Margret Godemann und ihr Herz für Kinder

Im Podcast Trauerkraftwerk spricht Margret Godemann aus Aurich über ihren großen Verlust. Sie erzählt vom Unfalltod ihres Kindes vor über 40 Jahren. Sie trauert noch immer auf ihre Weise um Christoph. Sie bekam damals wenig Hilfe und fühlte sich zeitweise so einsam, dass sie am liebsten weggelaufen wäre. Darüber berichtet sie in der neunten Episode.

Margret Godemann, die 2022 im August 85 Jahre alt geworden ist, hat sich Zeit ihres Lebens engagiert – für ihre Familie und als Pädagogin für ungezählte Kinder.

Dabei hatte alles nach einer anderen Karriere ausgesehen. Ihre Eltern Maria und Adolf Witte hätten ihre Tochter Margarete Wilhelmine gern in der eigenen Fleischerei in Hagen, genauer in Kirschhagen, im Teutoburger Wald gesehen. Im Laden hatte Margret schon früh geholfen.

Einmal in der Woche radelte sie nach der Schule mit dem Ranzen auf dem Rücken in eine kleine Filiale und stellte ihre Tatkraft unter Beweis.

Margret mit ihrer Mutter Maria und einer großen Wurst in der Fleischerei der Eltern.
Vor der Fleischerei: Margret (links) mit ihren Eltern, jüngeren Geschwistern und Angestellten.

Nach der fünften Klasse wechselte sie zu den Ursulinen nach Osnabrück-Haste. Hier lernte sie bis zur Zehnten und gab sich auf Wunsch der Eltern mit einem Abgangszeugnis zufrieden. Doch Maria und Adolf Witte drückten nach den Sommerferien „ein Auge“ zu („ich musste nicht besonders darum kämpfen“), Margret lernte weiter und legte ihre Reifeprüfung ab.

Nach ihrer Zeit an der Pädagogischen Hochschule in Vechta (1958 bis 1961) rückte sie in Ostfriesland an. Margret Witte unterrichtete von 1961 bis 1965 an der katholischen Grundschule in Emden. In dieser Zeit hätte sie ihre zweite Lehrerprüfung ablegen müssen, doch Margret entschied sich für einen anderen Weg.

Denn 1962 hatte sie Richard Godemann geheiratet.

Fünf Jahre zuvor war sie auf ihrem knallroten Moped von ihren Eltern in Hagen im Teutoburger Wald zu ihrer Freundin Agnes nach Thiene geknattert. Auch Agnes war bei den Ursulinen zur Schule gegangen. In den Pausen hatten sie ihre Brote getauscht. Agnes hatte selbstgebackenen Weizenstuten dabei. Margret, Tochter eines Fleischermeisters, wartete mit Wurststullen auf.

Bei ihrem Moped-Besuch in Thiene stieß Margret nun auf den Bruder von Agnes: auf Richard.

Freundschaft mit Folgen: Margret und Agnes.

Richard war von der Moped-fahrenden Margret sehr angetan. Im November 1957 schrieb er dem jungen Mädchen einen Brief. Er regte einen Spaziergang an. Margret fragte vorsichtshalber ihre Mutter: „Soll ich zurückschreiben?“ Sie meinte: „Ja“ – und ihre gemeinsame Geschichte, die 1962 mit der Hochzeit weiter Fahrt aufnahm, begann.

Glückliches Paar.

Als Margret 1965 aus dem Schuldienst in Emden ausschied, zählten zu ihrer kleinen Familie bereits Martin (1963) und Christoph (1964). Bernd war unterwegs.

Margret freute sich an ihrer wachsenden Familie – 1967 wurde Frank geboren – mit den vielfältigen Aufgaben, die sie kraftvoll und liebend gern annahm. Zugleich vermisste sie den Unterricht.

Da erhielt sie 1972 eine Anfrage aus der St.-Ludgerus-Gemeinde Aurich: Ob sie nachmittags für zwei Stunden wöchentlich katholischen Religionsunterricht, vorwiegend an der Lambertischule, geben könne?

Margret Godemann konnte. Und sie wollte. Einige Kinder holte sie in den Elternhäusern ab. Weitere Gemeindemitglieder halfen, zum Beispiel Anni Backa.

Zwei Jahre später öffnete eine unerwartete Chance ihr neue Aussichten: Sie fing an der Grundschule Upstalsboom in Haxtum als Lehrerin an. Sie unterrichtete alle Fächer und war in ihrem Element.

Margret als junge Lehrerin.

Zu katholischen Festen lud sie Kinder aus der Ludgerusgemeinde ein und fuhr sie zu den Gottesdiensten in die Kirche. Mit Gemeindereferentin Marlies Prütz bereitete sie zu Aschermittwoch ohne Pfarrer eigene Feiern vor. Gemeinsam teilten sie das Aschekreuz aus.

