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Ein
vergessener Kämpfer - Der Geistliche Gottfried Engels im Fokus der
Gestapo
* 1888 | geweiht 1912 | † 1961
Der unbeugsame Geistliche hat eine grauenhafte Odysee durch Gefängnisse, Zuchthäuser und Konzentrationslager hinter sich, als er im Herbst 1944 in Kevelaer ankommt. Der Pfarrer aus dem Oldenburgischen, den Bischof Clemens August von Galen so gut wie möglich schützt, soll im Marienwallfahrtsort möglichst unauffällig das Ende des Nationalsozialismus abwarten. Es ist ein Wunder, dass Gottfried Engels den Terror überlebt. Was er im KZ Dachau erdulden und sehen muss, übersteigt die Vorstellungskraft.
Von Gottfried Engels sind
bisher nur zwei Fotos veröffentlicht worden - zum einen das Kopfbild
(siehe unten, liegt nur als Fotokopie vor) und dieses Nachkriegsfoto.
Das Bild zeigt (v.l.) Gemeindedirektor Ackermann, Pastor Gottfried
Engels, den Rektor von St. Bernardin und Bürgermeister Kanders
anlässlich eines Schützenfestes in Kapellen.
Als Rektor der Klosterkirche der Klarissenschwestern in Kevelaer ist der
56-jährige Geistliche aus der „Schusslinie“ heraus. Zu tun hat er
praktisch nichts: Kirche und Kloster, die er geistlich betreuen soll,
werden am 27. September 1944 bei einem Fliegerangriff restlos zerstört.
Die Ordensfrauen kommen zunächst im Priesterhaus unter. Ob Gottfried
Engels die Klosteranlage der Klarissen überhaupt unzerstört gesehen hat
- zwischen seiner Freilassung aus dem Zuchthaus und dem Bombenangriff in
Kevelaer liegen nur wenige Wochen -, ist nicht bekannt. Gottfried Engels
hilft in den letzten Kriegsmonaten als Seelsorger dem kranken Pastor
Anton Kalscheur in St. Quirinus Twisteden.
Nach der Zwangsevakuierung Kevelaers müssen am 5. Februar 1945 auch alle
Geistlichen die Stadt verlassen. „Pfarrer Engels und Religionslehrer
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Real hatten sich selbst Ausweichquartiere gesucht, die ich aber nicht
kannte“, schreibt Kaplan
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Erich Bensch in seinen
Erinnerungen. Johannes Real taucht im
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Haus Polders unter,
Erich Bensch auf Gleumeshof, der in Kevelaer lebende Pfarrer R. Coenders
wird auf Endschenhof in Kervendonk aufgenommen. Dechant
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Wilhelm Holtmann ist zu
diesem Zeitpunkt bereits verhaftet und in Ratingen interniert. Wo sich
Gottfried Engels in den Wochen bis zum Einmarsch der Briten in Kevelaer
aufhält, ist nicht bekannt.
Nur
ein Faktum aus den ersten Nachkriegswochen kann mit seinem Namen
verbunden werden: Gottfried Engels (Bild) wird von der Ortskommandantur
der britischen Militärbehörde beauftragt, zusammen mit Helfern sämtliche
in Kevelaer lebende Personen zu zählen. Die Liste mit den Namen aller
Personen, die zu einer Wohnung gehören, muss an der Tür angeschlagen
werden. Engels stellt fest, dass etwa 1200 Menschen im Wallfahrtsort
leben.
Offenbar von Kevelaer aus wird er im Juni 1946 als Pfarrer an St. Georg
in Kapellen berufen. Mit 73 Jahren stirbt er im Mai 1961 in Xanten.
Was ist an diesem Priester so außergewöhnlich, dass er wie kein anderer
im Oldenburger Münsterland „einer solchen Fülle von drastischen
Maßnahmen unterworfen“ wird? Diese Frage untersuchte die Historikerin
Dr. Maria Anna Zumholz (Cloppenburg), die den Pastor als starke
Persönlichkeit mit extremer Charakteristik schildert: Kämpferisch,
zugleich humvorvoll und lebenszugewandt, fromm und radikal asketisch.
