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    SACHBEGRIFFE |
Scholz, Dr. Anton

Engagierter Arzt in Kevelaer, Anwalt der kleinen Leute, streitbarer Kommunalpolitiker
| * 1940 | † 2013

Dr. Anton Scholz1984 begann die Kevelaer-Zeit für den Allgemeinmediziner Dr. Anton Scholz: Er übernahm nach dreimonatiger Zusammenarbeit mit dem Allgemeinmediziner Dr. Paul Hanssen dessen Praxis an der Alten Weezer Str. 17.

Zehn Jahre danach gehörte Dr. Scholz zu den bekannten Kevelaerern, die sich regelmäßig in die Politik einmischten. Der Arzt sympathisierte mit der neuen Partei KBV, der Kevelaerer Bürgervereinigung, und ließ sich von ihr auf dem Reservelistenplatz Nr. 26 zur Kommunalwahl 1994 führen.

Seine politischen Ansichten gab er zur Wahl auch schriftlich: "Es müssen Methoden gefunden werden, um die wirkliche Meinung der Bürger kennenzulernen. (…) Wir halten an dem Grundsatz fest, dass jeder Volksvertreter direkt dem Bürger gegenüber verantwortlich ist und das ihn ein Fraktionsvorsitzender nicht disziplinieren kann. (…) Wir bilden uns nicht ein, wir seien die Partei, die nun alles besser macht. (...) Prostestwähler sind bei uns gut aufgehoben. (...) Wir halten es für gut, dass wir auf Kommunalebene nicht weltanschaulich entscheiden müssen. (...) Wir sind der Meinung, dass wir durch die Aktivierung der Nichtwähler auch für die anderen Parteien einen Beitrag zur Wiederdemokratisierung der Bevölkerung leisten."

Dr. Anton Scholz, Heinz Lamers
Der Kevelaerer Arzt Dr. Anton Scholz (l.) engagierte sich auch in der Kommunalpolitik - mal der KBV, mal der SPD, aber immer den "kleinen Leuten" zugeneigt. Die Aufnahme von 1989 zeigt ihn mit Heinz Lamers (M.).

Anton Scholz blieb mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen und ein aufmerksamer Beobachter.

Anton Scholz, Martin WillingDr. Anton Scholz und KB-Redakteur Martin Willing (1991): Sie führten viele Gespräche über aktuelle politische Themen.

Als in den 1990er-Jahren der Kurzentrumstraum durch das politische Kevelaer geisterte, kritisierte Scholz, dass "bei dem Prestigeobjekt 'Kurzentrum Kevelaer' sträflich alle Prinzipien des Sparens nicht beachtet worden sind." Völlig ohne Sachverstand walten zu lassen oder wenigstens Fachleute zu hören, sei mit einer Bohrung begonnen worden, deren Erfolg und Verwendbarkeit noch immer fraglich seien. "Nur dem wird man die wirtschaftliche und politische Zukunft Kevelaers anvertrauen können, der jetzt endlich zugibt, dass das Gerede vom Kurort Kevelaer eine ganz nette Idee war, aber unrealistisch ist. Traurig, dass die Fraktionsvorsitzenden nicht wissen, was Sache ist."


Anton Scholz war auch schöngeistig interessiert. Im Oktober 1993 besuchte er eine Lesung von Marina Schnurre auf Einladung der Bücherstube im Centrum, Gertrud Aengenheyster.

Der streitbare Kevelaerer äußerte sich in den lokalen Zeitungen immer wieder in Leserbriefen zu aktuellen Entwicklungen und sprach Klartext: "Man wünscht sich ein Ende der Volksverdummung, der Volksvertreterverdummung und der Fachleuteverdummung in den Behörden. Wann ist endlich Schluss mit den gefühlsmäßig geführten Scheindiskussionen um Scheinprojekte, die den Steuerzahler schon horrende Summen gekostet haben: Schneller Brüter Kalkar, Sondermülldeponie Wemb, Müllverbrennungsanlage, Gewerbepark Berendonk, Kurzentrum Kevelaer, OW 1. Immer war es der fehlende Sachverstand, der die Volksvertreter und die Öffentlichkeit blind machte."

