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Oberkreisdirektor des Kreises Geldern 1965 bis 1975 | * 1926 | † 2013
Der 39-jährige Jurist Franz-Josef Ebbert bewarb sich 1964 nach gut vier Jahren, in denen er die Verwaltung der Kreisstadt Limburg/Lahn geleitet hatte, auf die Stelle des Oberkreisdirektors (OKD), die der Landkreis Geldern ausgeschrieben hatte. Für Ende 1965 stand die Pensionierung des Amtsinhabers, Dr. Gustav Mertens, an. Es war eine schwere Nachfolge, denn Mertens, bereits ab 1947 im Amt, hatte sich als Verwaltungsexperte einen vorzüglichen Ruf und hohe Wertschätzung erworben.
Franz-Josef Ebbert (1973).
Ebbert, ein ausgewiesener CDU-Mann, der zu den Mitgründern der
Partei (1948) in seinem Geburtsort Bocholt gehörte, überzeugte bei seiner
Bewerbungsvorstellung. Der Kreistag Geldern wählte ihn am 16. September
1964 zum neuen OKD.
Sein
erster Arbeitstag war der 4. Januar 1965, mit dem eine Dekade
aufregender kommunaler Neuordnungen begann, die schließlich zur
beruflichen Schicksalsfrage des hochbegabten, ehrgeizigen
Verwaltungsmannes wurde.
Nach zehn Jahren an der Spitze der Gelderner Kreisverwaltung war für
Ebbert im neuen Großkreis Kleve kein Platz mehr. Man ließ ihn durchs
Raster fallen, weil der politische Proporz und das Kräfteverhältnis
zwischen Geldern und Kleve es so wollten.
Franz-Josef Ebbert.
In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre hatte OKD Ebbert alle Hände voll
zu tun, die vom Land angestoßene kommunale Flurbereinigung zu begleiten
und voranzubringen. Dutzende von Kleingemeinden sollten ihre
Selbstständigkeit verlieren und zu größeren Einheiten zusammengefasst
werden. Die Menschen in den Dörfern wehrten sich vielfach mit Händen und
Füßen gegen den Verlust der Eigenständigkeit ihrer Gemeinden.
Winnekendonk lieferte damals besonders heftigem Widerstand.
Aber 1969 war auch der Fall Kevelaer klar und entschieden: Alle sieben
selbstständigen Gemeinden im heutigen Stadtgebiet (Kevelaer, Wetten,
Twisteden und Kleinkevelaer im Amt Kevelaer auf der einen und
Winnekendonk, Kervendonk und Kervenheim im Amt Kervenheim auf
der anderen Seite) wurden aufgelöst und zusammengefasst zu der neuen
Stadt Kevelaer. Um Mitternacht des 31. Juli 1969 trat die Kommunalreform
in Kraft. In jener Minute entstand die neue Stadt Kevelaer.
Oberkreisdirektor Franz-Josef Ebbert
wurde Anfang 1971 Vorsitzender des Kuratoriums des Gelderner
St.-Clemens-Hospitals, Gelderns Bürgermeister
> Paul Wolffram dessen
Vertreter. Das Bild zeigt (v.l.) Chefarzt Dr. Niederle, OKD i. R. Dr.
Mertens, Chefarzt Dr. Friedrich, Architekt Prof. Poelzig, Bürgermeister
Wolffram, Chefarzt Dr. Fischer, Chefarzt Dr. Kamps, Chefarzt Dr.
Greiffenhafen und OKD Ebbert.
Foto aus: Geldrischer Heimatkalender 1974, S. 20
Sofort nach dem Vollzug begann das Ringen der Kommunalpolitiker um die
besten Stücke des noch zu verteilenden Kuchens. Jedes Dorf, nunmehr zum
Ortsteil der neuen Stadt herabgestuft, kämpfte um möglichst große
Anteile. Kevelaer, die berühmte Marienstadt, die nun mit den neuen
Ortsteilen auf doppelte Größe gewachsen war,
befand sich dabei in der komfortablen Lage, dass die Politiker diesen
zweiten Schwerpunkt im Landkreis Geldern - neben der Kreisstadt selbst -
traditionell pflegten und unterstützten. So gab es Anfang der
1970er-Jahre keinen Zweifel daran, dass das projektierte
>
Kreisheimatmuseum in der
Wallfahrtsstadt seinen Standort finden sollte. Anfang 1973 wurde
zwischen dem Kreis, der Stadt Kevelaer und dem Kevelaerer Verein für
Heimatschutz ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Daraus
entwickelte sich eine Kooperation, die mit vereinten Kräften das
renommierte und mittlerweile vorzüglich ausgebaute Niederrheinische
Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte hervorgebracht hat.
