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    SACHBEGRIFFE |
Leeuw, Gerhard

Bürgermeister in Kevelaer | * 1831 | † 1905 

Gerhard LeeuwWas sein Nachfolger im Bürgermeisteramt Mathias Marx zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Kevelaer vollzogen hat - zentrale Wasserversorgung, Kanalisation, Elektrifizierung, Rathausneubau -, ist von Bürgermeister Gerhard Leeuw entscheidend vorbereitet worden. Ihm gebührt der Ruhm, Kevelaers Infrastruktur ins moderne Zeitalter geführt zu haben.

Leeuw ist als gebürtiger Kevelaerer und Kaufmann im Ort den Einwohnern längst vertraut, als sie am 20. September 1884 aus dem KB erfahren:

Soeben ist die frohe Botschaft zugebracht, daß Herr G. Leeuw von hier zum commissarischen Bürgermeister der Gemeinde Kevelaer ernannt ist. So hat also der vielbesuchte Gnadenort wieder einen katholischen Mann an der Spitze, und die Bürgerschaft hat einen Vorsteher erhalten, welcher nicht bloß die Verhältnisse und Interessen des Ortes kennt und theilt, sondern auch bei jedem Einwohner volles Zutrauen finden wird. Wir wünschen dem neuen Herrn Bürgermeister eine lange Reihe von Jahren im Amte und eine gesegnete Wirksamkeit.

Leeuw wird im Oktober 1884 offiziell in sein Amt eingeführt. Mit seiner ersten großen Leistung reagiert er auf die Brandkatastrophe von 1881 und initiiert die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr in Kevelaer (1885). Im selben Jahr schickt Leeuw als Vorsitzender einer „Beleuchtungs-Commission“ einen Elektrotechniker in Begleitung eines Ratsmitglieds in jedes Haus, um den Bedarf an elektrischer Energie zu ermitteln. Wenig später wird der Bau einer „Elektrizitäts-Centrale“ beschlossen. Einer der ersten Kunden: die Pfarrgemeinde St. Antonius. Elektrisches Licht gibt es in Kevelaer seit dem 3. September 1897.

Im selben Jahr wehrt Bürgermeister Leew einen perfiden Angriff gegen den Wallfahrtsort ab. Der evangelische Hilfsprediger Thümmel publiziert seine Broschüre „Rheinische Richter und römische Priester“, ein primitives Pamphlet, das insbesondere die Kevelaer-Wallfahrt in den Schmutz zieht. Leeuw und sämtliche Ratsmitglieder verurteilen den Angriff Thümmels und veröffentlichen Mitte 1887 im Kävels Bläche eine Gegenerklärung:

Der evangelische Pfarrer Herr Thümmel in Remscheid stellt (...) die Behauptung auf, von den 10,000 Pilgern, welche an manchem Sonntag Abend Kevelaer besuchen, gebe es nur zwei Klassen von Pilgern, betrunkene und nicht betrunkene, die erstern seien aber die größere Hälfte! Diese Schilderung des Pilgerlebens am hiesigen Orte widerspricht aber vollständig den thatsächli-chen Verhältnissen. Ein Betrunkener ist hier zur Pilgerzeit eine geradezu seltene Erscheinung. Deshalb erklären die sämmtlichen Mitglieder des Gemeinderathes von Kevelaer, zur Abwehr der unbegründeten Beschuldigung, zur Wahrung der Ehre der Pilger, und zum Schutze des guten Namens der Gemeinde, für den zu sorgen, sie sich als die gesetzlichen Vertreter verpflichtet halten, die vorgedachte Behauptung als eine grobe Unwahrheit.
gez. G. Leeuw, Bürgermeister.

Es gibt Wichtiges zu tun: Das Rathaus, ein kleines, baufälliges Verwaltungsgebäude unmittelbar neben der Pfarrkirche, muss dringend ersetzt werden. Bürgermeister Leeuw erwirkt Ende 1899 einen Gemeinderatsbeschluss, ein neues Rathaus zu planen. Zugleich wird eine Baukommission eingesetzt. Die Grundsteinlegung im Jahr 1902 freilich erlebt Leeuw nur als Pensionär - inzwischen ist sein Nachfolger Matthias Marx im Dienst, dem es nicht gerade angenehm ist, seine Amtszeit mit einem Rathausneubau beginnen zu müssen.

Die Leeuw‘sche Rathausentscheidung ist auch für die Kirchengemeinde von großer Wichtigkeit. St. Antonius kann das Grundstück, auf dem das baufällige Rathaus steht, gegen eines am Markt tauschen und für die erheblich zu vergrößernde neue Pfarrkirche mitnutzen, deren Bau Ende der 1890er-Jahre beschlossen worden ist. Als dem Grundstückstausch Mitte 1901 im Gemeinderat zugestimmt wird, ist Bürgermeister Leeuw bereits im Ruhestand.

Noch in seiner Amtszeit wird eine radikale Abkehr von der überkommenen Abwasserentsorgung eingeleitet: Nicht länger soll ungeklärtes Abwasser offen durch die Rinnsteine laufen und von dort in Dondert und Niers. Von Krankheitsgefahren abgesehen - im Wallfahrtsort stinkt es zum Himmel. Eine Kevelaerer Kommission macht sich 1901 beim Vorsteher der Königlichen Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin sachkundig und lässt ein Gutachten erstellen. Allerdings scheitert das Großprojekt zunächst am Geld: Leeuw muss erkennen, dass sich Kevelaer eine Kanalisation nicht leisten kann.

Grab Gerhard LeeuwAuch eine zentrale Wasserversorgung (für die unter Leeuws Nachfolger Marx der Wasserturm fertig gestellt wird) ist um diese Zeit bereits angedacht. Zwar haben fast alle Häuser eigene Brunnen. Und mehrere öffentliche Pumpen sind auf dem Kapellenplatz und in einigen Straßen sowie vor der Volksschule am Marktplatz aufgestellt. Aber Leeuw hält ein Trinkwassernetz für unerlässlich. Er lässt nach Wasser bohren - wohl eine seiner letzten wichtigen Entscheidungen im Amt.

Grabstätte der Familie Leeuw
auf dem Kevelaerer Friedhof.

Zum 1. April 1901 beantragt der kranke Bürgermeister seine Pensionierung und geht zu diesem Termin in den Ruhestand. Im KB ist kurz nach der Pensionierung zu lesen:

Möge es dem Herrn Bürgermeister Leeuw, welcher auf eine fast 16jährige Thätigkeit zum Wohle und Segen der Bürgermeisterei Kevelaer zurückblicken kann und aus Gesundheitsrücksichten von seinem Amte zurücktreten mußte, vergönnt sein, noch viele Jahre die Ruhe des Lebensabends zu genießen.

Es bleiben ihm nur wenige. Im Frühjahr 1905 stirbt Gerhard Leeuw.

© Martin Willing 2012, 2013