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Sparkassendirektor aus Kevelaer | * 1947 | † 2012
Am
Silvestertag 2009 schied Gerd Blombach, als Vorstandssprecher der
Verbandssparkasse einer der erfolgreichsten niederrheinischen
Unternehmer, aus dem Dienst. Wenige Wochen zuvor hatte er öffentlich den
Grund genannt. Er war an Knochenkrebs in frühem Stadium erkrankt. „Das
hat die Prioritäten meiner Lebensplanung verschoben“, sagte er damals.
Der Banker war im 25. Jahr als Direktor der Sparkasse eine Art
Gegenentwurf zu den Mächtigen der Finanzwelt, die durch Gier und
Überheblichkeit die größte Wirtschaftskrise der Zeitrechnung verschuldet
hatten. Blombach arbeitete anders. Er verdrängte nie, dass er mit Geld
wirtschaftete, das andere ihm anvertraut hatten.
Am Nikolaustag, 6. Dezember 2012, ist Gerd Blombach
gestorben. Inzwischen war die tückische Krankheit ausgebrochen, und er
hatte Chemo-Therapien überstehen müssen. Dass sein Tod so nahe war,
ahnte niemand. Er starb wenige Stunden, nachdem er zu Hause gestürzt
war, im Marienhospital Kevelaer.
Nach seinen Jahren in der Sparkasse hatte er sich
auf seine Familie konzentriert. Von dieser schönen Zeit erzählte er uns,
den ehemaligen KB-Herausgebern, bei seinen Anrufen oder in seinen Mails.
Sparkassenscheck für die
Wohnfamilie der Lebenshilfe
an der Holbeinstraße (1986, v.l.): Heinrich Ackermann (1. Vorsitzender
der Lebenshilfe), Dieter Rekuh (Leiter der Wohnfamilie), Gerd Blombach
(Sparkasse), Sabine Augustin (Lebenshilfe) und Hermann-Josef Bruns
(Sparkasse).
Ganz offenkundig wuchs zwischen uns - wenn nicht eine Freundschaft, so doch - eine freundschaftliche Bindung. Wir sind immer beim förmlichen „Sie“ geblieben. Das passte zu Gerd Blombach. Er besuchte uns in unserer ostfriesischen Heimat und erkundete, was uns wichtig war. Als wir in ein gutes Restaurant einkehrten, taten wir es zu seiner Bedingung: Sein Essen zahlte er selbst.
Grundsteinlegung für den Sparkassen-Neubau in Kevelaer (1988,
v.l.): Sparkassenvorstand Willy Hendricks, Bürgermeister
Karl Dingermann und Gerd
Blombach.
Und hier wird 1988 Richtfest
gefeiert - mit (v.l.) Gerd Blombach, Karl Dingermann und Willy Hendricks
sowie zahlreichen Gästen.
Vielleicht sind es solche Kleinigkeiten, die das Wesentliche über Gerd
Blombach sagen. „Kleinigkeiten“ wie der Stolz eines Vaters: Im Januar
2011 erzählte er uns von der Mutterschutzzeit seiner Tochter Andrea
Mikysek. Er war mit ihr losgezogen, einen Kinderwagen zu kaufen. „Ist
doch gut, wenn man als Einzelkind Mutter und Vater hat“, flachste er.
Besonders gern mailte er. Immer ging es um Politisches und mit der Zeit
zunehmend um Privates. Er berichtete über die Laborwerte seiner
onkologischen Untersuchungen, sprach sachlich von kleineren und größeren
Schwankungen, so wie er zu Sparkassen-Zeiten von kleineren und größeren
Bilanzzahlen gesprochen hätte. Noch sei die – unheilbare – Krankheit ja
nicht ausgebrochen. Körperlich merke er nicht viel.
Erst wenn wir fragten, wie er sich fühle, konnte er, nun weicher,
schildern, dass er ab und an „ein paar Tränen verdrücke“. Dann erzählte
er oft übergangslos von seiner Familie; aus jedem seiner Worte sprachen
Wertschätzung und Liebe für seine Frau Dagmar und eine innige Bindung an
seine Tochter Andrea, deren Weg zur Fachärztin für Kinder- und
Jugendpsychiatrie er mit liebevoller Hochachtung begleitete. Er war
väterlich stolz auf seine Tochter, die ihm mit medizinischem Rat zur
Seite stand und mit Andreas Mikysek einen guten Schwiegersohn beschert
hatte.