Dr. Scholz wusste als einer von sehr wenigen Kommunalpolitikern die aufklärerische Rolle des Kevelaerer Blatts und dessen investigativen Journalismus für die Öffentlichkeit zu schätzen. "Ohne die Unbestechlichkeit und Sorge um die Demokratie Ihrer Zeitung wären die Kevelaerer Bürger oft den Mauscheleien einiger weniger Reicher (oder die es noch werden wollen) hilflos ausgeliefert. Das beweist Ihre Berichterstattung zum Thema Traberpark", schrieb der Mediziner 1998 im KB.

Gerade diese "Schützenhilfe" durch Anton Scholz stieß dem SPD-Fraktionsvorsitzenden > Dr. Klaus Hölzle, zugleich als Anwalt für die > Traberpark-Unternehmensgruppe tätig, übel auf. "Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Streitgenossen Anton Scholz!", schrieb Hölzle. "Er weiß wirklich, wovon er spricht, wenn er sich über rüde Umgangsformen beklagt. Hat er doch als Gast auf einer brisanten SPD-Fraktionssitzung heimlich ein Tonband mitgeschnitten. (…) Er inszenierte aber sein rechtswidriges Treiben noch durchsichtiger als Sie und wurde deshalb sofort erwischt (…) Weiterungen kam Anton Scholz durch Austritt aus der SPD zuvor. Es folgte sein Gastspiel bei der KBV. Auch dort erwies er sich als unverträglich und musste sich verabschieden. Jetzt applaudiert er Ihnen. Eine feine Gesellschaft!"

Axel Stibi, Ulrich Wolken, Anton Scholz
Seine kraftvolle, mutige Stimme wird in der Politik und in der Gesellschaft Kevelaers fehlen: Dr. Anton Scholz, hier mit Bürgermeister Dr. Axel Stibi und Voba-Direktor Ulrich Wolken.

Tatsächlich hatte Scholz mit seinem Tonbandmitschnitt etwas anderes, etwas Ehrenwertes im Sinn gehabt: Er wollte dem SPD-Fraktionsmitglied Heinz Lamers, das mit seiner Kritik an der Sparkassen-Dienstreise nach Fürstenwalde den Zorn der Fraktionsführung auf sich gezogen hatte, mit einer Dokumentation der massiven Vorhaltungen gegen Lamers ("Ich bin in unvorstellbarer Weise in die Mangel genommen worden") während der parteiinternen "Tribunal-Sitzung" helfen. Dabei war Scholz aufgefallen.

Der Kevelaerer blieb streitbar und mutig. Als wegen der mehrmals misslungenen Abwahl des Beigeordneten > Karl-Ulrich Braasch das "System Paal" wieder einmal in der öffentlichen Diskussion stand, fand Scholz klare Worte in einer Leserzuschrift: "Das war die Zeit der Hinterzimmer und Strippenzieher“.

Und immer wieder bekannte sich Scholz dazu, dass sein Herz für den "kleinen Mann" schlug. Er nahm die rund 700 Hartz-IV-Empfänger in Kevelaer und ihre Familien in den Blick, wenn er den ungleich verteilten Wohlstand kritisierte: "Reicher Mann und armer Mann / standen da und sah‘n sich an. / Und der Arme sagte bleich: / wär ich nicht arm / wärst du nicht reich."

Während Dr. Anton Scholz in der politischen Klasse Kevelaers eine zunehmend bekannte Rolle spielte - mal im Umfeld der KBV, mal in dem der SPD -, wussten seine zahlreichen Patienten den engagierten Hausarzt zu schätzen.

