|
|
|
1884 verliehen
Das Privileg, einen Päpstlichen Segen erteilen zu dürfen, wurde 1884 dem
Pastor im Wallfahrtsort Kevelaer,
Joseph van Ackeren, von Papst Leo XIII. verliehen; es überträgt sich
auf den jeweils amtierenden Wallfahrtsrektor. Seit der Verleihung des
Privilegs können die Gläubigen in Kevelaer den päpstlichen Segen an den
Festtagen Maria Heimsuchung (2.7.), Mariä Himmelfahrt (15.8.), Mariä
Geburt (8.9.) und Maria Königin/Allerheiligen (1.11.) empfangen.
Das Recht zur Erteilung des Päpstlichen Segens ist an die Person des
Kevelaerer Pastors gebunden. In aller Regel delegiert er dieses Recht zu
den
vier marianischen Hochfesten an eine hochgestellte Persönlichkeit
der Kirche, die zu Gast im Wallfahrtsort weilt.
Mit dem Segensprivileg für den Marienwallfahrtsort (1884) und der
Gnadenbildkrönung (1892) erkannte der Heilige Vater Kevelaer endgültig
als einen der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte nördlich der Alpen an
und stützte ihn gegen die Säkularisierungswelle, die das Land damals
erfasst hatte.
Es wird angenommen, dass der Emmericher Priester
Anton de Waal (* 1837,
geweiht 1862, † 1917) die Privilegierung Kevelaers entscheidend
vorbereitet hat, so wie später, 1892, die Krönung des Gnadenbilds.
Mit dem Päpstlichen Segen werden jenen Gläubigen zeitliche
Sündenstrafen, besser Sündenfolgen genannt, erlassen, die im Sinn der
Kirche beten und die Sakramente der Beichte und der hl. Kommunion
empfangen. Der Ablass ist keine Sündenvergebung. Wenn Menschen andere
Menschen - und damit letztendlich ihre Beziehung zu Gott - verletzten,
wird in der Beichte die Schuld vergeben, es bleibt aber die einmal
geschehene Verwundung, die Sündenfolge, in der Welt. Die Kirche und ihre
Gläubigen, die sich als Leib Christi begreifen, arbeiteten mit Beten und
guten Werken daran, die Folgen zu mildern (nach Dr. Stefan Zekorn in
einem Gespräch mit
Delia Evers).
Papst Leo XIII., dessen Pontifikat bis 1903 reichte, genehmigte 1889
auch eine Kevelaer-Votivmesse der Allerseligsten Jungfrau Maria, der
Trösterin der Betrübten, und er schenkte 1890 dem Priesterhaus ein
wertvolles Missale mit kostbaren Beschlägen und Edelsteinen, das ab 1951
als verschollen galt und 1992 in einem Lager im Priesterhaus
wiederentdeckt wurde.
Prozession in Kevelaer (Ausschnitt aus dem
Segensbuch, gemalt von Friedrich Stummel).
Fotos: Delia Evers
Direkten Bezug zum Päpstlichen Segen hat ein anderes Buch: Es ist das
Segensbuch, das das Kirchenmaler
Friedrich Stummel und Goldschmied
Franz
Wilhelm van den Wyenbergh zwischen 1902 und 1904 geschaffen haben.
Viermal im Jahr - zu jeder Papstsegensspendung - wird es hervorgeholt.
Dennoch kennt es kaum jemand.
Stummel dokumentiert im Segensbuch in aufwendigem Malstil auf elf
einseitig illustrierten Blättern aus Tierhaut die Verleihung des
Segens-Privilegs, den Wortlaut des apostolischen Schreibens, den Ritus
der Segensspendung und das Segensgebet.
Auf den elf Seiten schlägt der Meister einen prächtigen Bilderbogen auf,
zeigt Leo XIII. über dem fein ausgezeichneten Petersplatz und malt die
Motive Mariä Heimsuchung (2. Juli), Mariä Himmelfahrt (15. August),
Mariä Geburt (8. September) und Allerheiligen/Maria Königin (1. November) aus. Jeweils
an den Sonntagen nach diesen Festen wird der päpstliche Segen in
Kevelaer gespendet.
Nicht nur der Malstil, sondern auch Stummels Motive sind beeindruckend,
darunter Bilder, die den Gnadenort selbst bezeichnen: der Kapellenplatz
mit der schlichten Gnadenkapelle unter den noch jungen Linden, eine
feierliche Prozession mit deutschen und niederländischen Pilgern,
dahinter die Kerzenkapelle und das Heidelberger Fass.
Weiter
zeigt Stummel das später zerbombte Klarissenkloster mit seiner Kapelle.
Zu ihm hatte Joseph van Ackeren, 1884 der Empfänger des päpstlichen
Segensprivilegs, eine besondere Beziehung. Er hatte ab 1889 entscheidend
die Ansiedlung der Klarissenschwestern in der Marienstadt vorangetrieben
und ein Grundstück zwischen Venloer und Twistedener Straße bereit
gestellt.
Rathaus und Kirche des Klarissenklosters.
Ein weiteres Bild zeigt das 1902 konsekrierte neue - und an die
Altkirche angebaute - St.-Antonius-Gotteshaus, dessen Werden ebenfalls
maßgeblich auf van Ackeren zurückgeht.
