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Am 1. Juni 2012 waren es 370 Jahre her, da der
Pfarrer von Kevelaer das Gnadenbild in ein Kapellchen einsetzte. Es war
der Beginn der Kevelaer-Wallfahrt, einer der größten marianischen
Bewegungen in Europa. Und noch immer wirkt der Hendrik-Busmann-Code
nach, der den Gelderner Kleinkaufmann zum Wallfahrtsstifter erklärt,
während seine Frau Mechel Schrouse unterschlagen wird.
Nicht
Hendrik Busmann hat Pfingsten 1642 das Gnadenbild in einer Vision
gesehen, sondern seine Frau. Nicht er hat unter großen Mühen das
Andachtsbildchen der Luxemburger Madonna aufgetrieben und schließlich
von einem Soldaten gekauft, sondern Mechel, seine Frau. Nicht zur
Gnadenkapelle pilgern Millionen Menschen, sondern zum Gnadenbild.
Mechel Schrouse.
Es ist hohe Zeit, die verschobenen Säulen, auf denen die
Ursprungsgeschichte der Kevelaer-Wallfahrt ruht, statisch korrekt zu
richten.
Der Hendrik-Busmann-Code wurde von Menschen eingeführt, für die die
Gleichstellung der Frau ein Fremdwort war. Wenn sogar die Mutter Jesu
in den heiligen Schriften selten erwähnt wird und in den späteren
Jahrhunderten nur wenige Frauen in den von Männern beherrschten Kreis
„bedeutender Menschen„ aufgenommen wurden, musste auch im 17.
Jahrhundert die Rolle der Visionärin Mechel Schrouse, der eigentlichen
Stifterin der Wallfahrt zum Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten„,
kleingeschrieben werden.
Es wurde ein Code benutzt, der die Geschichte vermännlichte und aus
Hendrik Busmann den Hauptinitiator machte. In Wirklichkeit war der Mann
zögerlich und bedurfte zweifacher Wiederholung seiner Audition am
Kevelaerer Hagelkreuz („Hier sollst du mir ein Kapellchen bauen„), bevor
er die Errichtung der kleinen, aber begehbaren Kapelle in Erwägung zog.
Von dem Gnadenbild war zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede. Busmann
kannte die 1640 in Antwerpen gedruckten Andachtsbildchen mit der
Luxemburger Madonna überhaupt nicht.
Das
Kapellchen, dessen Bau dem Kleinkaufmann im Gebet aufgetragen worden
war, hatte für Busmann zum Zeitpunkt seines dreimaligen Hörwunders
am Hagelkreuz in Kevelaer nur die Bedeutung einer Andachtsstätte ohne
besondere Ausstattung. Dass hier ein Bildchen eingesetzt werden sollte,
nämlich das spätere Gnadenbild, davon wusste Busmann zunächst nichts.
Hendrik Busmann.
Busmanns Kapellchen und die später gebaute Gnadenkapelle, die den
Ursprungsbildstock umfasst, wären ein Andachtsraum wie Tausende andere
geblieben, wenn nicht ein Heiligtum, nämlich das Gnadenbild, eingefügt
worden wäre. Erst das Bild machte aus der Kapelle eine Gnadenkapelle.
Dafür aber war Busmann nicht verantwortlich. Der Kleinkaufmann, der dem
Bauprojekt auch aus Kostengründen zaudernd gegenüber stand, überwand
seine Bedenken zunächst nicht einmal, als seine Frau Mechel Schrouse
berichtete: Sie habe in einer Nacht um Pfingsten 1642 in einem hellen
Licht jenes Bildchen aus Papier gesehen, das ihr kurz zuvor ein Soldat zum Kauf
angeboten hatte. Er glaubte ihr erst, als zwei nächtliche Passanten ihn
fragten, was das für ein Licht gewesen sei, das in der Nacht sein Haus
erhellt habe.
Mechel Schrouse, nicht ihr Mann, war es, die in ihrer Vision den Zusammenhang
zwischen dem Auftrag zum Bau eines Kapellchens, den ihr Mann bekommen
hatte, und dem Andachtsbildchen, das sie gesehen hatte, herstellen
konnte: Es sollte, was vorher keineswegs eindeutig war, eine marianische
Andachtsstätte mit einem genau bestimmten Bildchen werden.
Das verdankt die Nachwelt in erster Linie Mechel Schrouse, der nicht
genannten Wallfahrtsstiferin. Um ihre entscheidende Rolle kleiner und
die ihres Mannes größer zu machen, wurde der Hendrik-Busmann-Code
benutzt.
Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Hendrik Busmann und die Entstehung der Kevelaer-Wallfahrt
Mittwoch, 6. Juni 2012
© Martin Willing 2012