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Das
große Täuschungsmanöver
im Munitionsdepot
Von Martin Willing
Wer heute den weitläufigen Traberpark „Den Heyberg“ in Twisteden besucht, ahnt etwas von dem grünen Paradies, das der Gemeindewald vor dem Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Erste Zerstörungen hatte der „Westwall“ angerichtet: Lange Schienentrassen durchfurchten ab 1937 das Gelände. Auf ihnen wurden Beton und Stahl zu drei großen Bunker-Baustellen transportiert. Gegen Ende des Kriegs war zudem die einstige Idylle von kilometerlangen Gräben durchzogen.
1950 wurde der Gemeindewald für militärische Nutzung konfisziert. Die Kleingemeinde Twisteden, seit 1969 ein Ortsteil von Kevelaer, musste die Abfindung akzeptieren. Eine Wahl hatte sie nicht. Aber sie legte das Geld zurück, um eines Tages das Gelände zurückkaufen zu können.
Die Munitionsbunker in ihrem ursprünglichen Aussehen.
Dieser Plan schien sich 1962 erledigt zu haben: Weil der Bund das Gelände für Verteidigungsaufgaben beanspruchte, schlossen die Gemeinde Twisteden und die Bundesrepublik Deutschland einen Überlassungsvertrag ab.
Der Bund stellte das mehr als eine Million Quadratmeter große Areal den amerikanischen Streitkräften für ein Munitionsdepot zur Verfügung. Im Sommer 1985 nahm die US-Armee ihr Munidepot in Betrieb und ließ es bis Anfang der 1990er-Jahre auf 325 Bunker erweitern.
Kaum waren die letzten bombensicheren Betonkolosse in den früheren Gemeindewald gestellt, da wurden Gerüchte zur Gewissheit: Im Sommer 1993 legten die Amerikaner ihr Depot still und zogen ab. Die Bundesrepublik gab den Gemeindewald, nun großflächig entwaldet und mit unzerstörbaren Großbunkern bebaut, an die Rechtsnachfolgerin der Gemeinde Twisteden, die Stadt Kevelaer, zurück.
Die Stadt hatte das Problem am Hals, ein Grundstück mit 325 Bunkern verwerten zu müssen. Überraschend viele Offerten gingen 1994 im Rathaus Kevelaer ein: Ein Moerser Unternehmer wollte ein Trab- und Galopptrainingszentrum errichten. Praktisch die gleiche Idee (Traberpark mit Trainingszentrum) hatte Willi Ambrosius aus Twisteden. Er schlug vor, im Namen der in Gründung befindlichen „Den Heyberg GmbH“ das Gelände für 1 Million Mark zu kaufen. Aus Alpen kam die Idee einer Blindenführhundeschule. Der Duisburger Kiesunternehmer Wolfgang Dömkes, den wir im Kapitel „Traum vom Kurzentrum“ bereits kennen gelernt haben, empfahl sich als Betreiber eines Sport- und Freizeitzentrums für Segelflieger, Motocross- und Go-cart-Sportler. Ein Gelderner Anbieter wollte eine Vertriebs- und Lagerstätte für gewerbliche Sprengstoffe, Zündmittel und Großfeuerwerk errichten und bot 1,3 Millionen Mark. Eine Essener Firma, vertreten durch die Kevelaerer Rechtsanwälte Dr. Klaus Hölzle und Rüdiger van Straelen, interessierte sich für den Kauf des Geländes, um hier Einlagerungs- und Untervermietungsgeschäfte zu tätigen.
Am 25. April 1994 informierte Stadtdirektor Heinz Paal die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses in nicht öffentlicher Sitzung über die Offerten. Paal ließ keinen Zweifel offen: „Von allen Bewerbungen wird von mir die Bewerbung der ‚Den Heyberg GmbH‘ zur Realisierung eines Traber-Trainingsparks präferiert.“ Für ein solches Trainungszentrum gebe es scheinbar einen Bedarf, und außerdem seien die Bunkeranlagen bei entsprechender Einrichtung als Pferdeställe geeignet.
Der Ausschuss empfahl dem Stadtrat, das Areal an die Den Heyberg GmbH i. Gr. zum Preis von 1 Million D-Mark, zahlbar in vier Raten zu je 250.000 D-Mark, zu verkaufen. Zusätzlich verlangte die Stadt eine Bodenrente von 10 Prozent des vor Steuern ausgewiesenen Bilanzgewinns, maximal jedoch 50.000 DM pro Jahr. Weitere Bedingungen: Weiterveräußerung und Nutzungsänderung, gleich welcher Art, bedürften der Zustimmung der Stadt Kevelaer. Außerdem müsse die Stadt mit beratender Stimme in einem Aufsicht führenden Gremium der Firma vertreten sein.
Es kam zum Verkauf an das Unternehmen Den Heyberg, das aus den Firmen „Traberpark Den Heyberg Kevelaer Verwaltungsgesellschaft mbH“ und „Traberpark Den Heyberg Kevelaer GmbH + Co KG“ gebildet wurde. Persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft war die Traberpark-GmbH. Als Käuferin des Grundstücks trat die Traberpark-KG auf.
© Martin Willing 2012, 2013