Der kompromisslose Seelsorger legt sich in Peheim, seiner
635-Seelen-Gemeinde, mit jedem an, der sittliche Zügellosigkeit
begünstigt, und dazu zählt der Pastor auch Tanzvergnügungen der Jugend.
Die Konflikte eskalieren, als sich im Dorf ein Reichsarbeitsdienst-Lager
ausbreitet. Ein nach Peheim versetzter Hauptlehrer, mehr als Querulant
denn als Nationalsozialist bekannt, entwickelt sich zum Gegenpol des
Ortspfarrers, und in diesen beiden Männern prallen zwei Welten
aufeinander. Engels sieht die jungen RAD-Burschen als sittliche Gefahr
für die einheimischen Mädchen, die sogar zu einem Tanzabend eingeladen
werden, was den Pastor dazu bringt, die Einladung als Verführung zur
Sünde zu geißeln.
Die Antwort folgt auf dem Fuße: Der RAD-Lagerleiter „lässt seine jungen
Männer mit nacktem Oberkörper ihren Morgenlauf durch das Dorf
absolvieren, direkt am Pfarrhaus vorbei“.
Was wie eine Variante von Don Camillo und Pepone klingt, wird
in der Wirklichkeit der Nationalsozialisten zum blutigen Ernst. Der
„Unruhestifter“, der gegen die „NS-Werte“ zu Felde zieht, muss aus dem
Verkehr gezogen werden. Und das wird er: Zehn Jahre lang, von 1934 bis
1944, wird er von einem Gericht zum nächsten gezerrt, in Zuchthäusern
und Konzentrationslagern weggeschlossen - weil er als Regimegegner in
den Fokus der Gestapo in Berlin geraten ist.
Dass ihn ein Oldenburger Sondergericht in einem Parallelverfahren zu
einer Zuchthausstrafe verurteilt, rettet ihm womöglich das Leben, „weil
sich die Lebensbedingungen für Priesterhäftlinge in Dachau seit dem
Frühjahr 1942 drastisch verschlechterten“ (M. A. Zumholz).
Gottfried Engels, der „durch seine Appelle und sein Handeln zu
kritischer und verantwortungsbewusster und damit zu widerständiger
Haltung gegen das NS-Regime“ erzieht, leistet nach Einschätzung der
Autorin „einen wichtigen Beitrag dazu, die nationalsozialistische
Herrschaft in seinem Einflussbereich nachhaltig zu schwächen“.
VITA Gottfried Engels
1888 Geboren in Gronau.
1912 Zum Priester geweiht.
1926 Pastor an St. Anna in Peheim.
1934 Anzeige wegen „staatsfeindlicher
Predigt“.
1935 Aufenthaltsverbot für die
Pfarrgemeinde Peheim: Engels hat dem Stützpunktleiter der NSDAP die
Kommunion verweigert.
1937 Verhaftung.
1939 Einweisung in die Heil- und
Pflegeanstalt Wehnen zwecks Überprüfung des Geisteszustands,
anschließend in Untersuchungsgefängnisse; Entlassung Anfang 1940 ohne
Urteil.
1940 Verzicht auf die Peheimer
Pfarrstelle, um erneuter Verhaftung zu entgehen, und Übernahme der
Vertretung des zur Wehrmacht einberufenen Kaplans Josef Perau in Walbeck
Erneute Festnahme durch Gestapo, Einlieferung ins Gefängnis Oldenburg,
dann KZ Sachsenhausen und ab November KZ Dachau.
1942 In einem gesonderten Verfahren
wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu zwei Jahren Zuchthaus und Aberkennung der
bürgerlichen Ehrenrechte (drei Jahre) verurteilt.
1944 Freilassung. - Rektor der
Klosterkirche der Klarissenschwestern in Kevelaer, Aushilfe in St.
Quirinus Twisteden.
1946 Pastor an St. Georg in Kapellen.
1961 Gestorben im Xantener
Krankenhaus.
Literaturhinweis:
Maria Anna Zumholz, Ein Kämpfer in einer problematischen Gemeinde:
Gottfried Engels in Peheim. In: Joachim Kuropa (Hg.),
Geistliche und Gestapo. Klerus zwischen Staatsallmacht und kirchlicher
Hierarchie. Münster 2004. 303 Seiten. ISBN 3-8258-8115-6