Auch das damals neu gebaute (heute alte) Rathaus an der Busmannstraße
ist zu sehen. Eigentlich hatte die Stadt es mit einer großen Feier
Anfang Mai 1903 einweihen wollen. Doch sie sagte das Fest ab. Joseph van
Ackeren lag im Sterben. Heute wirken Stummels Werke im Segensbuch wie
eine bildliche Würdigung der Lebensleistung des Geistlichen.
Vielleicht
malte der Künstler deshalb eine Szene ins Buch, die eine kleine, aber
charmante „Unsauberkeit“ enthält. Es zeigt Joseph van Ackeren, kniend
vor Papst Leo XIII. im Vatikan, bei der Entgegennahme eines Papiers,
wohl des Privileg-Dokuments. Der Kevelaerer Geistliche ist damals
allerdings nicht in Rom gewesen.
Pfarrer Joseph van Ackeren beim Heiligen Vater - eine fiktive Szene als Reminiszenz an den bedeutenden Kevelaerer Geistlichen.
Joseph van Ackeren bekam das Segensbuch nicht mehr zu Gesicht. Stummels
Bilder mögen 1903 fertig gewesen sein. Der Einband war es nicht. Franz
Wilhelm van den Wyenbergh signierte ihn auf dem Innendeckel mit der Zahl
1904.
Gedacht war das Buch ursprünglich wohl als Geschenk für van Ackeren: Am
17. Dezember 1903 hätte er sein Goldenes Priesterjubiläum feiern können.
Er starb bereits im Mai 1903. Heute ist das Buch illustrierte Kevelaerer
Kirchengeschichte.
Zu
der üppigen Bilderpracht von Friedrich Stummel passt das Gehäuse, in das
die Bilderseiten des Segensbuchs eingebunden sind und das an einen
kostbaren Evangeliar-Einband erinnert. Franz Wilhelm van den Wyenbergh
schuf es aus Messing, das er versilberte und vergoldete. Der Deckel
glänzt, in einem Hochrelief ausgearbeitet, mit einer berührend schönen
Muttergottes-Darstellung - Maria, geherzt von ihrem Kind, das seine
Rechte auf der Erdkugel ruhen lässt, die Häupter in einem Sternenhimmel,
die Mitte vor einem Teppich, die Füße der Muttergottes in einem
Rosenblütenmeer.
Der von F. W. van den Wyenbergh geschaffene Einband des Segensbuchs aus Messing, das der Goldschmied versilberte und vergoldete. Der Metallkünstler verarbeitete Halbedelsteine und Emaille. Der Deckel glänzt, in einem Hochrelief ausgearbeitet, mit einer berührend schönen Muttergottes-Darstellung.
Umgeben hat der Metallmeister das schöne Bild mit einem Rahmen aus fein
ziselierten Ranken, in die Halbedelsteine und Emaille-Medaillen
eingearbeitet sind.
Das Segensgebet
Das Segensgebet zum Päpstlichen Segen wird seit der Verleihung des
Privilegs unverändert - in lateinischer Sprache - vorgetragen:
Confiteor: lat. von Schola gesungen
Ep: Misereatur vestri omnipotens Deus et dimissis peccatis vestris,
perducat vos ad vitam æternam.
A: Amen.
Ep: Indulgentiam, absolutionem et remissionem peccatorum vestrorum
tribuat vobis omnipotens et misericors Dominus.
A: Amen.
Ep: Adjutorium nostrum in nomine Domini.
A: Qui fecit coelum et terram.
Ep: Salvum fac populum tuum Domine et benedic hereditati tuae. Dominus
vobiscum.
A: Et cum spiritu tuo.
Ep: Oremus.
Omnipotens et misericors Deus, da nobis auxilium de sancto, et vota
populi hujus in humilitate cordis veniam peccatorum poscentis, tuamque
benedictionem praestolantis
et gratiam clementer exaudi dexteram tuam super eum benignus extende, ac
plenitudinem divinae benedictionis effunde, qua bonis omnibus cumulatus,
felicitatem et vitam consequatur aeternam per Christum Dominum nostrum.
A: Amen.
Ep: Benedicat vos omnipotens Deus + Pater + et Filius + et Spiritus
Sanctus.
A: Amen.
[Übersetzung:
B: Es erbarme sich euer der allmächtige Gott, er lasse euch die Sünden
nach und führe euch zum ewigen Leben.
A: Amen.
B: Nachlass, Vergebung und Verzeihung eurer Sünden gewähre euch der
allmächtige und barmherzige Herr.
A: Amen.
B: Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn.
A: Der Himmel und Erde erschaffen hat.
B: Deinem Volke schenke Heil, o Herr, und segne dein Erbe. Der Herr sei
mit euch.
A: Und mit deinem Geiste.
B: Lasset uns beten. Allmächtiger und barmherziger Gott, sende uns Hilfe
von deinem Heiligtum und erhöre in Gnaden das Flehen deines Volkes. In
der Demut des Herzens erbittet es Verzeihung der Sünden und deine Gnade.
Strecke deine Rechte aus über dein hier versammeltes Volk und gieße über
ihm die Fülle deines göttlichen Segens aus, auf dass es, reich beschenkt
mit allen Gütern, Glück und ewiges Leben erlange. Durch Christus unseren
Herrn.
A: Amen.]
Eine Vision von Friedrich Stummel im
Segensbuch zum Päpstlichen Segen.
Delia Evers