Vielleicht lernte Gerd Blombach in den Jahren nach der Sparkassenzeit
seine familiäre Seite neu kennen, besonders als sein Enkeltöchterchen
Martha auf die Welt kam und ihn warmherzig über die Stunden mit dem Kind
erzählen ließ.
Gerd Blombach und
> Hans Broeckmann, dessen Verdienste um
das Sparkassenwesen im Amt des Vorsitzenden des Verwaltungsrats 1994 mit
der Verleihung der Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille gewürdigt
wurden.
Vielleicht zwei- oder dreimal, wenn er von körperlichen Rückschlägen
berichtet hatte, sagten wir ihm, dass wir, die katholischen Christen,
für ihn, den evangelischen Christen, eine Kerze anzünden und beten
würden. Dann konnte seine Stimme brüchig werden. Später erzählte er
einmal, er sei mit seiner Frau Dagmar in die Basilika gegangen und habe
dort selbst Kerzen angezündet.
Da wussten wir, dass Gerd Blombach sich längst mit letzten Dingen beschäftigt hatte.
Impuls-Vorsitzender
Stefan Reudenbach und sein Vorgänger Paul Wans wussten zu schätzen, was
der Kulturverein an der Sparkasse hatte, nämlich seinen Hauptsponsor,
ohne dessen Engagement der >
Verein Impuls sein Kulturprogramm nicht hätte durchführen können.
Das Bild von 2005 zeigt (v.l.) Kevelaers Bürgermeister Dr. Axel Stibi,
Impuls-Vorsitzenden Stefan Reudenbach und Sparkassenchef Gerd Blombach.
Begonnen hatte sein Leben im Bergischen. Früh
lernte der junge Gerd Selbstständigkeit kennen. Sein Großvater arbeitete
als freier Bandwirkmeister. So hießen im Bergischen die Weber. Später
übernahm Vater Paul die Werkstatt. Gerd, angetan mit blauer
Kittelschürze, sah Schiffchen flitzen und legte Spulen ein. „Das habe
ich nie als Arbeit empfunden. Hilfe war selbstverständlich.“ Als Stoffe
verstärkt aus dem Ausland eingeführt wurden, suchte sich der Vater einen
weiteren Erwerbszweig und eröffnete eine Nordstern-Agentur mit
Tabaklädchen. Er verkaufte Versicherungen, Mutter Klara Zigaretten und
Zeitschriften.
Gerd und sein acht Jahre älterer Bruder Jürgen
wuchsen behütet auf. Die Söhne bekamen früh ein kleines Taschengeld und
lernten, mit ihren Groschen zu haushalten. Ansonsten besuchten sie Tante
Else an der Nordsee mit Vaters Goggomobil, später mit einem Brezelkäfer,
saßen samstags vorm Schwarz-Weiß-Gerät und guckten „Stahlnetz“.
Bald verdiente Gerd sein erstes Geld. Einmal im
Monat fietste er die Kundschaft ab, um an den Haustüren bar die
Versicherungsbeiträge einzuheimsen. Einen Bruchteil der Einnahmen durfte
er behalten.
Als er 16 war, nahm ihn Bruder Jürgen mit zu seiner
Arbeitsstelle bei der Sparkasse Remscheid. Staunend sah Gerd den Bruder
mit anderen Augen: Er trug am eigenen Schreibtisch Anzug und Schlips.
Gerd war beeindruckt. „Das fand ich toll. Das wollte ich auch!“ Bald war
die Bewerbung geschrieben, und Gerd bekam seinen Ausbildungsvertrag zum
Bankkaufmann.
