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    SACHBEGRIFFE |
Offermanns, Maria

Spontanheilung vor dem Gnadenbild Kevelaer 1949 | * 1903 | † 1993

Maria Offermanns1948 war die Bewegungsfähigkeit der an Multipler Sklerose erkrankten Maria Offermanns so stark eingeschränkt, dass sie ein Stützkorsett mit Stahlstangen tragen musste. Ihre Beine versagten den Dienst. Nur wenn sie mit den Schultern Schwung holte, konnte sie sich zentimeterweise vorwärts bewegen.

Maria Offermanns ( * 1903, † 1993).
Foto aus: Wilhelm van Aaken/Heinz von der Linde,
"Ich bin geheilt!". S. 212


Die 45-Jährige gab die Hoffnung nicht auf und schloss sich 1949 einer Wallfahrt ihrer Gemeinde Aachen-Brand nach Kevelaer an. Hier schleppte sie sich unter Aufbietung aller Kräfte betend über den Kreuzweg und ließ sich anschließend zur Gnadenkapelle fahren. „In dem Moment, als ich das Gnadenbild sah, fing ich laut an zu schreien“, schrieb sie später in einem Brief. Viele Ohren- und Augenzeugen erlebten, was nun geschah.

Maria OffermannsMaria Offermanns schrie mehrmals: „Hilf Maria, es ist Zeit, ... es ist die höchste Zeit!“ Nach ihrem Hilfeschrei löste sich Maria Offermanns von ihren drei Helfern, die sie stützten, und kniete nieder. Niemand um sie herum rührte sich. „Liebe Mutter Gottes, ich kann doch knien, dann lass’ mich doch noch einmal gehen“, betete sie.

Votivtafel in der Kerzenkapelle.

Dann stand die Frau auf, begab sich zum Gnadenbild, küsste es dreimal, kniete sich wieder hin und sagte: ‘Liebe Mutter Gottes, du hast mir geholfen“.

Erst als Maria Offermanns ohne Hilfe aufstand und sich auch beim Gehen nicht mehr helfen lassen musste, begriffen die Umstehenden, was hier geschehen war. Bei ihrer Rückkehr nach Aachen-Brand spielten sich ergreifende Szenen ab. Die Zeitungen berichteten von einem Heilungswunder. Maria Offermanns war, so hieß es in Berichten, vollständig gesund nach Hause zurückgekehrt. In der Kerzenkapelle wurde später eine Danktafel angebracht.

BuchtitelDieses jüngste Heilungswunder in der Geschichte der Gnadenstätte Kevelaer wurde 2001 von Schülern des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums erforscht. Sie waren angeregt worden von ihrem Religionslehrer Wilhelm van Aaken, der später über alle Spontanheilungen in Kevelaer in einem Buch berichtet hat. Die Schüler sprachen mit dem hochbetagten Ehemann von Maria Offermanns und dokumentierten die bewegenden Vorgänge am Festtag Mariä Himmelfahrt des Jahres 1949.

"Ich bin geheilt!" - Spontanheilungen in Kevelaer aus vier Jahrhunderten, Wilhelm van Aaken und Heinz van der Linde.

Maria Offermanns, die 1993 gestorben ist, war seit 1948 an Multipler Sklerose erkrankt. Mit Schmerzen im Rücken fing es an, bald konnte sie den Haushalt mit ihren drei Kindern nicht mehr versorgen. Ihre Bewegungsfähigkeit wurde immer stärker eingeschränkt, und schließlich war sie ständig auf ein Stützkorsett mit Stahlstangen angewiesen. Ihre Beine versagten den Dienst. Nur wenn sie mit den Schultern Schwung holte, konnte sie sich zentimeterweise vorwärts bewegen.

Die Diagnose war niederschmetternd: Multiple Sklerose und, so sagten es ihr die behandelnden Ärzte, keine Aussicht auf Heilung.

Maria Offermanns, damals 45, gab die Hoffnung nicht auf. Sie kämpfte, dass es „nicht so schnell mit mir zu Ende ginge“. Tag und Nacht „betete ich zur Gottesmutter, damit sie mir die Kraft gebe, dagegen anzukommen“, schrieb sie 1952 in ihrem Brief an den damaligen Wallfahrtsrektor.

