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Gesellige Vereine Kevelaer

Gegründet 1908 auf Initiative von Bürgermeister Mathias Marx

Gesellige Vereine 1910Die Kernaufgabe der Geselligen Vereine Kevelaer hat sich seit ihrer Gründung Anfang 1908 nicht geändert: Sie richten die jährliche Kirmes aus, für die im Wechsel eine der angeschlossenen Vereinigungen als "festgebender Verein" auftreten und einen Festkettenträger benennen darf. Bis heute empfindet es der festgebende Verein als besondere Ehre und Verpflichtung, im Vordergrund der gemeinsamen Kirmes zu stehen. Die Festkette tragen zu dürfen, gilt als herausragende Auszeichnung.

Die erste Festkettenübergabe in Kevelaer (1910) an Festkettenträger Anton Janson, Schützenkönig der Bürgerschützengesellschaft Kevelaer.

Die sich jährlich wiederholende Zeremonie, in deren Mittelpunkt die Überreichung der Festkette durch den Bürgermeister steht, gilt als der Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Keiner anderen Handlung im vorkirchlichen Raum wird eine solche Bedeutung zugeordnet wie der Festkettenübergabe.

Dieser Vorgang, der in Kevelaer seit über 100 Jahren verankert ist, hält die angeschlossenen Vereine zusammen und verpflichtet sie gemeinschaftlich auf das Ursprungslosungswort "Seid einig!". Dass diese auf Gemeinsamkeit eingeschworene Vereinigung weder in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg, noch während des NS-Regimes, noch in der Jetzt-Zeit mit all ihren gesellschaftlichen Veränderungen auseinandergebrochen ist, hat einen besonderen Grund.

Er liegt in dem Losungswort, das allen Zeitgeistern trotzt und damit zeitlos ist. In der Losung "Seid einig!" liegt ein Wert, der hohe gesellschaftliche Akzeptanz besitzt. Einem solchen Verlangen widerspricht ohne wichtigen Grund niemand.

Gleichwohl können auch "hohe Werte" für politische Ziele missbraucht werden. In den Gründerjahren nach der Wende zum 20. Jahrhundert, als das Kaiserreich noch mit Glanz und Gloria auftrat, stellte sich das "Seid einig!" in den Dienst des überbordenden vaterländischen Geistes, der im Kaiserreich herrschte und letztlich die Verherrlichung der Monarchie und des Deutschtums förderte. Kevelaers Bürgermeister > Mathias Marx, der am 18. Februar 1908 im "Goldenen Schwan" im Beisein von Vereinsvertretern den ersten "festgebenden Verein" auslosen lassen wollte (woraus sich die später selbstständigen Geselligen Vereine entwickelten), handelte nicht mehr als pflichtgemäß: Die preußische Regierung hatte die ihnen direkt unterstellten Bürgermeister aufgefordert, vaterländische Vereine mit neuen Ideen zu beleben. Die damit verbundenen Absichten der Regierung hatten politische, nicht gesellschaftliche Ziele.

Die daraus entstandenen Geselligen Vereine Kevelaer hätten wohl nicht überlebt, wenn nicht der Erste Weltkrieg und der Untergang der Monarchie eine radikale Zäsur vollzogen hätten. Waren die "Geselligen" bis dahin kaum mehr als ausführende Gehilfen des Rathauses und damit gelenkt von der Regierung, emanzipierten sie sich nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Gemeinschaft, die ihr Tun selbst verantwortete. Den deutlichsten Ausdruck fand dieser Wechsel im Geist und Ziel in der Berufung eines eigenen Präsidenten, der - noch während der Amtszeit von Bürgermeister Marx und mit seiner Zustimmung - unabhängig vom Rathaus das Heft des Handelns in die Hand nahm. Dieser erste Präsident - 1925 gewählt - war der Kaufmann Arnold Dyx.

Die Geselligen Vereine unter Dyx haben sich von den Nazis nicht vereinnahmen lassen, auch wenn ihnen einige Mitgliedsvereine in dieser Zeit verloren gingen: Sie hatten es vorgezogen, ihr Vereinsleben ruhen zu lassen, weil sie sich nicht "gleichschalten" und von ihrer kirchlichen Anbindung trennen lassen wollten. Die "Geselligen" gingen aber auch nicht in den Widerstand gegen das Regime, sondern arrangierten sich. So konnte es - wie im März 1933 - vorkommen, dass ein Fackelzug in Kevelaer anlässlich der Eröffnung des Deutschen Reichstags - Adolf Hitler war gerade zum Reichskanzler ernannt worden - gemeinsam von den Geselligen Vereinen, der NSDAP und der Stahlhelm-Vereinigung bestritten wurde.

Mehr lässt sich aus den Archiven allerdings nicht herausfiltern. So besteht Hoffnung, dass die Losung "Seid einig!" während der NS-Zeit diesmal "anders" gewirkt hat und den Bewohnern des Marienwallfahrtsorts, von denen viele den Nazis ablehnend gegenüberstanden, Kraft gegeben hat, die Zeit durchzustehen.

Seit der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten und Einführung der Demokratie sind Vereinigungen wie die Geselligen Vereine Kevelaer davor gefeit, für politische Ziele eingespannt zu werden. Der einzige "Feind", der noch auszumachen ist, könnte der fehlende Zuspruch in der Gesellschaft sein. Aber die Entwicklung hat gezeigt, dass Festkettenträger und Festkettenübergabe ihre hohe gesellschaftliche Bedeutung bis heute erhalten haben - und das mitten im Internet- und Facebook-Zeitalter. 


Die Präsidenten
1925 > Arnold Dyx
1952 Josef Aengenheyster
1972 > Jan Willems
1984 > Gerd Plümpe
2013 > Peter Tenhaef

© Martin Willing 2012, 2013