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    SACHBEGRIFFE |
Cuypers, Dr. Wilhelm

Nestor des Kulturjournalismus im Kreis Kleve | * 1912 |† 2000

Foto zeigt Dr. Wilhelm CuypersEr war nach dem Krieg im Kreis Geldern der maßgebende Journalist der ersten Stunde. Der promovierte Zeitungsmann wurde August 1945, zwei Monate nach seiner Entlassung aus Kriegsgefangenschaft, in Geldern Hauptberichterstatter der "Neuen Rheinischen Zeitung", die die britische Militärrregierung herausgab.

Dr. Wilhelm Cuypers (im Hintergrund > Dr. Friedrich Börgers).

Ab Anfang 1946 war er in der Kreisstadt verantwortlicher Redakteur der gerade gegründeten "Rheinischen Post". 1966 wurde ihm die Leitung der Bezirksredaktion übertragen. Willy Loos (†) und ich (Martin Willing, ab 1973) waren seine Nachfolger als Lokalchef der RP in Geldern.

1970 begegneten wir uns zum ersten Mal. Es war nicht leicht, unter ihm zu arbeiten, und neben ihm, als sein Nachfolger, schon gar nicht. Er und niemand sonst war der Mann der ersten Stunde, der Lokalchef der „Rheinischen Post“ von der ersten Zeile an, die diese Zeitung in Geldern am 2. März 1946 publizierte. Nach dem Stabwechsel 1966 an den neuen Leiter der Lokalredaktion Willy Loos blieb Cuypers Kraft seines Ansehens „die Institution“.

Mit seinem Titel „Chef der Bezirksredakion“ wurde er nicht sonderlich glücklich, denn zum einen hatte die damalige Bezirksredaktion eher produktionstechnische Aufgaben, zum anderen fehlte dem Vollblutjournalisten nun „sein“ Medium. Die Beilage „Niederrheinische Blätter“, deren Ziehvater er war, genügte ihm nur teilweise. Eine „Niederrhein-Seite“ der RP, später von einer eigenen Redaktion in Xanten erarbeitet, gab es damals nicht.

Als ich 1973 - vier Jahre vor Cuypers’ Pensionierung als Bezirkschef - die Leitung der Lokalredaktion in Geldern übernahm, arbeiteten Tür an Tür der erste, zweite und dritte Lokalchef der RP, eine fast unzumutbare Lage für den „Neuen“ und eine hohe Anforderung an dessen Durchsetzungskraft und Fingerspitzengefühl. Zum Nutzen der Zeitung fanden sich alle Drei immer besser zurecht. Im Laufe der Jahre, auch nach meinem Wechsel zum Kävels Bläche (1981), begegneten wir uns, Cuypers und ich, mit freundschaftlichem Respekt.

Wilhelm Cuypers, Jahrgang 1912, ist der vielleicht wichtigste Zeitzeuge der Nachkriegszeit im alten Kreis Geldern, denn wie kein Zweiter erlebte und recherchierte er die gesamte Entwicklung und beschrieb sie in Zeitungen, Büchern und Blättern. „Wir erlebten den Start in ein Leben neuen Hoffens und Beginnens am Niederrhein und im Gelderland inmitten von Trümmern“, sagte er 1995 in einem Vortrag. „Ich werde nie den trostlosen Anblick vergessen, als ich Ende Juni 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war und Geldern mit dem zerstörten Rathaus und den Trümmern der Pfarrkirche St. Maria Magdalena wiedersah. Der vertraute Blick an einst glücklich verlebte Ferientage erlitt eine schockartige Entzauberung, und plötzlich wurde mir klar, was es heißt, in seinem Leben die Stunde Null zu erleiden.“

„Bei einem meiner ersten Rundgänge durch die Trümmerstadt Geldern begegnete ich Alex Schaffrath, der mir seinen stark zerstörten Betrieb zeigte. Immerhin waren noch einige Setzmaschinen und Setzkästen, wenn auch im lädiertem Zustand, erhalten geblieben. Im Gespräch erfuhr ich, daß die britische Militärregierung in Düsseldorf eine Zeitung herausgeben wollte: ‘Da ist als Verlagsdirektor Dr. Anton Betz vorgesehen, vielleicht können die etwas mit dir anfangen’, sagte Schaffrath zu mir.“

Und: „Nach Überprüfung meiner Entlassungspapiere und Ausfüllung etlicher Fragebögen wurde ich schon mit Wirkung vom 1. August 1945 als ‘Hauptberichterstatter’ im Kreis Geldern für die von der britischen Militärregierung herausgegebene ‘Neue Rheinische Zeitung’ zugelassen.“

Cuypers, gelernter Journalist, der über ein philosophisches Thema promoviert hatte, war damit im Altkreis Geldern der erste Berichterstatter, der nach dem Krieg „Brot und Arbeit“ gefunden hatte. Seine Dienstfahrzeuge in jener Zeit waren hauptsächlich seine Füße, manchmal ein Fahrrad und selten ein alter Opel P4.

