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Es
ist gegen Ende des Jahres 2002. Im Foyer des Marienhospitals treffen
sich, zufällig, Patient Hans Broeckmann und Delia Evers. Sie nehmen in
der Cafeteria einen Kaffee. Das Gespräch will zunächst nicht in Gang
kommen. Hans wirkt bedrückt. Seine Haare schimmern wie durchsichtiges
Weiß.
Dann spricht er. Die Viertelstunde in der Cafeteria ist so bewegend,
dass jedes Alltägliche, mit dem die Journalistin und der Politiker sonst
zu tun haben, abfällt. Die beiden sprechen auch über den Tod, von dem
Hans sagt, dass er ihn nicht mehr fürchte. Als sie sich verabschieden,
sagt die Journalistin: „Ich möchte etwas tun, was ich noch nie getan
habe“, und umarmt ihn.
Fünf Monate danach stirbt Hans Broeckmann.
30 Jahre zurück...
... gerade hat der Wettener die Nachfolge des verstorbenen
Ortsvorstehers Peter Steeger angetreten. Mit Hilfe von Hans Broeckmann
lerne ich Wetten kennen. Er fährt mit mir - Mitte der 1970er-Jahre -
durch sein Dorf. Nach und nach verstehe ich das System
Broeckmann/Esters, diesen kurzen Draht zwischen den beiden
Fraktionschefs im Kevelaerer Stadtrat, die schnelle Entscheidung unter
zwei Freunden, die politische Gegner sind. Das geht zuweilen mit solchem
Tempo, dass Mitglieder in beiden Fraktionen nicht Schritt halten. Nicht
nur SPD-Chef
Helmut Esters,
auch Hans Broeckmann auf Seiten der CDU zahlt dafür einen hohen Preis:
Wenig Anerkennung, mehr Unverständnis, manchmal sogar Anfeindung. Aber
seine Freundschaft zu Helmut Esters hält bis zuletzt.
1984 wechselt Hans Broeckmann vom Vormann der Fraktion ins eher
repräsentative Fach eines stellvertretenden Bürgermeisters, eine
Aufgabe, in der er unterfordert ist. Er weiß und viele seiner
Ratskollegen wissen es auch, dass er das Zeug zum Stadtdirektor hat.
Aber die CDU stellt mit der Wahl von
Heinz Paal (1983)
die Weichen anders. Das ist bereits 1981 abzusehen, als Rebellen in der
CDU-Fraktion Broeckmanns Führung in Frage stellen. Für seine
Vertrauensfrage bekommt der Wettener zwar sämtliche Stimmen, gleichwohl
- Verwaltungschef soll er nicht werden dürfen. Für Donnerstag vor der
Sondersitzung des Rates (Oktober 1983), in der die Entscheidung über die
Nachfolge von
Dr. Karl-Heinz
Röser ansteht, ist ein letztes Geheimtreffen anberaumt. Danach weiß
jeder Insider, dass die CDU Paal wählen wird. Die Minderheit, die
Broeckmann im Amt sehen will, stellt ihr Bemühen ein.
Dass diese Entscheidung eine Zäsur in seinem politischen Leben
darstellt, zeigt seine Vita. Vielleicht ist es die größte Leistung
dieses politischen Talents, der Stadt trotzdem in den folgenden 20
Jahren mit all seinen Fähigkeiten gedient zu haben.
Mit
Vergnügen lässt sich Hans Broeckmann 1984 in seinem Dorf als
Schützenkönig feiern. Als volksnahem Ortsvorsteher ist ihm nichts
Menschliches fremd.
Lore und Hans Broeckmann: Mit Freude Schützenkönig von Wetten (1984).
Ende 1987, als die Nachfolge von Bürgermeister
Karl Dingermann
gelöst werden muss, wollen einige Fraktionsmitglieder den Wettener zur
Kandidatur bewegen, aber die Fraktion splittert sich auf, nachdem
schließlich vier Namen im Gespräch sind. Konsensfähig ist am Ende ein
Außenstehender - der ehemalige Schulleiter
Dr. Friedrich
Börgers, der Ende 1988 einstimmig zum Kandidaten aufgestellt wird.
Kreisparteichef
Peter Roosen
eilt wenige Wochen später nach Wetten, um sich dort bei der
Ratskandidatenaufstellung demonstrativ für Hans Broeckmann einzusetzen,
der allerdings mitnichten daran denkt, sich dem Frust hinzugeben. Der
Wettener holt in der Ortsparteiversammlung 33 von 35 Stimmen und tut
fortan mit Verve, was er ohnehin am liebsten tut - Wetten im Stadtrat
Kevelaer, zusammen mit Leni Stammen, zu vertreten. Und er steht
Stadtdirektor Paal und später Bürgermeister Paal loyal zur Seite. Dass
sie mal Konkurrenten gewesen sind, ist nach außen wie vergessen.
Der
Ortsvorsteher wehrt nicht ab, als ihm im November 1989 die Führung des
klammen CDU-Stadtverbands angetragen wird. Broeckmann, der diplomierte
Volkswirt, sorgt dafür, dass die Finanzen bald wieder stimmen. Im
Werksausschuss der Stadt ist er - die meiste Zeit als Vorsitzender - der
entscheidende Mann. Und der Verwaltungsrat der
Sparkasse
nutzt - schon ab 1969 - seinen Sachverstand.
Hans Broeckmann und Ronald Pofalla (1991).
Hans Broeckmann lebte mit seiner Frau Lore auf dem Pastoratsweg. Hier in
Wetten war der Vater von vier Kindern und Großvater glücklich. Das
Hospiz in seinem Heimatdorf lag ihm besonders am Herzen. Jeden Tag
besuchte er das Haus, in dem kranke Menschen schmerzfrei sein können.
Und mancher kommt, um hier in Würde zu sterben. Nun wurde Hans
Broeckmann aufgenommen, und er war, nach Phasen der Mutlosigkeit,
zuversichtlich und ohne Angst, obschon er wusste, dass er seine
Krankheit nicht besiegt hatte.
Als sich die Nachricht von seinem Tod verbreitete, war die Betroffenheit
allerorten zu greifen. Wetten und die gesamte Stadt schulden dem
Ausnahmepolitiker tiefen Dank.
Hans Broeckmann Ortsvorsteher von Wetten und Politiker in Kevelaer
© Martin Willing 2012, 2013