Blombach befasste sich fortan mit allem, was anfiel, hatte nicht nur
Geld in den Händen, sondern auch Berge von Briefen, die mit dem
Frankomat freigemacht werden mussten, bekam lange Arme von Münzrollen,
die er zum Tresor schleppte, und erlebte die einzig herbe Schlappe
seiner Karriere, als er, blutjunger Hilfskassierer, zum Monatsende am
Schalter stand, im Akkord Löhne auszahlte und abends 400 Mark zu wenig
hatte; seine größte Sorge: „Hoffentlich denkt niemand, ich hätte das
Geld unterschlagen.“
Wenn es neue Chancen gab, meldete sich der Junge immer, bildete sich
fort, ertrug gern einen strengen Chef, weil er sah, dass er von ihm
analytisches und vernetztes Denken lernte,
schaffte 1971 die Fachprüfung für den gehobenen Sparkassendienst,
besuchte Seminare, kam - hohe Auszeichnung - 1974 mit 27 Jahren in die
Prüfungsstelle des rheinischen Sparkassen- und Giroverbands in
Düsseldorf, machte 1976 sein Verbandsprüferexamen, schaute Instituten in
die tiefsten Eingeweide, sezierte sie, geriet für die letzte Prüfung vor
der Fusion der Sparkassen Kevelaer, Goch und Weeze an den Niederrhein,
übernachtete monatelang in der Martinsschenke in Nierswalde und kannte, als er 1985 einstimmig zum Vorstandsvorsitzenden
gewählt wurde, seine neue Kasse in- und auswendig. Er war 38 Jahre alt.
Eigentlich war ein anderer gewählt worden, doch der hatte das
Vertragsergebnis nachverhandeln wollen und gepoltert, ohne das erwartete
Zugeständnis stehe er nicht zur Verfügung. Bürgermeister Karl Dingermann
bat ihn, genau dies zu tun, nämlich nicht zur Verfügung zu stehen; er
rief Gerd Blombach an, der sich ebenfalls beworben hatte, bald darauf in
Kevelaer einfand und seine künftigen Bezüge genannt bekam. Er hatte sich
vorher ausgemalt, was er fordern würde, stellte mit roten Ohren fest,
dass er weit mehr bekommen sollte, und sagte später: „Mühsam musste ich
den Impuls unterdrücken, meinen Gesprächspartner zu umarmen.“
Schnell fühlte sich der Mann aus dem Bergischen am Niederrhein wohl und
entwickelte eine verlässliche Loyalität zu dem Lebensraum, für den er
arbeitete und in dem er wohnte. Was die Sparkasse erwirtschaftete,
reinvestierte er in unsere Heimat - sei es als Arbeitgeber mit stets
ungewöhnlich hoher Ausbildungsrate, als Auftraggeber auch großer
Bauprojekte oder als sozial-kultureller Förderer mit 300.000 Euro pro
Jahr für unsere Gemeinden.
Verantwortung übernahm Blombach mit einer ungewöhnlichen Mischung an
Veranlagungen, die er offenkundig selbst gut aushielt. Er war
dickschädelig ohne Starrsinn, ein bodenständiger Praktiker mit dem Hang
zu innovativer Entdeckerfreude, ein Mann, der die Sparkasse mit
leidenschaftlichem Engagement führte, so als sei sie sein eigener Laden,
obwohl ihm nicht einmal die Lüster an der Decke gehörten.
Gern erzählte Blombach von der langen, guten Zeit mit der Politik bis
nach seiner einstimmigen Wiederwahl 1999, berichtete von Kevelaerer
Persönlichkeiten wie
> Karl Dingermann,
>
Hans Broeckmann,
>
Hannes Selders
oder
> Dr. Klaus Hölzle, die „man von einer Sache überzeugen konnte“, weil
sie nicht parteipolitische Ziele im Auge hatten.
Gerd Blombach zögerte 1990
nicht, der Sparkasse in der Kreisstadt Fürstenwalde östlich von Berlin
mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihr bei der Umstellung und
Weiterentwicklung im vereinten Deutschland zu helfen. Das Bild zeigt
(v.l.) den Kevelaerer Vorsitzenden des Sparkassenvorstands mit dem
Landrat des Kreises Fürstenwalde, > Dr. Mathias Schubert (†), den
Fürstenwalder Sparkassenchef Ingo Fahlisch und das Willy Hendricks vom
Vorstand der Verbandssparkasse Goch-Kevelaer-Weeze.
Die Zeiten mit der Politik blieben nicht immer gut.
Einschüchterungsversuche mehrten sich. Politiker versuchten Blombach,
den Chef des öffentlich-rechtlichen Instituts, für parteiliche Ziele
in die Zange zu nehmen. Blombach sperrte sich. Sie machten ihm die
Wiederwahl streitig - kein leichtes Unterfangen, denn Blombachs
Unternehmenserfolg war längst so unumstritten und durch den Verband
preisgekrönt, dass ihn keiner als Deppen hinstellen konnte. Andere
Anwürfe mussten her.