Trotz der administrativen und
politischen Erfolge im Nachklang der kommunalen Neugliederung bahnten
sich für Franz-Josef Ebbert keine ruhigeren Zeiten an. Denn kaum waren
die Nachwehen der Neuordnung abgeklungen, schickten die Düsseldorfer
Abgeordneten einen neuen Aufreger aufs Land: Nun sollte es den kleinen
Kreisen an den Kragen gehen. Gefordert war eine Kreisneugliederung, zu
entwickeln und abzuschließen innerhalb von fünf Jahren.
An
der politischen Spitze des Kreises Geldern standen damals - Ende 1969 -
der neu gewählte Landrat Theo Pellander (* 1914, † 2000), ein
kreistagserfahrener Landwirt aus Pont, außerdem seine beiden Stellvertreter
Willi Kotters aus Weeze und
>
Gregor Vos aus Wetten.
Vizelandräte: Gregor Vos, Willi Kotters (v.l.).
Zusammen mit Verwaltungschef Franz-Josef Ebbert bildeten die Vier ein Erfolgsteam, und niemand rechnete damit, dass ausgerechnet die beiden Gelderner Spitzenfiguren - Ebbert und Pellander - bei der Aufgabenverteilung im neuen Kreis Kleve leer ausgehen würden.
Für sich selbst erwartete Pellander nicht zwingend eine herausragende Position, aber für Ebbert sah er gute Chancen, Oberkreisdirektor im neuen Kreis Kleve, der am 1. Januar 1975 aus den bisherigen Kreisen Geldern und Kleve sowie dem Raum Emmerich/Rees entstehen sollte, zu werden.
Theo Pellander.
Die entscheidende Rolle bei der Machtverteilung im neuen Großkreis fiel den CDU-Kreistagsabgeordneten zu, die mit ihrer absoluten Mehrheit sämtliche Positionen aus eigener Kraft besetzen konnten. Aber innerhalb der CDU hatten sich die Gewichte mächtig verschoben, nämlich zum Nachteil von Geldern und zum Vorteil des Kreisnordens mit Schwerpunkt Kleve.
Dort leitete mit > Dr. Hans-Wilhelm Schneider ein landesweit anerkannter Spitzen-OKD die Kreisverwaltung, dem sein späterer Nachfolger > Rudolf Kersting als Kreisdirektor zur Seite stand. Es wäre ein "personeller Treppenwitz" gewesen, wenn Schneider nicht in die engste Auswahl der Kandidaten für den OKD-Job gekommen wäre. An Schneider, dieser Koryphäe, kam niemand vorbei. Und Franz-Josef Ebbert in Geldern, sein Konkurrent in der Kandidatur, hatte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eine echte Chance, an dem Klever vorbeizuziehen und den neuen Chefsessel zu erreichen.
OKD Dr. Hans-Wilhelm Schneider.
Diese "gewisse Schwäche" nutzten CDU-Kreistagsabgeordnete aus und
setzten - auf Kosten von Ebbert - ihre eigenen Ambitionen auf
einflussreiche Ämter im neuen Kreis durch. Das parteiinterne Machtspiel
begann mit der Entscheidung zwischen zwei Konkurrenten aus Geldern und
Kleve, wer Landrat werden sollte. Damit wurde die gesamte weitere
Personalentwicklung vorbestimmt.
Die
beiden Kontrahenten waren die Kreistagsabgeordneten
>
Hans Pickers aus Geldern und
Gert Brock (* 1922, † 2009) aus Kleve, der dort bereits Landrat und
Landtagsabgeordneter für die Region gewesen war.
Kontrahenten: Hans Pickers, Gert Brock (v.l.).
Die CDU-Kreistagsfraktion hatte nun zu entscheiden, wer von den beiden
Landrat im Kreis Kleve werden sollte. Es wurde nie restlos aufgeklärt,
wie es der zahlenmäßig kleinere Block von Abgeordneten aus dem
Kreissüden schaffen konnte, sich gegenüber dem größeren Block aus Kleve,
der auch noch aus dem Raum Emmerich/Rees gestützt wurde, durchzusetzen.
