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INHALTSVERZEICHNIS |
Kapitel 9 |
1. März 1945
Während der Kampf um jeden Meter Boden im Raum Kervenheim tobt, wird
Kevelaer aus der Luft angegriffen.
Das Postamt an der Gelderner Straße stürzt zusammen. Dach und Gewölbe
der ohnehin erheblich beschädigten St.-Antonius-Pfarrkirche krachen zu
Boden. Meterhoch stapelt sich der Schutt, wo einst Gläubige gekniet
haben. Was von der Inneneinrichtung des Gotteshauses vorher nicht in
Sicherheit gebracht worden ist, wird bei diesem Angriff vernichtet.
Auch einige Privathäuser in der Nachbarschaft erleiden kapitale Schäden.
Das ehemalige Brüx-Haus neben der Kirche steht zwar noch, muss aber bald
wegen Einsturzgefahr abgebrochen werden. Etliche Häuser an der Gelderner
Straße, deren Mauern durch Artilleriegeschosse aufgerissen sind, haben
keine Dächer mehr.
Es sind nicht mehr viele Menschen, die im zwangsevakuierten Kevelaer
trotz der Verbote ausharren - Schätzungen sprechen von 200 bis 300. Wer
im Keller zittert und den Einsturz des Hauses überlebt, ist in seinem
persönlichen Trauma gefangen und kann solche Angriffe kaum abstrahieren
und als Befreiung vom Nazi-Regime empfinden. Gleichwohl ist dies der
letzte Akt der Befreiung von einem monströsen Terror-Staat. Schon bald
werden jedem Deutschen die schrecklichen Informationen aus den befreiten
Konzentrationslagern zugänglich werden. Was die Deutschen in den
überfallenen Ländern und im eigenen Land an Verbrechen begangen haben,
ist ohne Beispiel in der Geschichte.
Die Befreier stehen auch am Niederrhein praktisch vor der Haustür: Die
Amerikaner marschieren bereits durch Venlo, von glücklichen
Niederländern bejubelt.
Derweil sterben in Kevelaer noch Menschen. Wilhelmine Koenen (56 Jahre)
und Maria Koenen (64 Jahre) von der Gelderner Straße überleben den
Luftangriff vom 1. März nicht. In Kervenheim wird Hedwig Verhoeven, geb.
Schlootz (24 Jahre) im Artilleriefeuer lebensgefährlich verletzt.
Niemand kann ihr wegen des Dauerbeschusses zu Hilfe eilen. Erst nach
furchtbaren Stunden stirbt sie und wird am folgenden Tag von Engländern
beerdigt.
Aus dem Raum Wissen ziehen im Schutz der Dunkelheit die letzten
deutschen Fallschirmjäger ab und sprengen die Niersbrücke am Schloss.
Die Turbine für die Stromerzeugung wird zerstört. Die in den
Schlosskellern ausharrende Notgemeinschaft von Isabelle Gräfin von Loë -
sie gewährt Dutzenden von Flüchtlingen Schutz - hat kein elektrisches
Licht mehr.
2. März 1945
Nach dem Abzug der deutschen Soldaten aus Schloss Wissen versuchen die
Frauen und Männer der Notgemeinschaft, etwas Ordnung in das angerichtete
Chaos zu bringen. Überall liegen Panzerfäuste, Gewehre, Munition und
Handgranaten herum; in den als Lazarett benutzten Räumen türmt sich ein
wildes Durcheinander von aufgeschnittenen Uniformen, blutigem
Verbandszeug, Stroh, Unrat und Glasscherben auf.
Gegen Mittag werden die ersten Kanadier gesichtet. Sie pirschen
vorsichtig vom Heidefeld heran. Die alliierten Soldaten prüfen jeden
Raum des Schlosses und stoßen im Keller auf die etwa 60 Personen der
Notgemeinschaft. Die Weezer haben überlebt und Glück gehabt: Vergeblich
hat die Gräfin gegen den Einzug deutscher Kampftruppen protestiert, weil
das mit dem Status des Schlosses als Lazarett - mit großen
Rote-Kreuz-Zeichen auf den Dächern - unvereinbar sei. Aber das hat die
deutsche Truppenleitung nicht weiter interessiert.
