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Die letzte Ruhestätte von
Jupp Tenhaef auf dem Kevelaerer Friedhof: Nichts hat sich
in den fünf Jahren getan. Ein Mahnmal der Schande. Fotos: Martin Willing
Am
Freitag, 16. November 2007, schlug Jupp Tenhaef das Kävels Bläche auf
und fand auf der letzten Seite sein Gedicht "Kävelse Moppe" abgedruckt.
„Es war seine letzte Freude“, sagte seine Lebensgefährtin Ingeborg
Weber. Am Mittwoch darauf starb der Kevelaerer Schriftsteller im fernen
Frankfurt, wo er seit langem gewohnt hatte, einen schweren Tod. Sein
innigster Wunsch war es gewesen, in Kevelaer beerdigt zu werden. Delia
Evers setzte sich mit St. Marien, der Trägerin des Friedhofs, in
Verbindung. Daraufhin bemühten sich gute Menschen erfolgreich darum, dass Jupp Tenhaefs letzter Wunsch erfüllt werden konnte.
Heute, fünf Jahre danach, schämen wir uns für Kevelaer.
Die
Grabstätte liegt unscheinbar zwischen zwei gepflegten und gestalteten
Gräbern. Der einzige Schmuck ist eine Grablaterne. Rechts steckt eine
Bodenvase im rötlichen Split, der die Oberfläche bildet. Vielleicht
grüßen hier zuweilen Blumen. Wir wissen es nicht.
Kein zweites Grab auf dem
alten Kevelaerer Friedhof wird so wenig beachtet so dürftig gepflegt wie
das des großen Kevelaer-Freunds Jupp Tenhaef.
Als ich jetzt im "Kevelaerer Blatt" die Gründung eines "Gräbervereins
Kevelaer" anregte, dachte ich natürlich auch an das erschütternde
Aussehen von Jupp Tenhaefs Grab. Ohne beherzte Menschen, die helfen,
wenn es sonst niemand gibt, der sich für die Grabstätte verantwortlich
fühlt, müssen wir erleben, wie unser Kulturgedächtnis langsam, aber
sicher in die Grube fährt.
Jupp Tenhaef ließ sich gerne als Heimatdichter bezeichnen, denn er
liebte seine Heimat Kevelaer. Sein schriftstellerisches Werk sprengt
allerdings den eng gefassten Begriff. Er war Schriftsteller und kein
Hobbydichter.
Der große Kevelaer-Freund litt
unter der räumlichen Ferne zu Kevelaer und brauchte sie dennoch. Mit dem
Kävels Bläche, das er jede Woche las, hatte er die Brücke zur Heimat,
ohne die er nicht auskam.
Er war ein Kind, als seine Mutter starb, und ein Jugendlicher, als sein
Vater ihr folgte. Der Junge träumte davon, Schriftsteller zu werden -
und begann als Laufbursche in der Druckerei Köster, die das Kävels
Bläche herstellte; eine andere Stelle war nicht frei.
Nach dem Kriegsdienst kehrte er nach Kevelaer zurück, wo er gemeinsam
mit Theo Bercker und
Ludwig Freudenhammer den Schutt am
Heimatmuseum beiseite schaffte. Die Erlebnisse des Krieges versuchte
er mit Hilfe der Literatur zu verarbeiten. Er schrieb Gedichte,
Geschichten, das Hörspiel „Bomben auf Mundus II“, hielt Vorträge und
Lesungen in Vereinen, schrieb für Zeitungen aus dem englischen
Militärgericht, wo illegale Grenzübertritte, Lebensmittel- und
Zigarettenschmuggel verhandelt wurden.
Jupp Tenhaef war 1946 einer der Gründer der Kevelaerer CDU und für kurze
Zeit ihr Vorsitzender. Auch das ist in Kevelaer heute längst
vergessen. Wenigstens die Kevelaerer CDU sollte ihre Gründer ehren.
Lange träumte Jupp Tenhaef davon, als Schriftsteller sein Brot
verdienen zu können. Der Vater von drei Kindern musste sich als
Vertreter verdingen und durchlief mehrere Berufe. 1982 ging er als
Bediensteter einer Landesbehörde in den Ruhestand - da hatte er sich
längst in Frankfurt am Main niedergelassen. Er war ein hochbegabter
Künstler, dem die Förderung versagt blieb.
Immer mal wieder ließ er sich in Kevelaer blicken und wurde bei
plattdeutschen Abenden gefeiert. Wenn die Menschen in Tenhaefs Heimat
sich ein Stück Identität bewahrt haben, dann liegt das auch an ihm,
nicht so sehr an ihm als „Heimatdichter“, sondern an ihm als einem
Dichter, der die großen Gefühle der Menschen in heiteren und ernsten
Versen widergab wie ein Spiegel.
Jupp Tenhaef liebte Kevelaer. Aber Kevelaer scheint ihn nicht zu lieben.
Sein letzter Wunsch, in der Marienstadt beerdigt zu werden, wurde
erfüllt. Das war's auch schon.
Ihn zu ehren, dazu hat sich in den fünf Jahren seit
seinem Tod niemand aufraffen können.
© Martin Willing 2012