Schulanfangsgottesdienste, Lichtmessfeiern – immer wieder trugen Feste auch die Handschrift von Margret Godemann. Sie war kreativ und in Sprache und Bildern ganz bei den Kindern, die sie im Glauben stärken wollte.

Margret arbeitete an den „katechetischen Samstagvormittagen“ mit und bereicherte als Pädagogin mit Wissen und Erfahrung aus erster Hand die Treffen des Schulausschusses mit Pfarrer und allen Religionslehrern im Grundschulbereich.

Für 1977 stand ihre dauerhafte Anstellung als Lehrerin an. Sie war verpflichtet, innerhalb eines halben Jahres ihre zweite Lehrerprüfung abzulegen.

Am Ende der Sommerferien verunglückte ihr Sohn Christoph tödlich. Der Verlust erschütterte Margret und Richard zutiefst. Vor den Kindern versuchte Margret stark zu sein. Sie wollte nicht, dass die drei anderen Jungen, die schmerzlich ihren Bruder vermissten, nach dem Unfall ängstlich würden.

Ihr Beruf wurde zur Stütze. „Ohne die schulischen Verpflichtungen hätte ich die Zeit nur sehr schwer überstanden.“ Auch die Gemeinde war für die Familie eine bedeutsame Stütze.

Und Margret blieb eine Stütze für die Gemeinde. Sie stand über Jahre als Kommunionhelferin am Altar und versah dieses Amt voller Ehrfurcht. Sie beteiligte sich an den Fastenessen im Bonihaus.

Später arbeitete sie handfest im Litauenkreis mit (bis in die letzten Jahre hinein bekochte sie die Gäste aus dem Baltikum bei ihren Ostfrieslandbesuchen mit einem kräftigen Eintopf. Einmal „meckerte“ die erstklassige Köchin augenzwinkernd, sie könne auch noch was anderes als Eintopf.

Margret Godemann.

Als Margret Godemann 1996 gesundheitlich angeschlagen in Pension ging, beschrieb ein Kollege in seiner Abschiedsrede ihr „großes Herz für die Kinder, besonders für die Kleinen, denen du Wärme und Zutrauen vermitteln konntest. … Du warst mit deiner ganzen Person bei deinen Schülerinnen und Schülern.“

Diese Wärme sei bei ihr gepaart mit einem großen Verantwortungsbewusstsein, Margret sei verlässlich, bescheiden, hilfsbereit und pragmatisch. Sie habe Schülern Halt in einem festen Ordnungsrahmen gegeben.

In der Schule wie in der Gemeinde achtete sie darauf, dass zu besonderen Ehrentagen Blumensträuße oder Geschenke parat waren.

Und bei Betriebsausflügen hatte sie stets ein Fläschchen dabei, das die Runde machte.

Kurzum: Margret war das gute Öl im wuseligen Getriebe der Schule und oft auch in der katholischen Gemeinde.

Denn das wurde in der Verabschiedungsrede ebenfalls deutlich: „Als gläubiger Mensch konnte Margret wie kaum ein anderer religiöse Inhalte, Haltungen, Riten und Botschaften eindringlich vermitteln, weil sie selbst so sehr davon überzeugt war.“

Bis heute freut sich Margret Godemann darüber, dass es schließlich gelang, die katholischen Kinder für ihren Religionsunterricht nicht mehr aus den Klassen zu holen, sondern mit den evangelischen Kindern gemeinsam zu betreuen. Das war vor über 25 Jahren bereits gelebte Ökumene.

Sie hat auch die Eltern angesprochen und schriftlich über die Unterrichtsschritte informiert, „damit sie beruhigt waren“.

Für Margret, die kfd-Mitglied ist und regelmäßig am Bibelkreis teilnimmt, war es ein Herzensanliegen, Kinder religiös zu erziehen. „Kinder müssen Bescheid wissen. Sie können sich nur für das wirklich begeistern, was sie kennen. Wenn ich von ihnen gefragt wurde, ob ich das glaube, was ich erzähle, konnte ich aus vollem Herzen ‚ja‘ sagen.“

Zum Abschied aus der Schule schenkten ihr die Kollegen eine besondere Pflanze, eine Engelstrompete. Schöner hätten sie Margret nicht sagen können, was sie ist.

Schweren Abschied nehmen musste sie inzwischen ein weiteres Mal. Im August 2020 starb ihr Mann Richard.

Sie ist im eigenen Haus selbstständig wie eh und je. Und wie eh und je ist sie fest und liebevoll eingebunden in das pralle Familienleben ihrer Söhne, ihrer Schwiegertöchter und der zahlreichen Enkel. 

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