Ein Arzt hatte ihr den Tipp gegeben, sich einer Wallfahrt anzuschließen. Morgens um 6 Uhr wurde die Kranke zu Hause in Aachen-Brand abgeholt. Sie, ihr Mann und ihr Vater weinten beim Abschied. Es war eine bedrückte Stimmung, als trennte man sich für immer.

„In Kevelaer konnte ich nun nichts unternehmen“, lesen wir in ihrem Brief aus dem Jahr 1952, „weil ich ja nicht laufen konnte. Man setzte mich im Hotel ‘Zum weißen Schwan’ ab, und ich musste nun zusehen, wie alle fortgingen, um zu beten. … Nachmittags fuhr man mich zum Kreuzweg, wo ich nur unter großen Schmerzen den Kreuzweg unternahm“.

Maria Offermanns bewegte sich im Schneckentempo vorwärts, gestützt von Helfern. Andere Kreuzweg-Besucher konnten das Elend kaum mit ansehen und boten an, die kranke und vor Schmerzen weinende Frau ins Hotel zu fahren.

Maria Offermanns hielt die ganze Strecke des Kreuzweges durch, aber dann sollte sie direkt ins Hotel gebracht werden, weil ihre Kraft am Ende war. Die Frau wehrte sich dagegen, denn eine Pilgerfahrt ohne Besuch der Gnadenkapelle kam für sie nicht in Frage. „Der Fahrer fuhr mich direkt bis zur Türe und drei Mann brachten mich zum Gnadenbilde“, heißt es in dem Brief von Maria Offermanns. „Ich war so elend, dass ich dachte, jede Minute zusammenzubrechen, und nun kam so richtig die Verzweiflung über mich“.

„In dem Moment, als ich das Gnadenbild sah, fing ich laut an zu schreien“. … „Man befürchtete, ich sei durchgedreht“.

Viele Ohren- und Augenzeugen erlebten, was nun geschah. Maria Offermanns schrie mehrmals: „Hilf Maria, es ist Zeit, … es ist die höchste Zeit!“

Nach ihrem Hilfeschrei löste sich Maria Offermanns von ihren drei Helfern, die sie stützten, und kniete nieder. Niemand um sie herum rührte sich. „Liebe Mutter Gottes, ich kann doch knien, dann lass’ mich doch noch einmal gehen“, betete sie. „Ganz ruhig bin ich dann geworden und bin aufgestanden, habe das Marienbild dreimal geküsst, bin dann wieder hingekniet und habe gesagt: ‘Liebe Mutter Gottes, du hast mir geholfen“.

Den Umstehenden wurde langsam bedenklich zu Mute. Jemand sagte zur Maria Offermanns, sie solle nun schweigen, denn sie wisse wohl nicht, was sie da sage. „Da wollte man mich mit Gewalt fortziehen“. Eine Frau in der Nähe von Maria Offermanns sagte: „Kommen Sie, Frau Offermanns, jetzt ist es ganz aus“. Die Pilgerin wirkte auf andere scheinbar wie geistesgestört. „Da sagte ich: ‘Es ist mir sehr schwindlig, aber ich kann gehen’“. Sie stand auf, die Helfer wollten sie unterfassen, aber Maria Offermanns sagte noch einmal: „Ich kann gehen“.

Sie torkelte in Richtung Altar, kniete dort nieder und bat die Umstehenden, mit ihr ein Vater unser zum Dank zu beten, denn die Gottesmutter habe ihr geholfen.

Längst hatte sich die Kunde von dem seltsamen Geschehen über den Kapellenplatz verbreitet. Aus allen Richtungen strömten Menschen herbei. Sie sangen und beteten.

Die damals 15-jährige Hermi Jakobs von der Gelderner Straße 164, mit der Wilhelm van Aaken gesprochen und deren Aussagen er festgehalten hat, kann sich an die „sehr gut aussehende Frau“ mit ihrem „dunklen Haar“ gut erinnern. Vier Frauen hatten sie aus dem Bus und zur Gnadenkapelle getragen. Hermi Jakobs war damals Lehrling bei der Paramentenstickerei Tauwel & Jansen am Kapellenplatz.

