Schwester M. Magdalena am Dienstag verstorben

Schwester M. Magdalena, über Jahre Oberin des kleinen Konvents der Elisabeth-Schwestern in Aurich.

Am Dienstag, 7. Dezember, ist im St.-Joseph-Stift in Dresden Schwester M. Magdalena gestorben. Es ist keine zwei Monate her, dass ich sie gemeinsam mit Horst, Isburga und Klaus in der sächsischen Landeshauptstadt besucht hatte. Uns waren zwei kurze Visiten gestattet. Sie waren intensiv.

Beim Abschied verabredeten wir uns für das kommende Frühjahr. Magdalena wollte wenigstens einmal die Frauenkirche von innen sehen. Und noch einmal den botanischen Garten ganz in der Nähe der ordenseigenen Pflegestation, auf der sie seit 2018 lebte.

Sie lächelte, als wir androhten, sie 2022 mit der Straßenbahn durch die halbe Stadt zu kutschieren. Eine Haltestelle liegt direkt am Stift. Bahnsteige und Einstiege der Bahn befinden sich millimetergenau auf gleicher Höhe. Es wäre ein Leichtes gewesen, Magdalena im Rollstuhl in Fahrt zu bringen. So fragten wir sie: „Bist du bereit?“ Sie lachte. Dann sprach sie ihr unnachahmliches: „Ja, freilich.“

Die Nachricht von ihrem Tod kam für uns überraschend. Zwar war Magdalena vor unserer Fahrt nach Dresden sehr krank gewesen, aber bei unserem Besuch hatte sie ruhige Lebensfreude ausgestrahlt.

Offen hatte sie zum ersten Mal allerdings auch über ihre Situation gesprochen, über das viele Alleinsein und die immer weniger werdenden Kontakte aus Aurich. Sie hatte von den langen Tagen erzählt, die sie fast ausschließlich im Bett verbrachte, weil niemand da war, der sie in den Rollstuhl gesetzt und zu einer kleinen Rundfahrt an die frische Luft gebracht hätte. Sie verteidigte die Schwestern auf der Pflegestation des Altenheims. Die hätten Wichtigeres zu tun, als eine alte Frau durch die Gegend zu fahren.

Magdalena hatte noch nie etwas für sich selbst einfordern können.

Sie zeigte uns in der kurzen Zeit, die wir im Oktober in Dresden miteinander hatten, noch einmal ihr gütiges Herz und den jungen Geist einer 82-Jährigen. Ihr Glaube kam nicht ein einziges Mal zur Sprache. Er gehörte sowie unlösbar zu ihr und musste nicht erklärt werden. Sie verabschiedete uns mit einem hellen Lächeln.

Zwei, drei Wochen später erlitt sie immer wieder und zunehmend heftige Fieberschübe. Die leitende Schwester Birgit ließ sie in das angrenzende St.-Joseph-Krankenhaus verlegen. Dort suchten Ärzte nach der Ursache für Magdalenas ausgeprägte Immunschwäche.

Schwester Birgit besuchte Magdalena mehrfach und sah, dass sie „es wohl nicht schaffen“ würde. Sie wollte die Kranke zurück ins Altenstift holen. Magdalena sollte palliativ begleitet werden und in vertrauter Umgebung sterben können.

Am Dienstagmorgen rief sie nach der Messe im Krankenhaus an, um die Verlegung abzustimmen. „Da erfuhr ich, dass sie gerade gestorben war.“

Eine junge Elisabethschwester aus dem Stift und ein Arzt waren bei ihr gewesen.

Die Frauenkirche, die keine zehn Bahnminuten vom Stift entfernt liegt, wird Magdalena nun nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie hat kurzerhand eine andere Reise angetreten. Die Frage, ob sie zu dieser Reise schon bereit war, hätte Magdalena wohl so knapp beantwortet wie die Frage nach der Rundfahrt durch Dresden:

„Ja, freilich.“

Die Beerdigung fand am Donnerstag, 16. Dezember, in Dresden statt. Ihre Mitschwestern, Familienangehörige, ehemalige Kollegen und Bekannte feierten das Requiem um 7.30 Uhr in der Kapelle des Stifts. Die Beerdigung war um 10 Uhr auf dem katholischen Friedhof  an der Bremer Straße in Dresden.

Was bleibt von Schwester Magdalena?

Besuch in Dresden: Schwester Magdalena und Horst Stamm.

Es bleibt die Freude an ungezählten Begegnungen, Gesprächen, Umarmungen und Messfeiern. Schwester Magdalena war – gefühlt immer – dabei, saß mit ihren Mitschwestern vorn links in der zweiten Kirchenbank und betete und sprach das Vaterunser unaufdringlich etwas lauter, wenn sie spürte, dass die Familie eines Täuflings in der Liturgie nicht sattelfest war.

Unvergesslich sind die Gottesdienste in der Kapelle des Schwesternhauses. In der Bescheidenheit dieses Raums kamen immer wieder auch Menschen zusammen, die sich einen „großen“ Gottesdienst nicht zumuten mochten, z.B. weil sie krank oder verletzt waren. Hier fanden sie, ganz nah am Geschehen, Trost in der Eucharistie, dargereicht oft unter beiderlei Gestalt.

Magdalena trug die Anliegen unserer Gemeinden und der Welt mit, teils mit Worten und teils auf ihren eigenen Schultern. Sie begleitete betend Männer und Frauen unserer Gemeinden auf ihren mitunter abenteuerlichen Fahrten nach Polen und nach Litauen.

Wir verdanken Schwester Magdalena Bilder der Sonntage und der Alltage: Intensiv sehe ich Schwester Magdalena mit ihren rheumatischen Händen und Füßen vor mir, die uns schon beim Zusehen mitschmerzten und die dennoch in verschiedensten Anliegen klag- und rastlos aktiv waren. Ihre Augen schauten immer gütig.

Wir erlebten einander und nahmen Anteil, wie man am Leben der eigenen Familie Anteil nimmt, und standen füreinander ein, wie es Verwandte und Freunde tun. Zugleich blieb eine gute Art von Distanz und Eigenständigkeit. Nie war der Konvent eingemeindet.

Bis zu ihrem angeordneten Abschied 2018 hatte Magdalena in Aurich für reiche Ernte gesorgt. Die Schwester war einfach da gewesen, hatte ausgeglichen, getröstet, war mit ihrem blauen Polo bei ungezählten Menschen auf Besuch gewesen, hatte ihnen unauffällig, dienstbar und klaglos beigestanden. Immer im Gepäck hatte sie einem liebevollen Blick auch auf menschliche Schwächen und Leid.

In ihrer Nähe war spürbar, dass bei Gott niemand allein ist.

Kirchenbank in der Kapelle des Auricher Konvents nach der allerletzten Heiligen Messe.

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