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Kevelaers erste verkehrsberuhigte Straße - inzwischen ein Brennpunkt
Sie wurde 1986 Kevelaers erste verkehrsberuhigte Straße (Schritttempo für alle Fahrzeuge und Vorfahrt für Fußgänger). Sie zu einer reinen Fußgängerstraße wie die Hauptstraße (1973) zu gestalten, stand nicht zur Debatte. Denn die Amsterdamer Straße war - wie Busmann- und Maasstraße, die später ebenfalls verkehrsberuhigt wurden - für den innerstädtischen Verkehrsfluss unverzichtbar.
Amsterdamer Straße 1908.
Trotz der
erheblichen Verbesserungen braute sich in der Amsterdamer Straße Unmut
zusammen. Wer dort arbeitete und lebte, fühlte sich vom Strom der vielen
Kevelaer-Besucher abgehängt. Ein anschauliches Bild von den Empfindungen
gab 1992 Birgit Pauli-Heijnen, damals zur KB-Redaktion gehörend, im
Kävels Bläche. „Warum ist hier nichts los?“ fragte sie und schilderte
auf einer Doppelseite die Probleme dieser Straße.
Ihr Bericht begann mit der Aussage von Marianne Steenmanns-Feegers: „Die
Amsterdamer Straße ist eine ganz tote, abgestorbene Straße“. Nicht
anders der Kommentar von Harry Mews jr.: „Die Situation ist besch...“
Und Ingeborg Cürvers fand: „Es ist schade, dass die Straße immer mehr an
Niveau verliert“. Ernst Valkyser wies auf die leer stehenden Häuser hin.
Ursula Renard sah die Straße im Abseits. >
Gerd Plümpe beklagte, dass sich
die >
Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht für diese Straße einsetze.
Die WfG kümmere sich lieber um Gewerbegebiete, meinte Liesel van Lipzig.
Schließlich wurde >
Martin Pauli zitiert, einer der erfahrensten Insider
Kevelaers, der - ebenso wie Carola Henning sen. - verhalten
zuversichtlich war: „Die Amsterdamer Straße ist nicht tot, sie schläft
nur.“
Das war die Stimmungslage im Jahr 1992, rund sechs Jahre nach der
Herrichtung der Amsterdamer Straße zur verkehrsberuhigten Zone.
Sie ist, als Teil des Handelswegs zwischen Weeze und Geldern, eine der
ältesten Straßen im Ort. Schon 1662 scheint hier eine erste Bebauung
vorgenommen worden zu sein: Unweit des neuen
> Oratorianerklosters
entstand auf einem Acker die Herberge de halve maen an der heutigen Ecke
zum Kapellenplatz. Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammen die Häuser
den kayser (Amsterdamer Straße 27, Iding) und Morian (Nr. 9, Cürvers).
Die alte Heerstraet dürfte bereits im 18. Jahrhundert eine vergleichbare
Bebauung aufgewiesen haben wie ihre Verlängerung, die Hauptstraße,
freilich ungleich „lockerer“ als heute. Denn der gesamte Ort Kevelaer
bestand Anfang des 19. Jahrhunderts aus gerade mal 145 Häusern.
Die Amsterdamer Straße war nicht weniger bedeutsam als die Hauptstraße.
Und natürlich bekam auch sie 1864 eine Straßenbeleuchtung, nachdem die
Gemeinde die Aufstellung von Petroleumlampen beschlossen hatte.
Einem Aufsatz von >
Herbert Cürvers sen.
aus dem Jahr 1985 verdanken wir einen Überblick über die Entwicklung von
Anwesen an der Amsterdamer Straße bis 1985:
Im Gasthof „Zur Stadt Utrecht“ hatte der Besitzer Hermann Rauers eine Zeit lang eine Werkstatt, in der Holzarbeiten für Devotionalien und Kircheninventar hergestellt wurden. Im Textilhaus Waitschies befand sich das Porzellangeschäft Kessels. Nach dem Krieg eröffnete Waitschies hier eine Tauschzentrale. Daran schließen sich Porzellan-Koch und im selben Haus eine Pizzeria an; hier wohnte der Polychromeur Bruckmann. Im Kindermoden-Haus war früher das Schuhgeschäft Rademacher und nach dem Krieg ein Lebensmittelgeschäft untergebracht. Die Geschwister Küppers hatten im Nachbarhaus ein Schreibwarengeschäft, das später von der Familie Arzt übernommen wurde und dessen Inhaber ein Schreibwaren- und Devotionaliengeschäft betreibt. Im Eckhaus Franchi war ebenfalls ein Schreibwarenladen von den Forstreuters, heute ist es ein Devotionaliengeschäft. Devotionalien auch im Nebenhaus von Grete Franchi - hier war eine Art Halle, in der die polychromierten Gipsfiguren ausgestellt waren, die in den Werkstätten von Franchi hergestellt wurden. (...)