„Gegen Abend nach der Arbeit - ich musste noch die Stube auskehren - kam die Meisterin gelaufen und sagte: ‘Auf dem Kapellenplatz ist ein großer Menschenauflauf. Es soll eine Frau geheilt worden sein’. Ich hatte meinen Arbeitskittel noch an, bin dann heruntergelaufen, habe mich durch die Menschenmenge gedrängt und sah schließlich die Frau, die ich morgens als Kranke erlebt hatte, aus der Gnadenkapelle herauskommen, allein, ohne gestützt zu sein. Ein Kind lief vor ihr her, ein kleiner Junge, der weinte und ‘Mama, Mama’ sagte.“ Es war ihr jüngster Sohn.

Maria Offermanns sei schließlich zum Priesterhaus gegangen. Dort soll sie von dem Kevelaerer Arzt Dr. Oehmen untersucht worden sein. „25 Jahre später habe ich Frau Offermanns noch einmal gesehen, als sie mit einem Bischof von Aachen 1974 in Kevelaer in der Basilika im Chorraum an einem Gottesdienst teilgenommen hat“.

Maria Offermanns trug nie wieder ihr Korsett, in dem zwei Millimeter dicke Stahlstangen staken. „Ich werde Gott, so viel es in meinen Kräften steht, ewig danken für die Gnade, die ich auf die Fürsprache der Gottesmutter erhalten habe“, schrieb sie in ihrem Brief.

TelegrammBei ihrer Rückkehr nach Aachen-Brand spielten sich ergreifende Szenen ab. Die „Aachener Nachrichten“ berichteten unmittelbar nach dem wunderbaren Geschehen in Kevelaer von „Tränen der Rührung und des Glücks unter der Brander Bevölkerung“.

Telegramm an ihre Familie: "Bin geheilt. Eure Mutter!"

Wer könne da zweifeln? Maria Offermanns sei krank nach Kevelaer gefahren worden, und nun hätten viele gesehen, wie sie ohne Hilfe aus dem Wagen gestiegen sei. „Manch einer mag seit langem zum ersten Mal wieder in tiefer Gläubigkeit in das Lied eingestimmt haben, das die Brander aus diesem Anlass in der Kirche zur Ehre Gottes sangen“, schrieb die Zeitung.

Der Arzt, der Maria Offermanns behandelte, bestätigte ihr nach der Rückkehr aus Kevelaer: „Sie sind vollständig gesund. Es sind nicht einmal Spuren ihrer Krankheit vorhanden“. Die Nervenlähmung, die die Frau quasi gehunfähig gemacht hatte, war verschwunden.

Mit ihrer körperlichen Gesundung veränderte Maria Offermanns ihr Leben von Grund auf. Die gelernte Weberin, Mutter von drei Kindern, die noch acht Enkel und einige Urenkel erleben durfte und 90 Jahre alt wurde, setzte fortan ihre ganze Kraft dafür ein, für andere Menschen da zu sein. 1976 wurde sie für ihre karitative Tätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Sie war, wie Willi van Aaken im Gespräch mit ihrem Mann erfuhr, nach der Heilung häufig in Kevelaer. 1974 nahm sie, zum 25. Jahrestag ihrer Heilung, am Dankhochamt in der Basilika teil, das Heinrich Maria Janssen zelebrierte.

In der uns zugänglichen Kevelaer-Literatur ist die Heilung von Maria Offermanns nicht aufgeführt, obwohl dieser Vorgang aus dem Jahr 1949 bis in die Einzelheiten jenen Wundern aus dem 17. Jahrhundert gleicht, die kirchlich anerkannt worden sind oder die mit bischöflicher Approbation bekannt gemacht werden durften. Die Auflistung z.B. von P. Christian Hubens endet mit der Oratorianer-Zeit. Über körperlich fassbare Heilungswunder spricht man in Kevelaer seit Jahrzehnten nicht mehr gerne.

