Ludger Schmitz pilgerte nach Kevelaer
Er ist in Kevelaer aufgewachsen und wohnt heute in Monheim. In diesem Jahr hat er sich auf Pilgerreise in seine alte Heimatstadt begeben. Im folgenden Beitrag schildert er einfühlsam seine Eindrücke (am Fuß der Seite finden Sie eine Kurz-Vita). Er lief gemeinsam mit Mitgliedern der Kevelaer-Bruderschaft an der Basilika St. Kunibert Köln. Im kommenden Jahr macht sie sich zum 350. Mal auf den Weg. Damit ist sie auf die Jahrhunderte betrachtet nur unwesentlich jünger als die Kevelaerer Wallfahrtsstätte selbst.
349. Wallfahrt der Kölner Kevelaer-Bruderschaft von 1672 an der Basilika St. Kunibert, mitgegangen vom einstigen Kevelaerer Ludger Schmitz, der auch den Spuren seiner Kindheit und Jugend nachging.
Ich weiß nicht ganz genau, warum ich mich überreden ließ, als Pilger nach Kevelaer zu gehen. Es war wohl die freundliche Einladung von Tom, die einen alten Wunsch von mir auffrischte, mal mit einer Pilgergruppe nach Kevelaer zu wallfahren. – Mit meiner Frau Ela bin ich vor einigen Jahren von Monheim nach Kevelaer gegangen. Wir wollten wissen und uns prüfen, ob wir in der Lage sind, einige Kilometer mit Gepäck an aufeinander folgenden Tagen zu gehen.
Später wollten wir den Pilgerweg nach Santiago de Compostela gehen. Die Probe-Wallfahrt verlief gut. Und so trauten wir uns – immer in den Sommer- oder Herbstferien – von Brühl aus bis nach Nancy. Danach stoppte unsere Wallfahrt, weil Ela eine neue Hüfte bekam.
Inzwischen laufen wir in bekannten Gefilden hier in Nordrhein-Westfalen. Und zu unseren neuen kleinen Wallfahrten passte auch die Wallfahrt nach Kevelaer! Die Kölner hatten wegen Corona die Fußwallfahrt auf eine kleine Strecke gekürzt. Und die begann im wohlbekannten Geldern.
Helle Halle
Die Kirche St. Maria Magdalena in Geldern ist eine helle Halle, sie umfängt die Kölner Pilgerschar angenehm. Die Farben Schwarz und Weiß und die Grisaille-Fenster konzentrieren auf die heilige Handlung. Schmerzhaft der Riss im Altarblock! Aber eine schöne statio zum Start des verkürzten Pilgerwegs. Betende Architekten haben hier nach Kriegszerstörungen den Kirchenraum neugestaltet und renoviert!
Der Klang einer Stimme berührt. Erinnert wird an Dechant Franz Schneider, dessen sonore Stimme so gerne gehört wurde, auch wenn das, was er sagte, vielleicht keinen Zusammenhang mehr hatte. Vielleicht war es auch beim heiligen Pfarrer von Ars, dessen Gedenken in dieser Messe begangen wird, eher die Stimme und ihre Melodie, die den vielen Menschen, die zu ihm kamen, Hilfe war.
Es geht los
Selbstbewusst und ohne Zögern setzt sich der Pilgerzug in Bewegung. Eine Partnerin habe ich schnell gefunden. Es ist eine bald 82-jährige Dame, die zum x-ten Mal mitgeht. Beruhigend auf mich wirken die Leuchtjacken und Leuchtfahnen der Ordner und ihr sicheres Auftreten. Trotzdem ist es gewöhnungsbedürftig, bei Rot über die Fußgängerampel zu gehen. Ein sichernder Blick, ob die Autos auch wirklich halten, hilft.
Gehen und beten
Gegen die Fahrgeräusche der Autos den Rosenkranz zu beten, kostet Kraft. Aber der immer einheitlicher werdende Singsang des Gebets lässt die Autogeräusche in den Hintergrund treten. Die Vorsilbe „Ge“ beim „Gegrüßet seist du, Maria“ ist die Initialzündung für das chorische Sprechen, hört sich für mich Anfänger zuerst fremd an, wird aber immer mehr zur Gewohnheit.
