zu sagen: Hier habe ich in meiner Praxis schon eine Mutter gesehen, die kam, weil ihr Kind drei Mückenstiche hatte. Wir müssen aufhören zu jammern.“

Dr. Elke Kleuren-Schryvers
Dr. Elke Kleuren-Schryvers in Kevelaer mit Gästen und Bürgermeister Dr. Friedrich Börgers (1994).

Ihr Engagement für Benin wirkt sich tief auf ihr Privatleben aus. „Möchten Sie Kinder haben?“ wird sie 1998 in einem KB-Gespräch gefragt - da ist die Ärztin 38 Jahre alt. „Das war eine wichtige Frage für meinen Mann und mich“, antwortet sie. „Aber alles zusammen geht nicht. Der Spannungskonflikt zwischen den Anforderungen wäre zu groß gewesen. Ein Kind hätte darunter gelitten. Wir haben auch daran gedacht, ein afrikanisches Kind zu adoptieren. Aber das hätte die Situation verschärft, weil ein solches Kind noch mehr Aufmerksamkeit gebraucht hätte.“

Es sind die Kinder, die es ihr besonders angetan haben. Als Elke Kleuren-Schryvers bei ihrem vierten oder fünften Besuch Benins die nähere Umgebung ihrer Krankenstation in Gohomè erkundet und mit einem Wagen in den Busch fährt, kommt sie nach etwa 15 Kilometern Fahrt über eine „Wellblechpiste“ in Ayoumi an, wo ein Waisenhaus steht. Sie sieht einen kleinen traurigen und trostlosen Haufen von Mädchen und Jungen. Zwei Kinder sind dem Verhungern nahe, auch die anderen befinden sich in einem erbarmungswürdigen Zustand.

Noch am selben Tag fährt die Ärztin in die beninische Hauptstadt Cotonou zu einem befreundeten Afrikaner, der beim Aufbau der Krankenstation unersätzlich gewesen ist. Sie berichtet ihm schockiert von ihren Erlebnissen. Akin Fatoyinbo will sie beruhigen: In Benin gebe es unterernährte und mangelernährte Kinder, aber keine verhungernden. Doch die Schilderungen sind so eindringlich, dass sie auf dem Mitternachtsmarkt in der Großstadt noch säckeweise Reis und Mehl kaufen und am nächsten Tag zu dem Waisenhaus bringen. Als Akin, der Beniner, die Zustände sieht, muss er beiseite gehen, um sich zu fassen. Sie lassen die Lebensmittel vor Ort und nehmen die beiden Kinder, die am schlimmsten betroffen sind, mit auf die Krankenstation. Sie haben noch Hoffnung, ihnen helfen zu können. Doch beide Kinder sterben.

Das ist für Elke Kleuren-Schryvers das Schlüsselerlebnis, um neben Krankenstation und Schule den Bau eines Waisenhauses voranzutreiben, das sie und Hunderte von Bewohnern aus den umliegenden Dörfern während einer späteren Expedition im Februar 1999 mit einem Volksfest unter der Schirmherrschaft von Oberkreisdirektor > Rudolf Kersting fröhlich einweihen. Aus dem verarmten Waisenhaus im Busch von Ayoumi stammt auch Clementine, eine schwarze Frau, die dort ehrenamtlich geholfen hat. Heute arbeitet und lebt sie in der Station Gohomè - auch als Ziehmutter für die kleine Nongan Julienne, die im Frühjahr 1999 ihren zweiten Geburtstag feiert - ohne ihre Zwillingsschwester Nondi Juliette, für die auch die beste Pflege in der Station zu spät kommt. Nongan aber schafft es. Clementine versorgt die Kleine wie ein eigenes Kind. Nongan kann bisher ihre Beine nicht gebrauchen, doch jetzt zeigt sie erste Impulse zu krabbeln. Ihre tote Zwillingsschwester lebt in einer uralten Beniner Tradition weiter: An ihrer Stelle badet und ernährt Clementine symbolisch ein Holzpüppchen.