Nach dem Zweiten Weltkrieg - die Amsterdamer Straße hatte unter den Ketten der Panzer erheblich gelitten - mussten die Anlieger lange Zeit mit Provisorien leben. Erst 1957 zogen Straßenbaukolonnen in die Amsterdamer Straße. 50 Jahre zuvor hatte die Straße einen Betonunterbau mit Stampfasphaltplatten als Decke bekommen. Inzwischen hatten sich Platten vom Unterbau gelöst. Nun wurden die losen Platten entfernt und die Lücken mit Teersplitt gefüllt. Als Verschleißschicht wurde eine Kalksteindecke aufgetragen. Gussasphalt, die bessere Lösung, wäre dreimal so teuer gewesen, hieß es in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht.
Amsterdamer Straße 1945.
Ein
Schmuckstück war die Amsterdamer Straße nun nicht gerade geworden. Erste
Hinweise auf eine grundlegende Neugestaltung kamen 1971 auf, als im
Stadtrat die Verkehrsplanung für die City diskutiert wurde. Für die CDU
hatte Bernhard Mütter einen Stufenplan ausgearbeitet: Der Kern der
Stadt, der Kapellenplatz, solle vom Verkehr nur tangiert werden - durch
drei Einbahnstraßenschleifen, nämlich Haupt-, Neu-/Busmann- und
Amsterdamer Straße. Endziel war, den Verkehr völlig auszusperren.
Die vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen liefen ins Leere, denn das
letzte Wort hatte das Straßenverkehrsamt, und das lehnte die Pläne
postwendend ab.
Dennoch: Zwei Jahre danach hatte Kevelaer seine erste „fußläufige“
Straße - die Hauptstraße. Und 1985 folgte der Ausbau der Amsterdamer
Straße zur verkehrsberuhigten Straße.
Mit Sorge wurde die strukturelle Entwicklung dieser Straße verfolgt, in
der sich nur wenig Neues entfaltete. 1991 kamen die Politiker im
Planungsausschuss zu der Einsicht: „Für die Amsterdamer Straße muss
etwas getan werden.“
Nach langem Ringen entschloss sich der Ausschuss, Teile des Mischgebiets
in ein Kerngebiet mit Vorrang für Gewerbe umzuwidmen, um größere
Projekte (mehr als tausend Quadratmeter) zu ermöglichen. Die von
Kritikern befürchtete Ansiedlung eines Unternehmens mit „gigantischer“
Ausdehnung trat nicht ein. Und andere Projekte verschiedener
Großinvestoren kamen über das Planstadium nicht hinaus.
So blieb es den Anliegern vorbehalten, hauptsächlich aus eigener Kraft
ihre Straße zu attraktivieren, und das gelang zunächst weitgehend durch
die zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten ansässigen Geschäfte selbst.
Dass die Amsterdamer Straße hervorragend mit Parkraum versorgt ist, weiß
allerdings nicht jeder: Auf dem noch recht neuen Parkplatz zwischen
Amsterdamer und Friedenstraße, den Fußgänger durch eine Passage von der
Amsterdamer Straße aus erreichen können, findet man immer ein freies
Plätzchen - und das mitten in der City.
2013 zeigte sich, dass die verhaltene Aufbruchstimmung in der
Amsterdamer Straße nicht lange angehalten hat. Mindestens fünf
Ladenlokale standen leer und suchten Nachmieter. Mit dem Wegzug von
Optik Plümpe, einem "Anker-Geschäft" für die kleine Amsterdamer Straße
mit anziehender Wirkung, das sich nun an der Hauptstraße befindet,
kippte die Stimmung in Frustration um.
Der "Brennpunkt Amsterdamer Straße" wird die Stadtpolitik, den
Verkehrsverein und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft noch
beschäftigen - so oder so.