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INHALTSVERZEICHNIS

MARTIN WILLING

Johannes Paul II. und Mutter Teresa (1)

1987: Papst und Mutter Teresa zu Besuch in Kevelaer

Papst in KevelaerDas Kevelaerer Blatt hatte in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre ein paar Krisen hinter sich und einige noch vor sich. Aber 1987 war das Jahr mit der größten Anforderung an das KB und seine Mannschaft: Die kleine Zeitung trat, unfreiwillig, in direkte Konkurrenz zu den großen deutschen Blättern und dem Fernsehen.

Papst Johannes Paul II. am 2. Mai 1987 vor dem Gnadenbild der Trösterin der Betrübten in Kevelaer.
Foto aus: Kevelaer - Europa des Glaubens,
> Butzon & Bercker 1987, S. 25.

Wir, die wir den Anspruch erhoben, in der Marienstadt die publizistische Nummer eins zu sein, mussten mit unseren bescheidenen Mitteln den Medienkonzernen, von deren technischen und finanziellen Möglichkeiten wir nur träumen konnten, Paroli bieten. Zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte des Kävels Bläche würden Frankfurter Allgemeine, Die Welt, Die Zeit und viele andere großkalibrige Blätter über dasselbe Ereignis berichten wie das KB.

Es war das Jahr, in dem Papst Johannes Paul II., Josef Kardinal Ratzinger und Mutter Teresa den Gnadenort besuchten. Und es fing schlecht an - mit einer Enttäuschung. Wir besaßen sehr früh die Information, dass der Papst bei seinem Deutschland-Besuch auch nach Kevelaer kommen wollte, hielten „den Knüller“ aber auf Wunsch unseres Informanten im Priesterhaus Kevelaer zurück. Sobald die offizielle Bestätigung aus Rom eingetroffen sei, so versprach er, werde er das Kevelaerer Blatt als erste Zeitung in Kenntnis setzen. Darauf verließen wir uns und mussten später die groß aufgemachte Ankündigung, dass der Papst tatsächlich Kevelaer besuchen werde, in einer Konkurrenzzeitung lesen.

Im Februar 1987, da war die Nachricht längst verbreitet, beherrschte der bevor stehende Papst-Besuch die große Pilgerleitertagung, die zum ersten Mal im Bühnenhaus und nicht im Priesterhaus abgehalten wurde. Im März stellte die Oberpostdirektion im Rathaus eine 80-Pfennig-Sonderbriefmarke vor, deren 30 Millionen Exemplare auf das Großereignis im Mai und zudem auf den 17. Marianischen Kongress, der im Herbst zusammen mit dem zehnten Mariologischen Kongress in Kevelaer abgehalten werden sollte, hinwiesen.

Das Priesterhaus wurde herausgeputzt. Tagelang stach den Kevelaerern das rötlich angemalte ehemalige Oratorianer-Kloster unangenehm ins Auge. Das KB gab Entwarnung: Das Priesterhaus bleibe nicht Rot. Noch viermal werde es angestrichen, jedesmal werde ein dunklerer Ton gewählt. Und zum Abschluss würden weiße Fugen aufgemalt. Vielen Kevelaerer war noch gar nicht aufgefallen, dass das alte Kloster nicht verklinkert war, sondern nur so aussah: Schon immer hatte es lediglich eine Putzfassade mit aufgemalten Fugen besessen.