Ende 1998 tritt die Abnabelung von Cap Anamur ein. Für die Freunde und Förderer des humanitären Projektes in dem afrikanischen Land ändert sich durch den neuen Namen > Aktion pro Humanität nichts. Nach mehr als fünf Jahren unter der Fahne von Cap Anamur wird die Aktion selbstständig. Cap Anamur betreibt in erster Linie Katastrophenhilfe, „Benin“ ist jedoch eine Entwicklungsaufgabe auf lange Sicht.

„Für mich waren Christel und Rupert Neudeck die ‘Zieheltern’ meiner humanitären Arbeit für Benin“, sagt Elke Kleuren-Schryvers, die den Neudecks herzlich dafür dankt, dass sie das Experiment mit der Sektion Niederrhein - als solche firmierte bisher die Benin-Aktion der Kervenheimerin und ihrer Mitstreiter - gewagt und mit all ihrer Erfahrung und Unterstützung begleitet haben.

Die nun eigenständige Organisation mit dem neuen Namen Aktion pro Humanität behält ihren Sitz in der Wallstraße 4 in Kervenheim, dort wo die Ärztin wohnt und arbeitet. Zusammen mit Bernd Vos, einem Unternehmer aus Wetten, leitet Elke Kleuren-Schryvers in dieser Zeit die Aktion pro Humanität und führt das Benin-Projekt in seinen zweiten Lebensabschnitt, unterstützt durch Gisela Franzen, Erich Derricks jr. und weitere Vorstandsmitglieder.

Eine Weihnachtsgala Ende 1998 im Uedemer Bürgerhaus und ein spektakuläres Konzert im April 1999, bei dem Justus Frantz und die „Philharmonie der Nationen“ in der Kevelaerer Marienbasilika musizieren, helfen bei der Finanzierung der humanitären Arbeit in Benin. Für Ende Januar 2001 wird eine Charity-Gala der Aktion pro Humanität in Twistedens Plantaria vorbereitet, bei der es um das selbe Ziel geht: Sensibilisierung für die Aufgabe, die auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung am Niederrhein angewiesen bleibt.

In zwei, drei Jahren könnte das „Centre Medical Gohomè“ auf eigenen Füßen stehen, denn inzwischen finanzieren sich Löhne, Medikamente und Gebrauchsmaterialien zu 70 Prozent aus den eigenen Umsätzen. 29 beninische Mitarbeiter mit einem Gesamt-Jahreslohn von 55.000 Mark sind beschäftigt. 40 Betten stehen zur Verfügung, und die Zahl der ambulanten Patienten steigt. Je nach Jahreszeit werden 400 bis 800 Patienten im Monat betreut - vor allem, mit viruellen und bakteriellen Erkrankungen des Magen- und Darmtraktes, die für Kinder häufig tödlich enden.

Die Apotheke des „Centre Medical“ ist mit WHO-Medikamenten ausgestattet, lässt aber auch naturmedizinische Mittel zu. Das Labor ermöglicht die direkte Blutspende, die auf Aids-Erreger und Hepatitis untersucht wird. 500 bis 600 Mal wird im Monat geimpft. Die UNICEF hat die Impfstoffe und einen Kühlschrank für die optimale Lagerung zur Verfügung gestellt.

„Das beninische Gesundheitsministerium stufte unsere Krankenstation als die beste und erfolgreichste ein und ernannte sie zum ‘Vorzeigeobjekt’ für staatliche Einrichtungen”, freut sich Elke Kleuren-Schryvers. Das Waisenhaus aber kann nie „rentabel“ werden; es braucht noch lange die Spenden hilfsbereiter Menschen vom Niederrhein.

