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Kervenheim
ist zu klein für einen Supermarkt der Discounter. Selbst einem
vom Inhaber geführten Geschäft wie dem früheren Edeka- Laden von Maria und
Heinz Koppers geht irgendwann die Luft aus, denn die Groß- konkurrenz in
Kevelaer, Uedem und Goch saugt die Kundschaft ab. Trotzdem bekommt
Kervenheim bald ein neues Lebensmittel- geschäft, und das mit guten
Chancen, was nicht nur an der genossenschaftlichen Basis liegt, auf der
es aufgebaut wird.
Viel Lob für den Dorfladen Kervenheim: Ernst
Umbach (2. v.l.), hier mit Ortsvorsteherkollegen. (Der Fotomontage liegt
ein Bild aus 2004 zugrunde.)
Die Uhren gingen in Kervenheim schon immer etwas anders. Nach dem
Otterbeck-Konkurs ließ sich die auf solche Rückschläge unvorbereitete
CDU von der SPD abhängen. Sie verlor die politische Mehrheit und den
Ortsvorsteherposten. Auch mit ihrem aufsässigen ersten Mann in
Kervenheim, Ernst Umbach, wusste sie nicht recht umzugehen. Dem
ungekrönten Dorfkönig platzte schließlich der Kragen, und Umbach
gründete seine eigene Partei, die Unabhängige Wähler-Union, kurz UWU
genannt: U wie Umbach, W wie Wumbach und U wie Umbach.
Die UWU-Abspaltung vom klassischen Parteiengefüge war das bisher
deutlichste Signal für ein Isolationssyndrom, das in politischen
Auseinandersetzungen im Rathaus Kevelaer über Jahrzehnte immer wieder
durchschimmerte. Die Kervenheimer fühlten und fühlen sich als die
Verlierer der Kommunalen Neugliederung, als sechs Dörfer und Kevelaer in
der neuen Stadt aufgingen (1969). Auf den zusätzlichen, kolossalen Verlustschmerz durch den
Otterbeck-Konkurs (1984) reagierten die Stadt und ihre Vertreter
hilflos. Sie hatten den Bewohnern, deren Selbstwertgefühl beschädigt
wurde, als ihr wichtigstes Unternehmen mit seinen vielen Arbeitsplätzen
sang- und klanglos unterging, nichts zu sagen.
In Kervenheim machten sich immer mehr Menschen die Auffassung zu eigen,
dass sie selbst Hand anlegen müssen, damit die Zukunft nicht an ihnen
vorbeirauscht. Und sie setzten was in Bewegung.
Ihnen gelang es, so viele Ehrenamtliche für die "Aufbauarbeit
Kervenheim" zu gewinnen, dass auch das bisher ehrgeizigste Projekt, der Dorfladen im
ehemaligen Koppers-Refugium, seiner Fertigstellung und Eröffnung am 1.
September entgegensprießt.
Aber warum sollte in Kervenheim klappen, was anderswo, beispielsweise in
Wetten, nach anfänglicher Begeisterung still und leise wieder
eingestampft worden ist? Hat der Dorfladen eine realistische Chance?
Da alle Anbieter nur mit Wasser kochen - Lidl ebenso wie Aldi, Edeka
nicht anders als der Dorfladen Kervenheim -, müssen am Ende und übers
Sortiment verteilt die Erlöse an der Kasse höher sein als die Kosten des
Ein- und Verkaufs. Hier ist das Dorfgeschäft schier hoffnungslos im
Nachteil, weil Großeinkäufer mit ihrer Nachfragemacht günstigere
Einkaufskonditionen haben als die Kleinen.
Zum Glück, muss man heute sagen, fand vor dieser dürftigen
Erfolgskulisse das Entwicklungsteam um Dr. Marcus
Kelm und Christian Vollmer keinen Betreiber. Also musste sich
Kervenheim nun auf ein genossenschaftliches Modell konzentrieren - auf den
einzig denkbaren Schlüssel zum Erfolg.
Das Startkapital war schnell
zusammen: 150 Bürger wurden gewonnen, Anteile von je 250 Euro zu
zeichnen. Es sind Genossen, die etwas Gutes für ihr Heimatdorf schaffen
wollen und weniger die Rendite im Auge haben. Der durchfinanzierte Dorfladen
kann künftig sein wichtigstes Faustpfand in die
Waagschale werfen und damit den Großdiscountern Paroli bieten: Er ist,
anders als jedes andere Geschäft, nicht zwingend auf Gewinne angewiesen,
sondern kommt auch mit einer schwarzen Null für lange Zeit gut über die Runden.
Noch wichtiger ist das zweite Erfolgspotenzial, das die Kervenheimer in
das neue Geschäft eingebaut haben: Es ist ihr Laden, mit
eigener Hand hochgezogen, mit eigenem Geld finanziert. Eine höhere
Motivation, hier und nicht anderswo einzukaufen, ist kaum denkbar.
So sind die Vorzeichen für den Kervenheimer Dorfladen sehr viel
günstiger, als es zunächst ausgesehen hat. Gute Chancen hat er allemale.
Donnerstag, 12. Juli 2012
© Martin Willing 2012