Am selben Tag, da Wissen von den Befreiern eingenommen wird, fallen
weitere Bomben auf Kevelaer. Diesmal trifft es das Klarissenkloster. Das
Gebäude an der Twistedener Straße, beim ersten Angriff im September 1944
schwer beschädigt und seit Mitte Januar von den Ordensfrauen verlassen,
wird nun restlos zerstört.
Die letzten deutschen Soldaten im Raum Kervenheim, kaum noch 100 Mann,
die hier den Vormarsch der Alliierten zum Rhein verzögern sollen,
bekommen den Befehl zum Rückzug: Die Amerikaner haben bereits den Kreis
Geldern erreicht. Die Fallschirmjäger geben Kervenheim auf und ziehen
sich zunächst in Richtung Winnekendonk zurück. Britische und kanadische
Einheiten nehmen die völlig ruinierte, angebliche „Festung Kervenheim“
ein - kampflos.
Alle Zivilisten müssen sich auf der Uedemer Straße sammeln, um nach
Bedburg ins Internierungslager geführt zu werden. Derweil rollen von
Murmannsheide aus etwa 50 Panzer heran.
Schweres Artilleriefeuer geht in der Nacht auf Winnekendonk nieder, wo
sich die letzten deutschen Soldaten vergraben haben. In der Feld- und
Kevelaerer Straße brennen die Häuser Essen und Brauers sowie Lommen,
Crom und Franken. Den Tag in Winnekendonk überlebt der Niederländer Age
Eisw v. Humalda (Hestert 159) nicht. Zwei Tage später wäre er 22 Jahre
alt geworden. Die gleiche Adresse hatte der Pole Boleslav Bijak. Der
18-Jährige stirbt am selben Tag.
In Kevelaer wird Maria Gertrud van de Meer (46 Jahre, Keylaer 44) durch
Artillerie getötet.
Etwa an diesem 2. März - ganz genau weiß man es nicht - sterben in
Kervendonk „durch Feindeinwirkung“, wie es heißt, Theodor Kuhnen und
seine Frau sowie Wilhelm Kuhnen. Ihre Leichen werden zwei Tage später
von britischen Soldaten gefunden. Die Briten schaufeln ein Grab und
holen Pfarrer Coenders vom Endtschenhof hinzu, um die Namen der Toten zu
erfahren und damit er als Seelsorger die Bestattung vornimmt. Nach den
Gebeten schließen die Soldaten das dreifache Grab.
Am 2. März, einem Freitag, beginnt um 10 Uhr die
Operation Task Force Byrne - der Vorstoß der Amerikaner von Venlo auf
Straelen. Die US-Panzer passieren die Reichsgrenze und den befestigten
Westwall ohne Probleme. Erst am Panzergraben vor Straelen schießt eine
deutsche Nachhut, bestehend aus wenigen Soldaten, mit Maschinengewehren
und Granatwerfern auf die Amerikaner. Bald sind die meisten Widerstand
leistenden Soldaten getötet oder verwundet. Der Rest flieht in Richtung
Rhein. Um 12.10 Uhr steht der erste US-Panzer in Straelen. Zwei deutsche
Zivilisten laufen den Amerikanern mit weißer Fahne entgegen.
Die Alliierten besetzen die Stadt nicht, sondern fahren am Stadtrand
entlang Richtung Nieukerk. Bei Haus Caen werden sie von 35 völlig
übermüdeten, aus dem Schlaf gerissenen Wehrmachtsoldaten mit
Panzerfäusten angegriffen. Bei dem sich nun entfaltenden Gefecht geraten
Häuser in Brand. Ein Teil der deutschen Soldaten kann fliehen, ein
anderer Teil geht in Gefangenschaft. Um 14.50 Uhr dringen die Amerikaner
in Nieukerk ein. Am Abend geben die Wehrmachtsoldaten auch Aldekerk auf.
In Sevelen wird noch fanatischer Widerstand geleistet. Bei
Straßenkämpfen lassen 53 deutsche Soldaten ihr Leben, mehr als 200
werden verwundet. Über die Opfer der Alliierten bei diesen sinnlosen
letzten Kämpfen in Sevelen liegen keine Angaben vor. Vermerkt hat ein
Berichterstatter nur: „Es waren allesamt Neger.“
An diesem Tag marschieren die Amerikaner in Neuß und Krefeld ein.