Eröffnung und Segnung der
neuen Realschule in Kevelaer Ende 1990: Gerd Blombach mit Direktorin
Barbara Korte.
Mal attackierten Politiker Blombachs Kreditpolitik (kurz darauf
bescheinigte ihm der Verband, sie sei erstklassig), ein andermal war er
ihnen als Chef zu harsch (die Mitarbeitervertretung stellte sich sofort
öffentlich hinter ihn). Schelte bekam Blombach, als er die teure
Mitgliedschaft seines Instituts in der WfG wegen erwiesener
Nicht-Wirkung kündigte oder der politisch gewollten Sparkassen-Fusion
nicht freudig zustimmte.
Jubiläum 350 Jahre Wallfahrt Kevelaer
(1992) - Ausstellung in den Sparkassenräumen (v.l.): Gerd
Blombach, Vorsitzende Marlies de Jong vom >
Verkehrsverein und
Sparkassen-Mitarbeiter Hans-Georg Knechten.
Unvergessen ist der Akt von Gocher Christdemokraten, die Blombach 2004
per Stadtrats-Beschluss daran hindern wollten, Sparkassendirektor zu
bleiben - eine peinliche Posse, weil die Kommunalräte bei der Wahl
nichts zu melden haben. Die Gocher scheiterten kläglich.
„Wenn es mir zu bunt wurde, habe ich mir meinen Vertrag durchgelesen und gesehen, dass ich abgesichert bin“, sagte Blombach 2009. Dann wappnete er sich mit seiner Zivilcourage und beschritt ungewohntes Terrain. Einmal schaltete er den Deutschen Presserat ein, als eine Tageszeitung ihn mit einem gefälschten Zitat verhöhnte; ein andermal klagte er bei Gericht, als er gegen persönliche Interessen gezwungen werden sollte, empfindliche Daten zu veröffentlichen. Hier wie dort - und im Nachgang vor allem mit seiner umsichtigen Geschäftspolitik - bekam er Recht. Blombach ging entschieden seinen Weg.
Gerd Blombach im Gespräch
mit dem Ehrenbürger der Stadt Kevelaer, Pfarrer em.
>
Richard Schulte Staade
(2009).
Es war kein einsamer Weg. „Ich bin stolz auf die Leistung meiner
Mitarbeiter“, sagte er und freute sich an „unseren sehr zuverlässigen
Führungskräften“, die meisten „Gewächse“ aus dem eigenen Haus.
Blombach hat sich immer gern von Andersdenkenden inspirieren lassen,
wenn ihre Ideen mit Sachverstand unterfüttert waren. Er sah sie mit
Freude als Herausforderung. Ein Vierteljahrhundert lang holte sich der
Chef immer wieder externen Sachverstand ins Haus.
Früher als die meisten anderen Institute führte er im Innenverhältnis
betriebswirtschaftliches Denken ein. So war die Sparkasse bestens
aufgestellt, als noch niemand ahnte, wie sehr sich die Landschaft durch
neue Banktypen, die rund um die Uhr über Telefonleitungen „geöffnet“
hatten, verändern würde. Er gehörte zu den ersten, die sich zu Hause
einen Internetanschluss legen ließen und erfuhr im Selbstversuch, worauf
immer mehr Kunden setzten.
Noch 2009 ließ Gerd Blombach von Externen das gesamte Kostenmanagement
durchleuchten. So hinterließ er seinem Nachfolger Thomas Müller in jeder
Beziehung eine bestens aufgestellte Sparkasse. Das bescheinigte ihm der
Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes Michael Breuer
in einem ungewöhnlich persönlichen Abschiedsbrief. Er dankte Blombach
für seine Arbeit, geführt mit „großem Engagement und Leidenschaft“ und
Mut.
Gerd Blombach (2009).
Nie hat Gerd Blombach seine Berufswahl bereut, gern wäre der 1947er bis
zu seinem 65. Lebensjahr Sparkassendirektor geblieben
und 2010 wiedergewählt worden. Im September 2009 wusste er, dass es
anders kommen würde. Er starb drei Jahre später am Nikolaustag 2012 mit 65 Jahren.
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