Im April 1987 begannen wir, im KB Grußworte an den Papst zu veröffentlichen. Pfarrer Volker Raettig von der evangelischen Gemeinde Kevelaer ließ manchen Leser erbleichen: Er sprach in seinem Beitrag den Heiligen Vater mit „Lieber Bruder Woytila“ an. „‘Heiliger Vater‘ zu sagen - Sie werden verstehen - das fällt mir schwer.„ Raettig wünschte sich zur „gelebten Ökumene von Ihnen gerade in Kevelaer ein ermutigendes Wort.“

Stadtdirektor > Heinz Paal blieb in seinem Grußwort bodenständig: „Die Besinnung auf immaterielle Werte und Aspekte menschlichen Daseins wird mit Ihrem Besuch verstärkt ins Bewusstsein gerückt - das ist gut so, obgleich wir das Streben nach materiellen Wohlstand weder vernachlässigen noch verleugnen wollen.“ Neben den Beiträgen von Landrat > Hans Pickers, Oberkreisdirektor > Dr. Hans-Wilhelm Schneider, Wallfahrtsrektor > Richard Schulte Staade, Bischof > Dr. Reinhard Lettmann (Münster) und Bischof > Heinrich Maria Janssen (Hildesheim) dokumentierte das KB auch das Grußwort von Bürgermeister > Karl Dingermann, das die Seele von Kevelaer treffend beschrieb:

„Willkommen Papst Johannes Paul II., am 2. Mai 1987 in Kevelaer“ - so lautet der Text eines mit dem Bild des Heiligen Vaters geschmückten Plakates, das in den Straßen unserer Stadt allenthalben zu sehen ist. Das ist kein Slogan, das ist ehrliche Überzeugung einer Stadt und ihrer Einwohner, die von einem solch hohen Besuch sicherlich schon mal geträumt haben, aber kaum zu hoffen gewagt haben, daß dies Wirklichkeit werden könnte. Nun aber ist es Realität. Der Heilige Vater kommt. Er kommt mit Sicherheit vornehmlich zu dem Heiligtum, das unsere Stadt birgt, dem wohl schlichtesten Gnadenbild der Gottesmutter weltweit, wie sie hier als die „Consolatrix afflictorum“, die „Trösterin der Betrübten“ verehrt wird. Der Hl. Vater reiht sich damit ein in die große Schar der 600.000 bis 700.000 Pilger, die Jahr für Jahr aus der ganzen Bundesrepublik und aus den benachbarten europäischen Ländern, insbesondere den Niederlanden und dem belgischen Flandern, hier Trost suchen und erfahren.

Wer als Pilger sich zu diesem Bild auf den Weg macht, kommt zwangsläufig auch in unsere Stadt. Allen Besuchern den Aufenthalt in unseren Mauern angenehm zu gestalten, ist seit altersher Ziel und Bestreben nicht nur der mit Verantwortung ausgestatteten Obrigkeit, sondern darüber hinaus unserer gesamten Bevölkerung. Um wie viel mehr gilt dies für das Oberhaupt unserer heiligen Kirche.

So laufen seit vielen Monaten bereits in einer groß angelegten Gemeinschaftsarbeit von Land, Kreis, Stadt und Kirche die Vorbereitungen für dieses in der Geschichte der Stadt und in der Geschichte der Wallfahrt erstmalige und vielleicht einmalige Ereignis. Wir sind stolz und glücklich zugleich.

Ich bin in letzter Zeit so oft gefragt worden, welche Erwartungen aus der Sicht der Stadt an einen solch hohen Besuch geknüpft werden. Wenn gleich die Frage nicht unerlaubt ist, sollte sie nicht im Vordergrund stehen. Ich will mich aber auch nicht um eine Antwort drücken. Sie ist rein persönlich. Ich bin in erster Linie so sehr diesem Heiligtum verbunden, und dies von Jugend auf, daß dem religiösen Aspekt absoluter Vorrang vor dem wirtschaftlichen zukommt. Das schließt nicht aus, daß ich als Bürgermeister die Freude nicht verhehlen kann, wenn durch diesen hohen Besuch der Bekanntheitsgrad unserer Stadt wächst und der Besucherstrom für die nähere und weitere Zukunft weiter ansteigt.

Das wünsche ich nicht nur der Gottesmutter, sondern auch unserer heimischen Wirtschaft, die sich eigentlich immer für das Wohl unserer Besucher im guten Sinne verantwortlich gefühlt hat.

