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Für Menschen mit Hörproblemen hat die
Gottesmutter immer ein offenes Ohr. Das bekommen die Kevelaerer
gelegentlich mit, wenn wie in diesen Tagen die Gehörlosen zur Trösterin
der Betrübten pilgern. Menschen ohne Hörvermögen - sie werden
zahlenmäßig weniger, denn gehörlos Geborenen kann, wenn im Hörnerv Leben
ist, mit einem Implantat zum Hören verholfen werden. Dramatisch
zugenommen hat dagegen Schwerhörigkeit.
Einer der Kevelaerer Vereine, die Gehörlosen offen begegnen, ist der
Schachclub 1948. Die freundschaftlichen Beziehungen des SC Kevelaer zum
Gehörlosenverein TuS Essen reichen bis in die 1970er-Jahre zurück.
Nicht gehörlos, aber stark hörbehindert ist Ingrid Dömkes, die Witwe des
Investors Wolfgang Dömkes aus Mülheim, der in den 1990er-Jahren in der
Marienstadt ein Kurzentrum entwickeln wollte. Sie stellt sich, so
beispielsweise vor drei Jahren, dem Evangelischen Bildungswerk in Essen
als Referentin zur Verfügung. Ihr Thema damals: "Wertevorstellung - unter
Berücksichtigung der Hörbehinderung kennen lernen und diskutieren".
1998 wurde im Kevelaerer Blatt ein besonderes "Brautpaar der Woche"
vorgestellt: Es waren Christel Evers aus Kevelaer und Stefan Ritz aus
Essen, die in der Kerzenkapelle getraut wurden. Ein Geistlicher aus
Mülheim, der die Gebärdensprache beherrscht, nahm die Trauung vor. Die
beiden gehörlosen Eheleute gaben sich in dieser Sprache das Ja-Wort.
Auch bei der Gehörenlosenwallfahrt vor wenigen Tagen war die
Gebärdensprache die entscheidende Brücke von der lauten zur stillen
Welt. Einige Dutzend gehörlose Pilger aus der Diözese Münster, begleitet
vom Präses der Gehörlosenseelsorge, Norbert Schulze Raestrup, und aus den
Niederlanden erlebten mit Bischof Antonius Hurkmans (s‘Hertogenbosch)
ein Pontifikalamt und den stillen Gesang eines Gebärdenchors aus Aachen,
dargebracht von den "Singenden Händen".
Während sich die Gehörlosen untereinander mit Hilfe ihrer
Gebärdensprache so gut verstehen können wie Normalhörende, sind die
Schwerhörigen auf technische Hilfsmittel und vor allem Verständnis
angewiesen, um in der Gesellschaft nicht zu vereinsamen. Der Anteil der
Schwerhörigen wächst ständig, denn es kommt laufend "Nachschub": Es sind
junge Menschen, die ihr Gehör durch überlaute Musik in Discos und
aus Kopfhörern nachhaltig schädigen, und betagte Menschen, die immer
länger leben und zunehmend an Altersschwerhörigkeit leiden.
In den meisten Fällen helfen Hörhilfen, die mittlerweile kleine
technische Wunderwerke und sehr leistungsfähig sind. Aber noch lange
sind sie nicht so akzeptiert und selbstverständlich wie andere Hilfen
beispielsweise die Sehbrille. In unserer Gesellschaft leben nach den
gefühlten Erfahrungen des Autors dieser Zeilen, der seit der Jugend
schwerhörig und auf Hörgeräte angewiesen ist, viele Menschen, die wegen
ihres beschädigten Hörvermögens in einer gewöhnlichen Gesprächsrunde
kaum was verstehen, obwohl sie alles hören: Die Lautstärke liegt fast
immer knapp unter der Verstehgrenze von Zuhörern, die Hörschäden haben.
Und selbst wenn Hörhilfen im Ohr sind, haben behinderte Zuhörer oft
Probleme, denn auch das beste Hörgerät kann nicht auf jeden Nuschler
optimal eingestellt sein.
So wichtig die Weiterentwicklung der Hörgerätetechnik ist, so wichtig
ist die Weiterentwicklung des Verständnisses von Normalhörenden für ihre
behinderten Gesprächspartner. Schon wer seine Lautstärke nur ein wenig
anhebt, erreicht bei Schwerhörigen oft ein wahres Hörwunder: Der
Behinderte versteht auf einmal alles.
Mit Verständnis verstehen wir uns
alle besser.
Donnerstag, 12. Juli 2012
© Martin Willing 2012