Es wirkte wie ein Hammerschlag, als das Abstimmungsergebnis bekannt
wurde: Pickers hatte in der entscheidenden Sitzung eine Stimme mehr
bekommen als Brock.
Gert Brock war darüber tief erschüttert, hatten ihm doch alle seine
Fraktionskollegen aus Kleve Zustimmung signalisiert. Seine tiefe
Enttäuschung über die unerwartete Abstimmungsniederlage, bei der Verrat
in der Luft schwebte, verwand der Klever viele Jahre nicht.
Wer da im Hintergrund welche Strippen gezogen hat, ist bis heute
verborgen geblieben - vielleicht auch deswegen, weil es sich die
Verantwortlichen nicht zu ihrer Ehre anrechnen, dass sie den Gelderner
Oberkreisdirektor Franz-Josef Ebbert, der mit einer fairen Chance
gerechnet hatte, geopfert haben, um Hans Pickers als neuen Landrat und
Hans-Wilhelm Schneider als neuen Oberkreisdirektor durchzusetzen.
Ebbert
war über seine Kaltstellung tief betroffen.
Bis zu der konstituierenden
Sitzung des neuen Kreistags am 23. Mai 1975 kam er noch einmal "ins
Spiel": Es musste je ein Beauftragter
für den Kreistag und für die Verwaltung bestimmt werden.
Staatskommissar Willi Pieper (M.) mit seinem
Stellvertreter Helmut Esters (r.) und Regierungspräsident Bäumer im
Neuordnungsjahr 1975.
Der CDU-Kreisvorstand entschied sich für
>
Willi Pieper (Kreistag) und
Franz-Josef Ebbert (Verwaltung). Piepers Stellvertreter war übrigens der
Kevelaerer >
Helmut Esters.
Ebbert nahm diesen wichtigen, aber nur kurzzeitig wirksamen Job an.
Allerdings half ihm das nicht, seine tiefe Verbitterung darüber, dass
ihn "seine Gelderner" fallengelassen hatten, zu überwinden. Zum 25. Juni
1975 ließ sich Ebbert in den Ruhestand versetzen. Dann packten er und
seine inzwischen große Familie die Koffer und verließen den Niederrhein
für immer. "Es war leider nicht möglich, den verdienstvollen Franz-Josef
Ebbert einzubinden", schrieb Willi Pieper ein Vierteljahrhundert nach
diesen Ereignissen (25 Jahre Kreis Kleve, Eine runde Sache, Kleve
2000), "und dies war schmerzlich."
Die Familie Ebbert zog nach
Schleswig-Holstein, wo sie in Gettorf eine neue Heimat fand. Der knapp
50-jährige Jurist Ebbert übernahm neue berufliche Aufgaben und leitete
bis zum Ruhestand im Jahr 1991 als Direktor den Caritasverband
Schleswig-Holstein. Ehrenamtlich engagierte sich Ebbert unter anderem im
Volksbund Kriegsgräberfürsorge und im Beirat der Evangelischen
Darlehnsgenossenschaft Kiel.
Mit seiner Frau Maria-Theresia und ihren fünf Kindern hatte Franz-Josef
Ebbert eine schöne Zeit im Landstrich zwischen Kiel und Eckernförde. In
seiner neuen Heimatgemeinde Gettorf leistete Ebbert auch Parteiarbeit:
Lange Jahre organisierte er als Vorsitzender die CDU-Seniorenunion. Im
Dezember 2013 wäre er für 65 Jahre Mitgliedschaft in der Partei
geehrt worden.
Franz-Josef Ebbert starb am
9. September 2013 im Alter von 87 Jahren. Er wurde am Montag, 16. September, auf dem Friedhof
in Gettorf beigesetzt. Seine Familie schrieb in ihrer Traueranzeige:
"Ein schöner, langer gemeinsamer Lebensweg ging plötzlich zu Ende." -
In
Kleve äußerte sich Landrat Wolfgang Spreen in einem Nachruf auf den
Verstorbenen: "Der Verstorbene genoss allseits hohe Achtung und
Wertschätzung. Ich spreche ihm Dank und Anerkennung aus und werde ihm
stets ein ehrendes Andenken bewahren. Mein Mitgefühl gilt seiner Ehefrau
und seiner Familie."