Für Twisteden ist an diesem 2. März der Schrecken vorbei: Im Dorf gibt
es keinen einzigen deutschen Soldaten mehr; sämtliche Parteifunktionäre
haben sich verdrückt. Auch kein alliierter Soldat lässt sich blicken,
als sich an diesem schönen Freitag auf der Hauptstraße in Twisteden
Zivilisten versammeln. Für sie, so erzählen sie sich, sei der Krieg
offenbar aus.
Derweil erfahren die verbliebenen Kervenheimer, was Internierung
bedeutet. Zunächst werden sie für eine Nacht in der Kirche eingesperrt,
um am folgenden Tag ins Kloster Uedem oder ins Sammellager in Bedburg
transportiert zu werden. Was sie nicht wissen: Einzelheiten der
Vorbereitungen für die gewaltige Luftlandeoperation der Alliierten, die
größte in der Militärgeschichte, sollen der deutschen Wehrmachtsführung
möglichst lange verborgen bleiben. Dass die Deutschen bis zuletzt nicht
wissen, wo genau die Rheinüberquerung stattfinden wird, gilt als
Voraussetzung für das Gelingen des Großangriffs. Aus Sorge vor
Partisanen und Spionen hat die alliierte Führung daher befohlen, die
gesamte Bevölkerung aus dem Aufmarschgebiet auf der linken Rheinseite zu
evakuieren. Deshalb müssen auch die Kervenheimer abziehen und in der
Internierung auf das Ende des Kriegs warten.
Dieser letzte Tag vor der Einnahme Kevelaers ist ein Tag voller
Gegensätze: In Kervenheim und Twisteden schweigen die Waffen.
Gespenstische Ruhe legt sich über die Dörfer. Um Winnekendonk wird immer
noch erbittert gekämpft, als gäbe es irgendetwas Wichtiges zu gewinnen.
Kevelaer dagegen leistet keinen Widerstand.
Am Abend treffen weitere deutsche Soldaten in Winnekendonk ein, müde,
verdreckt, seit Tagen nicht mehr rasiert. Es sind die geschlagenen
Fallschirmjäger aus Kervenheim. Etwa 40 Mann sind es. Mit 100 haben sie
in Kervenheim die Alliierten aufhalten sollen.
Die Briten stehen am Dorfrand von Winnekendonk. Ihre Panzer wühlen sich
durch die Felder. Am frühen Nachmittag bricht der Widerstand in
deutschen Stellungen bei van de Flierdt, Büllhorsthof und an der
Kevelaerer Straße bei Stammen im Feuer der Alliierten zusammen. Über die
Berberheide rollen die Panzer über offenes Gelände vor und besetzen den
Norden Winnekendonks.
Zuerst auf Roghmannshof, dann auf Plockhorsthof rüsten sich ein paar
Dutzend Deutsche zum letzten Kampf. Die meisten von ihnen sterben hier.
Am Abend sperren die Briten die Einwohner auf Plockhorsthof im
Wohnzimmer ein mit dem Befehl, am folgenden Morgen zu verschwinden.
Aus allen Stellungen im Raum Winnekendonk fluten am 2. März deutsche
Kampfverbände zurück und verstopfen die wenigen befahrbaren Straßen.
Winnekendonk ist noch nicht besetzt; das wird erst am folgenden Tag
geschehen - nach der Einnahme Kevelaers.
Die ist eigentlich schon für diesen Freitag vorgesehen gewesen. Ein
britischer Trupp wird am Mittag auf den Weg geschickt, die Stadt zu
besetzen. Aber die Briten kommen nur langsam voran, weil die Straßen mit
vielen Sprengfallen gesichert sind. Mehrere Panzer fallen aus, nicht
wenige alliierte Soldaten werden durch Minen getötet. Obwohl kaum noch
geschossen wird, sind die letzten Kilometer bis Kevelaer blutig.
Während die Alliierten von Winnekendonk und Keylaer auf die
Wallfahrtsstadt vorrücken, rollt der Rückzug der Deutschen über die
Straße von Kevelaer nach Wetten. Es ist mehr ein Drücken und Schieben
und Stehen im Stau. Die Truppe befindet sich in Auflösung. Es geht nur
noch darum, das Rheinufer zu erreichen.
Die Wehrmacht räumt jetzt den Großraum Kapellen bei Geldern. Mit rund
tausend Fallschirmjägern zieht die Truppe in Richtung Rhein. Vorher
sprengen sie noch Brücken über die Fleuth.