Dabei hatte die Hoffnung auf Heilungswunder durch Einwirkung der Consolatrix afflictorum rund 160 Jahre lang Tradition und Bestand. Hier ereignete sich im Durchschnitt pro Jahr eine „spektakuläre“ Heilung, und zwar von 1642, dem Entstehungsjahr der Wallfahrt, bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Insgesamt lassen sich - aus unterschiedlichen Quellen - über 200 solcher Wunder belegen.

Davon besitzen etwa 30 die Anerkennung des Bischofs in Roermond, der bis zum 19. Jahrhundert für Kevelaer zuständig war. Von den 30 haben acht einen Sonderstatus, nämlich die Anerkennung durch die Synode von Venlo (11. Februar 1647), auf der 24 Theologen und Ärzte prüften und bestätigten, dass für die acht Heilungen aus der Anfangsperiode der Kevelaer-Wallfahrt keine natürliche Erklärung zu finden war. Diese acht Wunder, Grundvoraussetzung für die kirchliche Anerkennung Kevelaers als marianischer Gnadenort, unterscheiden sich in Inhalt, Ablauf und Nachprüfbarkeit nicht von solchen Wundern, die später eingetreten sind. Wäre der Vorgang „Offermanns“ Gegenstand der Venlo-Synode im 17. Jahrhundert gewesen, hätte er Anerkennung gefunden.

Die Nichtbeachtung der Heilung von 1949 als ein vorstellbares Wunder hat Gründe. Die Periode der Genesungswunder von Kevelaer klang nicht weich aus, wie man vermuten könnte. Sie wurde nicht langsam und in Etappen vom Geist der Aufklärung verdrängt, der seit der Französischen Revolution die Menschen in Europa in den Bann schlug. Ihr Ende kam abrupt mit der Besetzung der Niederrheinlande durch Napoleon und der Zwangsauflösung des Oratorianer-Klosters. Quasi über Nacht bekam Kevelaer eine neue geistliche und weltliche Führung und wurde „fremden“ Bistümern - erst Aachen, dann Münster - zugeordnet. Ähnliches geschah in den Einzugsgebieten der Kevelaer-Wallfahrt. Alte Bande wurden zerstört. An einer Hand kann man die bekannt gewordenen Heilungswunder aufzählen, die sich nach 1800 bis heute ereignet haben.

In der aufgeklärten Gegenwart glaubt man kaum noch an solche Wunder. Man pilgert nicht nicht mehr nach Kevelaer, um durch ein Wunder von einem körperlichen Leiden befreit zu werden, sondern erfleht Kraft und Trost in körperlicher und geistiger Not. Mit Hilfe dieser "Spiritualisierung" nahm der Wallfahrtsort Kevelaer seinen Übergang in die Neuzeit.

Fast zeitgleich mit der Wundervergeistigung, die bis heute anhält („Kevelaers Wunder ereignen sich im Beichtstuhl“), gewannen die aus unseren Breiten verdrängten, körperlich fassbaren Heilungswunder eine Bedeutung für die katholische Welt, wie man sie vorher noch nicht erlebt hatte: Neue marianische Wallfahrtsorte, die auf Marienerscheinungen gründen, leiteten eine machtvolle Renaissance der Volksfrömmigkeit ein.

Die eher stärker denn schwächer werdende Anziehungskraft von Orten wie Lourdes oder Fatima widerlegt die Einschätzung, der Wunderglaube sei ein Relikt mittelalterlichen Denkens. Die aktuellen Seligsprechungsprozesse mit ihren Wunderuntersuchungen erinnern obendrein daran, dass die Kirche zu keiner Zeit Wunder ins Reich der Kindermärchen verbannt hat.

Wunderglaube ist kein Protest gegen Verkopfung der Theologie. Der aufgeklärte Mensch von heute versteht besser denn je, dass göttliche Allmacht auch das Unglaubliche einschließt.
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Maria Offermanns Textstellen in der Kevelaerer Enzyklopädie:
| Geschichte Kevelaers nach 1945 |

© Martin Willing 2012, 2013