2001 begann Scholz damit, sich auch der Kevelaerer Selbsthilfegruppe Diabetiker mit seinem Fachwissen zur Verfügung zu stellen. Er verlangte - so in einem RP-Interview 2008 - eine bessere Versorgung der Kevelaerer mit Fachärzten. "Wir haben in Kevelaer keinen ambulanten Kardiologen. Die, die es in der Umgebung gibt, sind zugestopft mit Bagatellfällen. Die Wartelisten werden immer länger. Kevelaer ist in vielen Bereichen unterversorgt, besonders für die ärmeren Patienten, nicht für Privatpatienten und Zusatzversicherte. Wenn das Kevelaerer Krankenhaus von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Ermächtigung für Herzecho und Langzeit-EKG hätte, wäre schon viel geholfen."

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) könne das organisieren. "Sie darf nicht nur nach Schema F und den Interessen der Facharztverbände handeln. Es sind gerade die Hartz-IV-Empfänger, bei denen die Leistungen nicht ankommen", kritisierte der Arzt seine berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er nahm dabei ungerührt in Kauf, als "Linker" eingestuft zu werden. "Nein, ich bin kein Mitglied der Linken", antwortete er 2008 auf eine entsprechende Frage und fügte an: "Aber ja, ich setze mich für die unteren sozialen Schichten ein."

Anton Scholz2009 wurde bekannt, dass Dr. Scholz und ein weiterer Kollege die drei Jahre zuvor ins Leben gerufene und zunächst ehrenamtlich betreute Demenzberatung des Seniorenbeirats Kevelaer verantwortlich übernommen hatten.

Dr. Anton Scholz und der Seniorenbeiratsvorsitzende Karl Bay.

Zu keinem Zeitpunkt scheute der mutige Mediziner davor zurück, sich auf die Seite der Armen zu stellen. Als 2012 das Bundessozialgericht entschieden hatte, dass Hartz-IV-Beziehern größere Wohnungen als bisher angenommen zustanden, musste auch die Stadt Kevelaer nachzahlen. Anton Scholz machte bei einem anschließenden Treffen der Hartz-IV-Selbsthilfegruppe in der öffentlichen Begegnungsstätte keinen Hehl aus seiner Freude über das Urteil.

Für viele Kevelaerer war die gemeinsame Hausarztpraxis von Dr. med. Anton Scholz und seiner Frau Dr. med. Dagmar Scholz an der Alten Weezer Str. 17 Anlaufstelle nicht nur in gesundheitlichen Fragen. Über die beiden Mediziner und ihre Praxis schrieb in einem Arzt-/Patienten-Forum im Internet ein Patient (2011): "Der beste Arzt überhaupt! Frau Dr. Scholz genauso. Einfach toll da - alle sind nett und helfen nicht nur, wenn man krank ist. Man kann auch mit persönlichen Problemen vorbeikommen und hat immer ein offenes und verständnisvolles Ohr zur Seite. Unser Familienarzt für alle Fälle!"

Die Nachricht von seinem Tod - Dr. Anton Scholz starb am 9. August 2013 - löste große Betroffenheit in Kevelaer aus, was auch in zahlreichen Leserbeiträgen der Facebook-Gruppe "Kevelaer - Damals und heute" deutlich zum Ausdruck kam. Die Urnenbeisetzung für Dr. Scholz fand, wie seine Familie Ende August 2013 in einer Traueranzeige bekanntgab, im engsten Familienkreis in Rotenburg an der Fulda statt.

Seitdem die kraftvolle Stimme von Anton Scholz verstummt ist, wird immer deutlicher, wie ehrenwert, wichtig und vorbildhaft sie für die Kevelaerer Gesellschaft gewesen ist. Und wie schmerzlich sie uns fehlen wird.
*

Dr. Anton Scholz Textstellen in der Kevelaerer Enzyklopädie:
| Dr. Paul Hanssen |

© Martin Willing 2012, 2013