Viele der Deutschen, die vor der alliierten Übermacht zurückweichen,
haben keine Fahrzeuge mehr. Auf Kinderwagen und Schiebkarren schleppen
sie die Reste ihrer Waffenausrüstung mit. Unter zunehmendem Zeitdruck
werden Waffen, Habseligkeiten und auch aus Häusern geplündertes Gut
weggeworfen, um schneller ans Rheinufer zu kommen.
Am frühen Vormittag des 2. März verlassen die beiden letzten deutschen
Soldaten den Wickermannshof auf Laar. Am Abend blicken Weezer zum ersten
Mal britischen Soldaten in die Augen. Die Alliierten trauen der Aussage
zunächst nicht, dass die beiden abgezogenen Deutschen gesagt hätten,
„Wir sind die Letzten“, und sind überaus vorsichtig. Die Spannung
lockert sich später. Die Bäuerin wird um „Eggs“ gebeten.
Deutsche Soldaten, die zu einem Fernmeldebataillon gehören, räumen
Kevelaer in der Nacht zum 2. März restlos und ziehen auf Nebenstraßen in
Richtung Geldern, wo die Amerikaner vor den Toren stehen. Wie nah die
Briten bereits Kevelaer sind, können die abrückenden Deutschen durch die
Dunkelheit sehen, wenn sie zurückschauen: Die Marienbasilika und ihr
hoher Turm werden von britischen Scheinwerfern erfasst. Sie leuchten -
so wie alle markanten Gebäude im unmittelbaren Kampfgebiet.
Natürlich sind auch die Basilika und der Wasserturm zur Sprengung durch
die Deutschen vorgesehen - so wie alle Anlagen und Gebäude, die dem Feind dienlich
sein könnten, zum Beispiel als Orientierungspunkte für Bomber. Missachtung des Befehls wird ohne
Zögern mit dem Tod bestraft, wie ungezählte Vorfälle beweisen.
In der Nacht zum 2. März wird eine Frau aus Kevelaer in einem Keller
zufällig Ohrenzeugin des telefonisch übermittelten Sprengbefehls. Männer
eines Pionierbataillons sollen ihn unmittelbar vor ihrem Rückzug zum
Rhein ausführen. Es steht nur ein kleiner Zeitkorridor für die Sprengung
zur Verfügung. Als in der Dunkelheit am frühen Morgen noch Gelegenheit
ist, die Basilika in die Luft zu jagen, geraten die Pioniere in der
Hauptstraße in ein starkes Artilleriefeuer. Tote und Schwerverwundete
werden hastig auf Lastwagen geladen, und mit ihnen flüchten die Pioniere
in Richtung Rhein.
Ihnen droht wegen Nichtsprengung und Befehlsverweigerung das
Kriegsgericht. Wie schnell in den letzten Kriegstagen verurteilt und
standrechtlich erschossen wird, ist jedem Soldaten bekannt.
Ob die Männer wegen der unterbliebenen Basilika-Sprengung zur
Rechenschaft gezogen worden sind, ist bisher nicht weiter bekannt.
Mindestens einen von ihnen, den Zugführer und Feldwebel Peter Staudt aus
Aschaffenburg, bewahrte letztlich die Gefangennahme durch die Alliierten
davor, von einem deutschen Standgericht verurteilt zu werden.
Die Sprengung der Basilika wäre nicht nur eine weitere Untat der
Deutschen gewesen, die vor ihrem Rückzug bereits einige Kirchen am
Niederrhein in die Luft gejagt hatten. Das Fundament des
Basilika-Kirchturms war seit Jahren der heimliche Schutzraum für das
ausgelagerte Gnadenbild der Consolatrix afflictorum. Wenn die
Pioniere „ganze Arbeit“ geleistet hätten, wäre das Heiligtum womöglich
zerstört worden. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Verschonung der
Basilika und die Frage, wem sie zu verdanken ist, besondere Qualität.
Ab dem späten Vormittag des 2. März, des Vortags der Einnahme Kevelaers
durch die Briten, befindet sich dem Augenschein nach kein
Wehrmachtssoldat mehr in der Marienstadt. An der Gnadenkapelle stehen
drei Männer des Volkssturms in Zivilkleidung. Sie wollen die Kapelle
bewachen, wie sich später ein Angehöriger des Fernmeldebataillons (Dr.
Fritz Lavacher aus Brauweiler, 1995 Vortrag in Kevelaer) erinnert. Jeden
Moment erwarten die drei Volkssturm-Männer das Eintreffen der Alliierten
und befürchten Schlimmes. Doch die Briten lagern noch vor Keylaer.
