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Kapitel 3

Sonntag, 20. Januar 2008,
13 Uhr in Limburg. Im Hohen Dom wird zur Amtseinführung des neuen Bischofs Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst noch Hand angelegt; liturgische Helfer eilen mit letzten Aufträgen durch die Kirchenschiffe, schauen und kontrollieren. Bild- und Tontechniker des hessischen Rundfunks installieren ihr Arbeitsgerät.
 
Was wohl der Bischof macht?

13.15 Uhr. Draußen vorm geschlossenen Hauptportal sammeln sich Menschen mit frohen Gesichtern. Ein bisschen sehen sie aus wie an Heiligabend in ihren Kindertagen, ehe das Glöckchen zur Bescherung bimmelte.

Schwere Limousinen schieben sich das Sträßchen zum Dom hinauf. Von einem Sammelparkplatz bringen Shuttle-Busse immer mehr Menschen heran. Auf den Straßen treffen sich Twistedener und Kevelaerer („Sie auch hier?").

Bischof Franz-Peter
Kevelaerer treffen sich vor dem Dom zu Limburg (v.l.): Martin Willing, Michael Gewald (liturgischer Begleiter von Weihbischof Janssen), Heinrich Janssen und Stadtführerin > Marianne Heutgens. Foto: Delia Evers

Die Frage, die die meisten Menschen auf dem Domberg an die Tore drängt: „Bekommen wir einen der wenigen freien Plätze?“ Matthias Schlettert, Kreisdekanats-Geschäftsführer in Borken, witzelt: „Von den 700 Plätzen im Hohen Dom sind 900 reserviert.“

Familie, Chöre und Klerus mit über 40 Bischöfen füllen bereits einen Gutteil der Kirche. Die Münsteraner sind erstklassig vertreten mit Konzelebrant Diözesanbischof > Dr. Reinhard Lettmann (der einer Bischofsschmiede vorsteht, in der schon Averkamp, Ender, Kamphaus, Mussinghoff, Spital und Thissen „Funken schlugen“).

Jetzt ist Lettmann in Begleitung fast all ‚seiner‘ Weihbischöfe vor Ort: > Heinrich Janssen, Dr. Franz-Josef Overbeck, Heinrich Timmerevers, Dr. Josef Voß und Friedrich Ostermann.

> Dr. Ludwig Averkamp kommt die Straße mit großer Tasche im Schlepptau herauf und trifft Heinrich Janssen. Der sagt in bester Stimmung: „Herr Erzbischof! Keinen Kofferträger dabei? Ich biete mich an“ - ein Angebot ohne Gefahr auf Annahme, denn die Herren stehen schon vor der priesterlichen „Umkleidekabine“.

13.30 Uhr. Die Domtore öffnen sich, einige Twistedener und Kevelaerer ergattern gute Plätze auf der Empore.

 Bischof Franz-Peter
Delia Evers (r.) in der zum Pressezentrum umfunktionierten Michaelskapelle: Keine Original-Bilder, kein Original-Ton - nur eine perspektivisch stark verzerrte Filmübertragung aus dem Dom auf die Wand des Pressezentrums. Foto: Martin Willing

Die Journalisten haben weniger Glück. Für sie ist die Michaelskapelle reserviert, ein Steinwurf weit vom Dom entfernt. Sie sehen die Feier auf einer Leinwand. Und die Bilder sind leider perspektivisch verzerrt. Das erkennen die Journalisten spätestens, als der Priester die große Hostie während der Wandlung hochhält: Die kreisrunde Oblate ist wegen der Bildverzerrung zu einem länglichen Ei gestreckt. Das ist doppelt schlecht für die Pressefotografen: Erstens bekommen sie keine Aufnahmen vom Originalgeschehen, zweitens sind die Zweit-Bilder mit den verzerrten Perspektiven zu nichts zu verwenden.

Live sind im übrigen nur die Klappergeräusche der „kollegialen“ Laptops. Und statt der heiligen Kommunion gibt‘s auch für die beiden Kevelaerer Journalisten, die gerne mitkommuniziert hätten, nur Kaffee. Wir unternehmen zwar einen Versuch, aber der scheitert an der verschlossenen Tür zum Dom: Wir kommen in das Gotteshaus nicht hinein und können folglich keinen Kommunionspender aufsuchen.

Die Aussage ("Statt Kommunion nur Kaffee") in dem Bericht von Delia Evers, erschienen im Kevelaerer Blatt vom 24.1.2008, wird von einem Kevelaerer Geistlichen gründlich missverstanden. Er schreibt: "Ich will meiner Traurigkeit über solch gedankenlose Verletzung christlicher Gefühle auf diesem Wege Ausdruck geben." Die KB-Chefredakteurin ist perplex und antwortet: "Mir tut weh, dass die Journalisten in Limburg vom Protokoll als Kommunizierende erst gar nicht vorgesehen waren. Welch ein Bild von Journalisten steht dieses Verhalten? Ich finde mich darin nicht wieder."

Und: "Der Satz von Kaffee und Kommunion war keine gedankenlose Verletzung. Er war eine Empörung."