Das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen die Kräfte vor Ort, in dem sie nicht darauf warten, dass die Menschen zu ihnen kommen: Sie gehen in die Dörfer, gründen Frauengruppen, die sich regelmäßig treffen, und betreiben Altenpflege. Der Landfunk „Radio Lalo“ bringt einmal wöchentlich eine Sendung zum Thema Gesundheit. Weiteres Standbein der Entwicklungshilfe in Benin ist heute das Waisenhausprojekt „Jardin des Enfants“, der „Garten der Kinder“, in dem speziell behinderte Kinder und (Aids)-Waisen ein Zuhause finden. Auch werden bedürftige Kinder in ihren Familien betreut. Geplant ist die Einrichtung eines „Schulhilfeprojektes“, denn das Schulgeld von umgerechnet drei Mark pro Kind und Schuljahr können viele Eltern nicht aufbringen. Weiterhin sollen neue fachärztliche Schwerpunkte gelegt werden. Zum Informationsaustausch knüpfen die Aktiven erste Kontakte zur „Christoffel Blindenmission“ in Kamerun.

„Ein gemütliches Zurücklegen ob des Erfolges darf es nicht geben. Wir suchen nach wie vor neue Mitarbeiter und sind dankbar für jede Spende“, sagt Elke Kleuren-Schryvers. „Es lässt sich auch in Afrika mit Geduld, Beständigkeit und Liebe zu den Menschen viel bewegen!“

Ihr Einsatz bewegt auch die Menschen in ihrem Heimatkreis Kleve. Als zum 25. Geburtstag des Kreises Kleve aus allen 16 Städten und Gemeinden je ein Bürger ausgewählt wird, um für besonderes bürgerschaftliches Engagement mit der Ehrengabe des Kreises ausgezeichnet zu werden, gehört Elke Kleuren-Schryvers zu den Geehrten, die Ende August 2000 in der Stadthalle Kleve die Auszeichnung in Empfang nehmen.

Inzwischen sichert eine Stiftung das Hilfswerk ab und garantiert Kontinuität. Das erste Stiftungskapital bringt eine Stifterin aus Kerken auf. Die im Jahr 2002 ins Leben gerufene „Stiftung Aktion pro Humanität“ hat ihren Sitz in Kevelaer. Zweck der Stiftung sind u.a. die Förderung der Entwicklungshilfe und die Beschaffung von Mitteln zur Förderung der Entwicklungshilfe.

2002 arbeiten im Vorstand der Stiftung als Vorstandsvorsitzender Heinz „Reno“ Franzen, Kervenheim, und Ernst Müller, Düsseldorf. Im Kuratorium sind zu dieser Zeit tätig als Kuratoriumsvorsitzender Landrat Rudolf Kersting, Kleve, als Stellvertreterin Gertrud Peters, Kerken, Sigrid Baum, Straelen, Dr. Barbara Hendricks, Kleve, Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Kervenheim, Prof. Dr. Rainer Körfer, Bad Oeynhausen, Dipl. Ing. Bernd Vos, Wetten, und Bernd Zevens, Kleve.

2006 wird Elke Kleuren-Schryvers in Kleve mit der Johanna-Sebus-Medaille geehrt. Es ist das Jahr, in dem ihr Mann Herbert stirbt.

Für Elke Kleuren-Schryvers, die unermüdliche Ärztin, bringt das Jahr 2010 einen weiteren tiefen Einschnitt. Sie muss aus gesundheitlichen Gründen ihre 22 Jahre zuvor gegründete Hausarztpraxis in Kervenheim aufgeben. Kraft und Stärke, solche Schicksalsschläge anzunehmen, findet sie an den marianischen Gnadenstätten in Kevelaer, Lourdes und Dassa in Afrika.

Zum 20-jährigen Bestehen der Afrika-Hilfe, die sich Aktion pro Humanität nennt, kommt im August 2012  Dr. Rupert Neudeck nach Kevelaer. Er spricht in der Klosterkirche der Klarissenschwestern über „Die neue Kirche - Und Ihr werdet das Antlitz der Erde erneuern“.

Darum bemühen sich Elke Kleuren-Schryvers in der geistigen Nachfolge von Albert Schweitzer und ihre Helfer der Aktion pro Humanität an ihren Einsatzorten in Afrika jeden Tag.


© Martin Willing 2012, 2013