Mit Einstellung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und Herausgabe der „Rheinischen Post“ Anfang 1946 wurde Cuypers die Leitung der Gelderner Redaktion übertragen. Die „Rheinische Post“ trat am Niederrhein die Nachfolge einiger früherer Lokal- und Heimatzeitungen an: „Niederrheinische Landeszeitung“ (Geldern), „Volksfreund“ (Kleve), „Bote für Stadt und Land“ (Xanten) und „Kevelaerer Volksblatt“ (Kevelaer). Nur im Falle des Kävels Bläche kam es dann doch anders: Das KB, bis vor dem Krieg eine zweimal wöchentlich herausgebrachte Lokalzeitung mit überregionaler Berichterstattung, lebte Ende 1949 als einzige Vorkriegszeitung wieder auf und erscheint seitdem in Kevelaer als lokales Wochenblatt.

Wilhelm Cuypers verstand sich nicht als politischer Journalist, wenngleich er aus seiner Nähe zu christdemokratischen Zeitgenossen in frühen Artikeln keinen Hehl gemacht hatte. Die Linie der RP Geldern in den 1970er Jahren - in diesem Zeitraum von mir verantwortet - wurde von Cuypers, der auch nach seiner Pensionierung (1977) als freier Mitarbeiter fast täglich die Redaktion aufsuchte, zustimmend mitgetragen: Offen sein für alle Stimmen, das Zeitungsmonopol ignorieren und so arbeiten, als gäbe es Konkurrenz - das behagte dem journalistischen Nestor, wie ich aus vielen Gesprächen weiß.

Seine Leidenschaft gehörte nicht der Politik, sondern der Kultur. In den „Niederrheinischen Blättern“, die er 1965 konzipiert hatte, fand er ein ihm gemäßes Medium, dem er sich mit Begeisterung widmete. In den ersten zwei Jahrzehnten waren die Blätter - eindeutig Cuypers’ Verdienst - eine wertvolle Kulturschrift.
Mit zunehmendem Alter wurde „der Doktor“ für die Zeitung, dem üblichen Gang der Dinge widersprechend, immer wichtiger. Jüngere und junge Journalisten wuchsen in den 80er und 90er Jahren nach und griffen dankbar auf seine Erfahrung und sein Wissen zurück. Er wurde, längst schon Pensionär, in seinem Spezialfach, der Kulturkritik, die Nr. 1 im Gelderland. Hier war er auf den Gebieten von Schauspiel und Buch-Editionen das, was ein Marcel Reich-Ranicki für die Literatur in Deutschland ist: der maßgebliche Kritiker.

„Dr. Wilhelm Cuypers verpackt Hintergrundwissen in eine Sprache, die ein breites Publikum versteht“, schrieb ich 1992 über ihn im KB. „Von diesem ersten Ausweis als hervorragender Journalist kann sich die jüngere Generation seiner Zunft eine Ecke abschneiden.“

Während seine Zeitungsberichte im Dunkel der Archive verschwanden, bleiben uns seine Bücher und der „Geldrische Heimatkalender“, für den er ungezählte Aufsätze schrieb, verfügbar. Cuypers arbeitete nach dem Krieg in der Redaktion des Heimatkalenders mit den Kevelaerern > Theodor Bergmann, > Dr. Franz Oehmen und dem Winnekendonker > Carl Schumacher zusammen, später mit Theo Bercker, > Ludwig Freudenhammer, > Dr. Mechtild Scholten-Neess und Hans Werner, schließlich - ab 1975 - mit Gregor Hövelmann, Fritz Meyers, Bernhard Keuck und > Karl-Heinz Tekath. Kein Zweiter prägte über einen so langen Zeitraum den „Geldrischen Heimatkalender“ wie er. Bis zuletzt war er dabei.

Der vom Glück so reich beschenkte Mann verlor 1997 seine Frau Clara Maria, die ihn bei den meisten Theaterbesuchen in Geldern oder Kevelaer begleitet hatte. Er gab nicht auf und arbeitete weiter. Seine Zeit, das wusste er, war noch nicht gekommen. Dr. Wilhelm Cuypers wurde 88 Jahre.

© Martin Willing 2012, 2013