Weihbischof Heinrich Janssen hatte zum Glück das KB-Gespann schon vor Beginn der würdevollen Feier getröstet: „Es gibt auch die Kommunion im Geiste.“ Bischof Franz-PeterAber die ist im rüseligen Pressezentrum schwer einzunehmen. Die Botschaften hier sind anderer Art: „Roland Koch kommt sehr knapp.“ Nach einigen Minuten Erlösung wenigstens für die Organisatoren: „Der Ministerpräsident ist eingetroffen. Alle Ehrengäste haben ihre Plätze eingenommen.“

Gratulation von Kurt Beck für Bischof Franz-Peter.
Foto: Delia Evers

Geschäftigkeit „auf allen Kanälen“. Nur nicht beim Bischof. Er betet sich mit tiefem Frieden in den Tag. Es ist 14.55 Uhr. Der Neue erlebt das herzliche Willkommen der Menschen vor dem Dom und in der Kirche und begreift unmittelbar, „dass Gott mich an diesen Ort gerufen hat und mir Menschen an die Seite stellt, die mich in dieser großen Aufgabe unterstützen.“

Im Hohen Dom zu Limburg beginnt die Zeremonie. „Komm Heiliger Geist, Herre Gott“, ruft die Orgel, und die Gemeinde betet für den neuen Bischof, „dass er uns entflammt durch seinen Eifer, uns trägt durch seine Liebe, uns stärkt durch seine Geduld, uns erhält in der Freude des heiligen Geistes.“ > Joachim Kardinal Meisner, Metropolit der Kölner Kirchenprovinz, bittet den Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset, die von Papst Benedikt unterzeichnete Ernennungsurkunde zu überreichen.

Périsset gibt sie dem neuen Bischof, der händigt sie Domdekan Weihbischof Gerhard Pieschl aus. Pieschl wendet sich dem Domkapitel zu und führt den Herren die Urkunde vor Augen. Mit heiteren Gesichtern prüfen sie die Bulle und nicken. Sie befinden alles für echt und gut. Jetzt verliest Pieschl die Ernennung, in der Benedikt dem Bischof „herausragende Gaben“ zuspricht. Pieschl geht zurück zu Tebartz-van Elst und sagt: „Mit Freude stelle ich fest, dass Sie der neue rechtmäßige Bischof von Limburg sind.“

Meisner führt Tebartz-van Elst zur Cathedra, zum bischöflichen Stuhl, und sagt: „Ich bitte Sie, Ihr Amt anzutreten, indem Sie auf der Kathedra des Bischofs von Limburg Platz nehmen.“

Tebartz-van Elst folgt. Als er zum ersten Mal vom Stuhl Besitz nimmt, wird ihm bewusst, was Kardinal Meisner zuvor in seiner Hinführung über die Bedeutung der bischöflichen Verantwortung verkündet hat. Tebartz-van Elst später gegenüber dem KB: „Das Hinsetzen wurde zugleich zur leibhaftigen Erfahrung, getragen zu sein.“

Altbischof Franz Kamphaus kommt heran und übergibt seinem Nachfolger den Hirtenstab. Mit zitternder Stimme spricht er: „Empfangen Sie den Petrusstab der Limburger Bischöfe. Tragen Sie Sorge für die Herde Christi. Der Heilige Geist, der Sie zum Bischof bestellt hat, möge Ihnen helfen, das Volk Gottes zu leiten.“ Der Neue nimmt den Stab fest und zugleich behutsam. Kamphaus sieht seinen Nachfolger wie bittend an - ein inniger Augenblick. Der Neue sagt dem Scheidenden langsam, bewegt und mit gleicher Innigkeit: „Danke“. Laut und froh stimmt die ganze Gemeinde zu: „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen.“

Mutter Tebartz-van ElstDankbarkeit empfindet der Bischof auch anderen gegenüber. Direkt vor sich im Dom sieht er seine liebe Mutter Maria und die ganze Großfamilie. Diese Nähe ist ihm wie ein sprechendes Bild. Dem KB sagt er: „Mir wurde bewusst, auf welchem Fundament mein Leben und meine Berufung zum priesterlichen Dienst gewachsen sind. Heimat und Glaube hängen eng zusammen. Glaubwürdige Menschen prägen die Anziehungskraft der Kirche.“

Am Ende eines bewegenden Tags konnte
man ein kleines Häppchen gut verkraften:
Maria Tebartz-van Elst, die Mutter des Bischofs.
Foto: Delia Evers

Die dichte Gebetsatmosphäre trägt und bekräftigt ihn. Priester und Diakone erneuern vor ihm ihr Treueversprechen; Vertreter der Orden, der pastoralen Mitarbeiter, der synodalen Gremien und der Caritas bekunden ihre Verbundenheit.

Franz-Peter Tebartz-van Elst hält seine erste Predigt als Herr des Hauses, das ihm schon jetzt Zuhause sei, denn „Heimat gibt es, wo Menschen im Glauben beieinander sind. ... Wo Menschen den Mehrwert des Glaubens in sich tragen, wird sie das Bewusstsein nicht erschüttern, Minderheit zu sein“, sagt er ermutigend. „Wo die Kirche Konturen hat, wird Glaube anschaulich.“ Kirche dürfe sich nicht in Strukturdebatten verlieren, sondern müsse missionarisch ausstrahlende Kirche sein. „Wo wir gemeinsam und geistlich den Weg des Glaubens gehen, vermittelt sich, dass Kirche nicht aus Sitzungen und Satzungen lebt.“

Bischof Franz-Peter
Der neue Diözesanbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, beim Auszug aus dem Dom zu Limburg.

Es brauche Menschen wie Johannes den Täufer, der Ahnung aufkeimen lasse: „Es muss doch mehr geben als das, was uns besetzt und hetzt.“ Und an anderer Stelle: „Nicht der Weg ist das endgültige Ziel. Wo Christus aber in den Blick kommt, kann das Ziel neue Wege spuren.“

Und er erinnert an Petrus, der den Beinamen Kephas, Fels, erhalten habe. „Glaube auf dem Felsen ist Kirche in der Liebe und Nachfolge des Gekreuzigten.“ Nur die tägliche Treue und persönliche Antwort auf die Frage „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (Joh 21) gebe Boden unter den Füßen und Halt an der Hand: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe." (Delia Evers)
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© Martin Willing 2012, 2013