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Schneller Brüter Kalkar

Entwickelt ab 1972

Planskizze Schneller Brüter
Planskizze des Atomkraftwerks Kalkar-Hönnepel.

Was Hunderttausende Demonstranten in Kalkar über die Jahre nicht schafften, besorgte der Super-GAU im fernen Tschernobyl: Der Schnelle Brüter starb, ehe er ans Netz gehen konnte.

Im Januar 1972 begann das Großprojekt Kalkar mit der Gründung der Schnell-Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft mbH in Essen. Sie hatte die Aufgabe, in Kalkar den Prototyp eines natrium-gekühlten Schnellen Brutreaktors zu errichten und zu betreiben.

Wer heute über das Gelände in Kalkar-Hönnepel schreitet, setzt seine Füße mit Ehrfurcht: Er tritt auf dem teuersten Flachland der Republik herum. Jeder Quadratmeter hat den Steuerzahler 25.000 DM gekostet. Kalkar war mit über fünf Milliarden Mark die größte Einzelruine der Republik.

Eigentlich hätte nichts schief laufen können: Die mächtigsten Stromversorger Deutschlands, Belgiens und der Niederlande machten sich im Schulterschluss ans Werk. Im Etat war gut eine Milliarde D-Mark gebunkert: So viel sollte der Brüter kosten. Dass er fünf Mal so teuer werden und nie ans Netz gehen würde, konnten sich die Manager damals nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen vorstellen.

Im April 1973 erfolgte das, was man einen ersten Spatenstich nennt. In 19 Teilgenehmigungen und gegen massenhafte Demonstrationen wurde die größte Einzelbaustelle in der Bundesrepublik scheibchenweise vorangetrieben - fast 15 Jahre lang.

Bis sich im April 1986 Tschernobyl ereignete. Die Kernschmelze an der Grenze zu Weißrussland beschleunigte den Erkenntnisprozess, dass der für Kalkar geplante Brüter - von seinem fragwürdigen Nutzen abgesehen - in Deutschland nicht einsetzbar war.

Im März 1991 stiegen Bundesregierung und Betreiber-Gesellschaften aus dieser Technologie aus und hinterließen Knall auf Fall die teuerste und jungfräulichste Wirtschaftsruine aller Zeiten: Der praktisch fertig gestellte Brüter wurde stillgelegt, kurz bevor er zum ersten Mal strahlen konnte.

Die Lokalpolitiker von Kalkar gingen auf die Palme: 400 Arbeitsplätze weg und dazu noch eine Riesen-Hypothek mit dem schier unverkäuflichen Klotz am Bein. Kalkars Bürgermeister Karl-Ludwig van Dornick jammerte damals: „Wir fühlen uns vorn und hinten betrogen. Ein internationales Unternehmen wie die RWE kann sich nicht so einfach fortstehlen.“ Und: „Jetzt geht die Kiste zu Bruch, und wir sind Pleite.“

Der Bürgermeister sah Kalkar schon beteiligt an den befürchteten Abrisskosten von rund 250 Millionen Mark.

Der Staat ließ die Region allerdings nicht hängen, sondern pumpte noch einmal fast 140 Millionen DM in Projekte, um die Infrastruktur zwischen Rhein und Niers aufzumöbeln.

Schneller Brüter Kalkar
Der berüchtigte Betonzaun und Wassergraben zum Schutz des Schnellen Brüters in Kalkar vor den Atomkraftgegnern, die gegen dass Kernkraftwerk demonstrierten.

Dann wurde die Ruine als Sonderangebot verscherbelt. Der seinerzeit 44-jährige Niederländer Henny van der Most bekam den Zuschlag für sein „Kernwasserwunderland“, eine Freizeitanlage mit Hotels und Attraktionen.

Der Kaufvertrag wurde Anfang November 1995 unterzeichnet. Etwa drei Millionen soll der Käufer hingeblättert haben - kaum mehr als 0,06 Prozent der Erstehungskosten.

Im April 1996 war von der Most endgültig Eigentümer des verhinderten Schnellen Brüters von Kalkar.

© Martin Willing 2012, 2013