Abschließend möchte ich allen danken, die sich, wie ich meine, in hervorragender Art und Weise in die Vorbereitungen eingeschaltet haben, um die leider so kurze Zeit der Anwesenheit unseres Heiligen Vaters zum Erlebnis werden zu lassen.

Mein Dank geht aber primär an unseren hohen Gast, dem ich stellvertretend für die ganze Stadt nur zurufen kann: Willkommen Papst Johannes Paul II. am 2. Mai 1987 in Kevelaer!

Für die Fernsehprogrammzeitschrift rtv verfasste ich den Beitrag „Kevelaer - für einen Tag im Mittelpunkt der katholischen Welt“, der Ende April erschien. Da rtv in einer Auflage von drei Millionen Exemplaren 170 Zeitungen beigelegt wurde, fand dieser Beitrag wohl die größte Reichweite, die eine Kevelaer-Veröffentlichung bisher hatte.

Aber wie konnten, sollten und mussten wir in unserer eigenen Zeitung auf das Jahrhundertereignis angemessen reagieren? Es war für keinen Journalisten möglich, dem Papst innerhalb Kevelaers von Station zu Station zu folgen. Deshalb mussten wir für ein halbes Dutzend Standorte Berichterstatter und Fotografen akkreditieren. Wer beispielsweise für den Pressestandort in der Basilika, wo sich der Papst zu einem Gebet niederkniete, zugelassen war, musste an dieser Station zunächst verbleiben und bekam von dem weiteren Geschehen kaum etwas mit. Es gelang uns, jeden der Brennpunkte mit Redakteuren und Mitarbeitern gut zu besetzen.

Für sechs Standorte musste das KB seine Mitarbeiter akkreditieren.

Eine der Stärken der Kevelaerer Zeitung war unsere Flexibilität. Mit der Druckerei Keuck in Straelen, wo das Kävels Bläche seit 1982 gedruckt wurde, hatten wir eine zwölfseitige Sonderausgabe verabredet, die am Sonntag, 3. Mai 1987, erscheinen sollte - unmittelbar nach dem Papst-Besuch am Samstag und damit früher als die allermeisten Zeitungen, die erst am Montag berichten würden. Wie sich herausstellte, hatten wir damit am Sonntag eine Alleinstellung auf dem regionalen Zeitungsmarkt. Wir schickten alles, was Beine hatte, mit Zeitungspaketen in die Innenstadt. Und schon nach wenigen Stunden war die Sonderausgabe vom Sonntag - 6.074 Exemplare - ausverkauft. Für die Nachfrage in den nächsten Tagen ließen wir tausend Exemplare nachdrucken.

Heute, im Zeitalter der digitalen Fotografie, kann man sich kaum noch vorstellen, worin das Hauptproblem des Kävels Bläche im Vorfeld dieser Sonderausgabe gelegen hatte: Wir beschäftigten keine Berufsfotografen, die ihre Filme selbst entwickelten und ihre Bilder im eigenen Labor belichteten, sondern ließen die von den Redakteuren gemachten Aufnahmen in dem Labor eines Kevelaerer Fachgeschäfts fertig stellen. Das aber stand uns in der Nacht von Samstag auf Sonntag nicht zur Verfügung. Der Vater von Delia Evers, > Hanns Evers, von Beruf Fotograf und Redakteur, sprang uns hilfreich zur Seite, entwickelte seine eigenen Bilder vom Papst-Besuch und die des KB-Teams in seinem Labor in Kleve und sorgte dafür, dass wir die Fotos rechtzeitig in der Kevelaerer Redaktion hatten.

