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Der
Mann ist gerade 99 Jahre alt geworden und feiert nun im fernen Ochtrup
den 75. Jahrestag seiner Priesterweihe. An ihn und die denkwürdige
Begegnung mit ihm werden sich einige Kevelaerer erinnern: Es ist Prälat
Hermann Scheipers, der letzte noch lebende Häftling im KZ Dachau, ein
Augenzeuge, der dabei war, als Karl Leisner im Konzentrationslager zum
Priester geweiht wurde.
Prälat Hermann Scheipers. Foto: Sebastian
Auer, Pressestelle Ordinariat Würzburg.
Die Begegnung mit dem Zeitzeugen in Kevelaer begann mit einer
enttäuschenden "Pleite": Die Kapläne Markus Trautmann und Ulrich Schulte
Eistrup hatten für die erste Januarwoche des Jahres 2007 Besinnungstage
für Jungen ab 16 Jahren auf Schloss Wissen geplant - mit den Themen „Das
Dritte Reich“ und „Karl Leisner“. Als Zeitzeugen hatten sie Hermann
Scheipers eingeladen.
Kein einziger Junge meldete sich für die Besinnungstage an. Weil
Scheipers sein Kommen bereits zugesagt hatte, disponierten die Kapläne
um und luden nun zu einem offenen Vortrag ins Priesterhaus ein.
"Kein Platz ist mehr frei im großen Saal des Priesterhauses: Alle
schauen gebannt nach vorne, hängen an den Lippen des weißhaarigen
Mannes, der am Rednerpult steht", schrieb damals Birgitta Klein in ihrem
Bericht für das Kevelaerer Blatt. "Hermann Scheipers erzählt seine
erschütternde und zugleich ermutigende Lebensgeschichte so lebendig, als
hätte er sie gestern durchlitten. Sein Alter merkt man ihm kaum an. Der
Geistliche versprüht eine bewundernswerte Lebensenergie." Und: "Nach gut
zweistündigen Schilderungen sind die Zuhörer überwältigt von der
Persönlichkeit des Geistlichen Hermann Scheipers. Sie sind erschüttert
von dem, was sie gehört haben.
Sie applaudieren minutenlang und erheben sich von ihren Plätzen. Sie
ehren den Mut schenkenden Mann."
Kaplan Martin Klüsener, Nachfolger von Markus Trautmann in St. Marien, besuchte 2011 mit Jugendlichen aus
der Wallfahrtspfarrei den
Geistlichen in Ochtrup. Der Messkelch, den Martin Klüsener 2003 zu
seiner Priesterweihe geschenkt bekommen hat, gehörte einst Josef Lodde,
einem Mithäftling von Karl Leisner und Hermann Scheipers. Klüsener
schrieb dazu in einem Beitrag der Rubrik "Bedenkliches": "Die Begegnung
mit diesem einzigartigen Zeitzeugen war überaus beeindruckend. Pfarrer
Scheipers hat erzählt, wie sein Glaube ihm damals trotz aller Bedrängnis
eine große Gelassenheit geschenkt hat: 'Wer geborgen ist im Letzten, der
kann im Vor-Letzten gelassen sein' - so Scheipers".
Hermann Scheipers war, wie die bischöfliche Pressestelle Münster meldet,
einer von fast dreitausend christlichen Geistlichen, die von den
Nationalsozialisten in den Jahren von 1933 bis 1945 in das
Konzentrationslager (KZ) Dachau deportiert wurden. Sie galten als
Staatsfeinde. Scheipers wurde als junger Kaplan in seiner Pfarrei
Hubertusburg bei Leipzig aus Willkür verhaftet und ohne Anklage zunächst
im Gefängnis und dann im KZ Dachau inhaftiert. Das „Verbrechen“ von
Hermann Scheipers in der Weltanschauung der Nazis war die couragierte
Seelsorge für polnische Zwangsarbeiter.
Donnerstag, 26. Juli 2012
© Martin Willing 2012