Ein alliierter Spähtrupp ist mit der aufregenden Nachricht
zurückgekommen, dass er in ein Gefecht mit deutschen Soldaten verwickelt
worden sei. Im Keylaerer Raum, so wird jetzt vermutet, gebe es noch
deutsche Kampfeinheiten. Tatsächlich aber haben sich die letzten
Deutschen nach dem Schusswechsel mit dem Spähtrupp Richtung Rhein
zurückgezogen.
Die wichtige Information, dass es in Keylaer keine deutschen Soldaten
mehr gibt und kein Widerstand zu erwarten ist, gelangt auf ungeklärte
Weise zu einem französischen Kriegsgefangenen, der auf Hofkampshof bei
der Familie Rühl beschäftigt ist. Irénée Hypolite Aguillon, so sein
Name, stammt aus Lourdes. Seine Beziehung zur Gottesmutter, die in
Lourdes und Kevelaer gleichermaßen besonders verehrt wird und deren
Heiligtum in Kevelaer geschützt werden muss, gibt er später als
Beweggrund für seine abenteuerliche Tat am nächsten Morgen, dem Tag der
Befreiung Kevelaers, an.
3. März 1945
Aguillon fährt im Morgengrauen mit dem Fahrrad britischen Einheiten, die sich
am Laxhof eingegraben haben, entgegen und erklärt ihnen, in Keylaer und
in Kevelaer sei mit Widerstand nicht zu rechnen. Die Deutschen seien
abgezogen. Die Briten haben zu Keylaer andere Informationen und glauben
ihm nicht.
In der Tat kann der Franzose eigentlich nicht wissen, wie es außerhalb
„seines“ Hofkampshofs um die Präsenz deutscher Soldaten auf Keylaer
bestellt ist - schon gar nicht, ob Kevelaer von der Wehrmacht verteidigt
werden soll oder nicht.
Hier bleibt für Gläubige - wie im Fall der
unterbliebenen Basilikasprengung - viel Raum für Dankgebete, auch wenn
die Forschung immer noch einiges in den konkreten Abläufen aufzuklären
hat. Für die niederländische Zeitung Gennepse Dourant war schon im
August 1948 klar: „Kevelaer in Kriegsgewalt von Maria beschützt“. Der
Artikel griff die Tat des französischen Kriegsgefangenen auf.
Irénée Aguillon gab 1948 vor seinem Bischof in Lourdes zu Protokoll: Er
sei Gefangener des Kommandos Wissen gewesen. Als der Befehl zur
Evakuierung gekommen sei, habe er den Befehl nicht befolgt, sondern sich
auf dem Bauernhof der Familie Rühl in Keylaer versteckt, wo er schon
vorher gearbeitet habe. Als er den Engländern „nützliche Hinweise über
das Gelände“ gegeben habe, sei es seine Absicht gewesen, Kevelaer vor
der Zerstörung zu bewahren. Das Heiligtum von Kevelaer erinnere ihn an
das Heiligtum von Lourdes.
Städtischer Empfang für den
"Retter von Kevelaer" (v.l.): Bürgermeister
Peter Plümpe, Stadtdirektor
Dr. Karl-Heinz Röser, Frau Rühl vom Hofkampshof und der dort
beschäftigte Kriegsgefangene Irénée Hypolite Aguillon.
Im März 1969 gab die Stadt Kevelaer für Irénée Aguillon, den „Retter von
Kevelaer“, einen Empfang. Sie dankte dem mutigen Mann, der sich in das
Goldene Buch der Stadt eintrug.
Amsterdamer Straße am 3.
März 1945.
Samstag, 3. März 1945: Vom Dachfenster seiner Wohnung
kann Oskar Janßen,
der spätere Präsident der St.-Hubertus-Gilde, die Weezer Straße und die
Reichsstraße 9 überblicken: Er sieht Panzer an Panzer, Lastwagen an
Lastwagen, und er kann seine Augen gar nicht abwenden - der Anblick ist
überwältigend.
In der Amsterdamer Straße werden die wenigen Kevelaerer, die zu Hause
ausgeharrt haben, aus dem Schlaf gerüttelt.
Es ist 6 Uhr morgens:
Die ersten britischen Panzer rollen über die Amsterdamer Straße auf den
Kapellenplatz.
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© Martin Willing 2012, 2013