|
|
|
Im 19. Jahrhundert begannen sie sich zu verbreiten
Schlechtes Wetter - schlechte Ernte. Zu allen Zeiten haben Menschen für die Landwirtschaft um gute Witterung gebetet. Nach Missernten zu Beginn des 18. Jahrhunderts führten süddeutsche Bistümer Maigebete um gutes Wetter ein, die freilich noch keinen marianischen Bezug hatten.
Madonnenfigur in der Marienbasilika zu Kevelaer. Foto: Martin Willing
Auflebende
Marienverehrung im 19. Jahrhundert ließ den ursprünglichen Aspekt der
Maigebete (Bitte um gute Ernte) zurücktreten. Das Aufblühen der Natur
wurde vergeistigt und stand nun als Symbol für die Gottesmutter („Ich
bin eine Blume auf den Wiesen ... eine Lilie der Täler“, Hld 2,1). Der
Mai, der Monat der Blüten und Blumen, wurde Maria zugeordnet.
Seit wann sich Gläubige, die Maigebete sprechen wollen, zu Maiandachten
zusammenfinden, ist ungewiss. Immerhin ist aus Italien bekannt, dass
dort schon im Mai 1784 Maiandachten gehalten wurden. Von Italien
breitete sich die Maiandacht über Frankreich bis Ende des 19.
Jahrhunderts über ganz Europa aus.
Im Bistum Münster wurde die Maiandacht 1850 eingeführt, zu einer Zeit
also, da Kevelaer bereits zu diesem Bistum gehörte. Auch in den
Niederlanden (Kevelaer war bis 1801 Teil des Bistums Roermond) sowie in
Belgien und Luxemburg war die Maiandacht nicht viel früher als im Bistum
Münster bekannt. Es ist also nicht anzunehmen, dass Maiandachten in
Kevelaer schon vor 1850 gebräuchlich waren.
„Die Marienandacht entwickelte sich seit der Mitte des 19. Jh.’s zur
bedeutendsten marian. Andachtsform“, schreibt das Marienlexikon*.
„In Petitionen seitens der Gläubigen wurde ihre Einführung gefordert.
Viele Bischöfe gaben durch aktive Teilnahme an der Feier ein deutliches
Zeichen ihrer Zustimmung“. Spätestens seit 1854 (im Mai wurde das Dogma
von der Unbefleckten Empfängnis offiziell verkündet) werden in vielen
Gemeinden des Bistums Münster Maiandachten gefeiert worden sein.
Auch in Kevelaer? Hier werden die Gläubigen sie vermutlich erst unter
Pastor
Joseph van Ackeren
kennengelernt haben, denn sein Vorgänger
Johann Heinrich
Krickelberg erwähnt in seinem Tagebuch**,
das bis Januar 1863 reicht, eine Maiandacht nicht.
Auch wie die ersten Maiandachten in der Marienstadt gefeiert wurden, hat
kein Dokument festgehalten. Wir müssen uns mit einer negativen
Darstellung behelfen, die der evangelische Hilfsprediger
Thümmel (Geldern) 1887 in
einem Pamphlet veröffentlicht hat. Thümmel erklärte:
„... ging ich sehr häufig in die oft stattfindenden Maiandachten [in Kevelaer]. Ich war zuerst überrascht von dem schönen, einschmeichelnden Eindruck, den diese Maiandachten auf mich machten. Eine wunderschöne Frauengestalt stand mitten unter Blättern und Oleandern, mit Lampions beleuchtet, und davor knieten, saßen und standen von 7 - 1/2 9 Uhr die jungen Mädchen in der Maienzeit“.
Auch wenn
Thümmel - bezogen auf das Jahr 1887 - davon spricht, dass die
Maiandachten in Kevelaer „oft stattfinden“, dürfte ihre erste Einführung
in der Marienstadt nicht lange zurückgelegen haben. Denn ohne den Reiz
des Neuen und noch Unbekannten ist kaum vorstellbar, warum sich der
Eiferer über die Maiandachten so erregte. Er behauptete nämlich, die
Maiandacht sei die „Fortsetzung des heidnischen Venusdienstes“ und löse
„schwere Gefahren für die Sittlichkeit“ aus.
Das ging dem Gemeinderat von Kevelaer dann doch zu weit, und er
beschloss eine scharfe Zurückweisung. Außerdem wurde Thümmel wegen
dieser und weiterer Verächtlichmachungen religiöser Bräuche der
Katholiken verklagt und später wegen Verleumdung verurteilt.
Maiandachten waren während der beiden Weltkriege der Hort für intensive
Friedensgebete. Sie stehen auch heute im engen Bezug zur gegenwärtigen
Lebenssituation. Ihre besondere Anziehung auf Gläubige gewinnen
Maiandachten auch dadurch, dass sich in ihnen das häusliche
Familiengebet - oft vor einem kleinen, privaten Maialtärchen - mit
öffentlichem Gottesdienst verbindet.
Ein häuslicher „Maialtar“ kann beispielsweise ein im Mai besonders
geschmücktes Marienbild sein. Sich im Gebet vor einem solchen häuslichen
„Altar“ zu versammeln, ist ein von der Kirche geförderter Brauch unter
Katholiken, der allerdings in der nachkonziliären Zeit stark
zurückgegangen ist. In mancher „Diaspora-Gegend“, wo das nächste
katholische Gotteshaus weit entfernt liegt, hat das Marienaltärchen
nicht nur im Mai seine wichtige Bedeutung behalten.
Das Gestalten eines Maialtars in der Kirche (und eines privaten
Maialtärchens zu Hause) hat der heilige Grignion de Montfort (* 1673, †
1716) zu den „hauptsächlichsten marian. Frömmigkeitsübungen“ gezählt
(Marienlexikon). Grignion stiftete 1705 die Societas Mariae Montfortana
(SMM), eine marianische Kloster-Kongregation für Innere und Äußere
Mission, der Pater Helmut Drove (Pastor in St. Petrus Wetten von 1985 -
1998) angehört. Der 1947 heilig gesprochene Grignion ist auf einem
Fresko in der Basilika und auf ihrem Nordportal (
Bert Gerresheim)
dargestellt.
„Heute spielt die Maiandacht in der Frömmigkeit großer Volksschichten
kaum noch eine besondere Rolle“, schreibt das Marienlexikon.
* Remigius Bäumer/Leo
Scheffczyk (Hrsg.), Marienlexikon, Bd. 4, St. Ottilien 1992
** Heinrich Janssen (Hrsg.), Johann
Heinrich Krickelberg, Pastor von Kevelaer 1817 - 1863, Tagebücher und
Aufzeichnungen. Kevelaer 2001