Gleichwohl wurde es eine Anstrengung der besonderen Art, in den wenigen Stunden bis zum Druckbeginn das Jahrhundertereignis in die richtigen Worte zu kleiden und daraus eine angemessene Sonderausgabe zusammen zu stellen. Es war eine Gemeinschaftsleistung der Redaktionsmitglieder: Delia Evers, > Sabine Föhles, Angelika Martens und ich sowie viele Helferinnen und Helfer hatten mitgewirkt. Keine andere Zeitung, so stellten wir später nicht ohne Stolz fest, dokumentierte den Papst-Besuch so umfassend wie das Kevelaerer Blatt.

In dem kleinen Buch „Kevelaer - Europa des Glaubens“, das der Kevelaerer Verlag Butzon & Bercker später herausbrachte, schilderte ich die „Eindrücke eines Journalisten“.

Das Medienecho auf den Deutschland-Besuch des Papstes war zum Teil von kritischen Tönen durchsetzt:

Frankfurter Allgemeine Zeitung - „Das Marienbild, das der Papst nach Kevelaer zu ehren kam, wurde zuerst während des 30jährigen Krieges verehrt, jenes furchtbaren Konfessionenkampfes auf deutschem Boden. Es hätte Johannes Paul II. gut angestanden, sich in Münster dafür zu entschuldigen, daß sein Vorgänger 1648 gegen den Westfälischen Friedensschluß protestiert hatte. Der Genius Loci beflügelt nicht immer an Ort und Stelle die Pilger. Daß zum 30jährigen Krieg der bayrische Herzog Maximilian und die bayrischen Jesuiten ihr Scherflein beitrugen - daran zu erinnern wäre zuviel der historischen Wallfahrt gewesen (...)“

Kölner Stadt-Anzeiger - „Nirgendwo aber auf dem bisherigen Stationen seines ‚Pastoralbesuchs‘ klangen die rhythmisch skandierten ‚Totus tuu‘-Rufe so eindringlich, stellenweise fast penetrant wie in Kevelaer (...) Das Opus Dei, jene vom Papst so hoch geschätzte extrem konservativ Vereinigung, hatte seine fähnchenschwenkenden Hilfstruppen unübersehbar in den vorderen Reihen plaziert (...) Daß die Streiter des Opus Dei (...) in Kevelaer präsenter als anderswo sein würden, war zu erwarten. ‚Das Werk Gottes‘ hat den größten deutschen Marienwallfahrtsort sicher im Griff - ohne viel Aufhebens - fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, wie es bei Opus Dei so Sitte ist. Der Spanier German Rovira, Priester im Essener Opus-Dei-Zentrum ‚Rüttenscheid‘, fungiert in Kevelaer nicht nur als Beichtvater, sondern ist zugleich Präsident eines internationalen mariologischen Arbeitskreises. Rovira leitet den im Herbst in Kevelaer stattfindenden Marianischen Weltkongreß als dessen Generalsekretär. Daß das Opus Dei entscheidenden Anteil daran hatte, daß der schon 1980 geplante Kevelaer-Besuch des Papstes diesmal zustande kam, gilt als sicher.“

Man kann nur staunen, was manche Journalisten zu wissen glauben. Ich habe zu diesem Zeitpunkt rund 35 Jahre im Wallfahrtsort als Redakteur gearbeitet und kenne ihn wahrscheinlich besser als die meisten meiner Kollegen. Was hier geschieht, ist nicht kritikwürdig, sondern segensreich, und darin schließe ich den vom Stadtanzeiger erwähnten Internationalen Mariologischen Arbeitskreis (IMAK) ein, dessen Veröffentlichungen nicht jedem gefallen müssen, jedoch den Marienverehrern aus der Seele geschrieben sind.

Die Gläubigen allein sind es, die den Wallfahrtsort „sicher im Griff“ haben, wenn sie zu Tausenden zu dem von der Gottesmutter erwählten Ort pilgern und hier fühlen, dass sie an einer Gnadenstätte stehen. Wer das nicht verstehen kann, muss wohl zwangsläufig zu eingebildeten finsteren Mächten, an deren Strippen fromme Pilger hängen, seine Zuflucht suchen.

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© Martin Willing 2012, 2013