Gerne beobachte ich den Stab des Brudermeisters. Wie die Gewichte einer Pendeluhr unterstützt die metallene Schutzmantel-Madonna an der Spitze des Brudermeister-Stabes die Pendel-Bewegung. Sogar niedrig hängende Äste halten den Stab nicht auf. Ich verstehe langsam: Dort, wo das Pendel besonders stark ausschlägt, ist die Vorbeterseite. Der gerade Fingerzeig zum Himmel bedeutet das „Ehre-sei-dem-Vater“ oder das „Vater unser“, wenn ich mich richtig erinnere. Schnell verstehe ich, was eine ausschnellende Hand ohne Schulterblick bedeutet: Achtung, Hindernis, ein „Pohl“ oder ein Ast oder eine Brennnessel. Gebet und Schritttempo machen aus der Gruppe eine Einheit.
Ich will die Größe der Gruppe ermessen, drehe mich um und gehe eine Zeitlang rückwärts. Der Zug der Pilger ist erstaunlich lang. Und alle diese Menschen wollen in die kleine Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Ich fühle mich geehrt. Und schon ermahnt mich eine sympathische Mitpilgerin, vorsichtig zu sein und mich lieber wieder umzudrehen und in Geh-Richtung zu schauen.
Da die Bundesstraße 9 eine Baustelle ist, geht die Pilgerschar neue Wege, die ich auch noch nie gegangen bin. Weit schaue ich in die Parklandschaft des Niederrheins. Wäldchen und Wiesen wechseln einander ab und lassen Weitblicke zu. Das Grün tut den Augen gut. Ich meine sogar zwei Störche zu sehen, aber das wäre neu für die niederrheinischen Gefilde.
Die Toten
Es gibt eine statio nach einiger Zeit. Die Kölner Bruderschaft erinnert an die Toten des letzten Jahrs. Dieses Mal findet die statio nicht am Kölner Kreuz statt, weil ja an der B9 gebaut wird. Die Teilnehmer – so habe ich es mehrfach gehört – sind ein wenig traurig darüber. Dieses Totengedenken muss ein besonderes Erlebnis sein. Wie schön, dass Tradition hochgehalten wird und die Toten nicht vergessen werden!
Richtig atmen
Meine Partnerin, die bald 82-jährige Dame, spricht gerne den zweiten, kürzeren Teil des Gegrüßet-seist-du-Maria, dann kommt sie nicht so außer Atem. Ich merke auch, dass ich beim Sprechen mehr Luft brauche, und atme tiefer ein, wenn ich auf die Antwort der anderen Seite höre. Das Rosenkranzgebet unterstützt das Tempo des Gehens und lenkt vom Schmerz in den Füßen ab. Das Tempo ist „nicht ohne“ und trotzdem halten alle mit. Es ist wohl das Tempo von Leuten, die in Zeiten ohne Corona 200 Kilometer gehen – und das schon seit einigen hundert Jahren.
Fortsetzung folgt
Vita von Ludger Schmitz
- 1954 geboren als erstes von acht Kindern in Straelen.
- 1960 bis 1973 Schulzeit in Kevelaer: Hubertusgrundschule und Kardinal-von-Galen-Gymnasium.
- 1973 bis 1974 Zivildienst im Caritasverband Herten/Westfalen in einer Armensiedlung in Herten.
- 1975 bis 1983 Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in den Fächern kath. Religion, Kunst und Deutsch; Zweitstudium der Diplompädagogik (ohne Abschluss); Referendariat; danach zunächst keine Einstellung; befristete Arbeiten in VHS und Hausaufgabenhilfen in Neusser Schulen.
- 1984 bis 2020 Anstellung als Lehrer in Grundschulen: Düsseldorf-Pempelfort (1984 bis 1987); Montessori-Grundschule Düsseldorf-Garath (1987 bis 2020).
- 1987 Heirat mit Elisabeth Sossnowski, Umzug von Neuss nach Monheim am Rhein.
- 1991 Geburt von Johanna.
- Seit Eintritt in den Ruhestand stundenreduzierte Weiterarbeit an der Montessori-Grundschule, hauptsächlich im Fach Religion; seit dem Schuljahr 2021/22 Religionsunterricht nach der godly-play-Methode (Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament werden als Material- und Figurentheater dargeboten und mit den Schülern reflektiert).
- Ab 2022 ehrenamtlicher Bestattungsbeauftragter in der kath. Gemeinde St. Gereon und Dionysius, Monheim.