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Teil 54

Die Hautarzt-Affäre und der Prozess (3)

Logo für das nächste KapitelLogo für das vorige KapitelVon Martin Willing

Anfang Juli wollte der Kevelaerer Pfarrer Richard Schulte Staade die KB-Rubrik "Bedenkliches" dafür benutzen, um die Gerichtsberichterstattung des KB über den Fall des Dr. F. zu diskreditieren:

"Für eine gute Berichterstattung sind wir allemal und um es nicht nur bei Gerüchten und vagen Vermutungen zu lassen, geht es auch oft nicht ohne Details", schrieb Schulte Staade. "Dennoch sollten 'nackte' Tatsachen doch des Schutzes der Intimsphäre unterliegen. Man kann auch nicht, um der Wahrheit und der berechtigten Entrüstung zu dienen, etwa aus einem Gerichtssaal, mag die Verhandlung noch so öffentlich sein wie sie will, fast an Pornographie grenzende Dinge mitteilen. Auch wenn sie wahr und 'nackte' Tatsachen sein sollten. (…) Denn, wenn es da Behandlungsweisen sehr eigener Art gegeben hat, könnte ganz schnell auch anderen ambulanten Patienten etwas unterstellt werden. Ich wurde von einer Betroffenen und auch anderen aus oben besagtem Klientel angesprochen. 'Meine Frau hat das Gefühl, ihr werde unterstellt - weil sie wegen eines Exems zwischen den Fingern mehrfach die Praxis aufsuchen mußte - als gäbe es auch andere Interessen.' So fühlen sich Menschen in ihrem Intimbereich in ein 'bestimmtes Licht' gestellt und da ist es für mich bedenklich, ob so etwas so detailliert gebracht werden muß (…)"

Delia antwortete dem Pfarrer:

"Die betroffenen Frauen im Fall des Dr. F. haben ausdrücklich Öffentlichkeit - auch und gerade über die Praktiken - gewünscht. Sie wollten anderen Frauen deutlich machen, wie subtil Übergriffe sich bis zum vollzogenen sexuellen Missbrauch entwickeln und wovor sie sich folglich schützen können. Sie wollten zudem verdeutlicht haben, worin das Vergehen des Arztes nach Meinung des Gerichts konkret besteht, um ihr Leid verständlich zu machen. Sie, Herr Pastor, kehren das Anliegen der Frauen ins Gegenteil um; Ihre Wortwahl 'an Pornographie grenzend' ist vor diesem Hintergrund unsäglich deplatziert. Der Arzt ist wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Es nützt niemandem, ein Mäntelchen um die schlimme Wahrheit zu legen, am allerwenigsten den Patientinnen. Dass ihre Not und die Not wendende Aufgabe, andere Frauen vor Übergriffen zu schützen, nicht öffentlich beschrieben werden können, ohne dass diese Beschreibung sich das Etikett 'an Pornographie grenzend' gefallen lassen muss, verletzt die Frauen zum zweiten Mal. Das lassen wir nicht zu. Ihren Text lehnen wir ab."

Nach dem Prozess gab sich der Verfasser des Flugblatts, mit dem alles begonnen hatte, dem KB gegenüber zu erkennen. Der Schutz seiner Identität bleibt bis heute gewahrt. Delia Evers schrieb dem Mann: „Sie sagen, dass Sie keine Genugtuung empfinden. Das ehrt Sie, und so habe ich Sie eingeschätzt. Aber vielleicht ist es Ihnen möglich zu erspüren, wie viel Leid Sie gelindert und wie viel Leid Sie verhindert haben. Darüber, nicht über das Urteil, dürfen Sie sich gewiss freuen.“

Im November 2002 meldete das Klever/Gocher Wochenblatt unter der Überschrift „Diese Frau hat Zivilcourage gezeigt“: „Mit dem ‚Inge v. Bönninghausen-Preis‘ wurde jetzt Delia Evers, Chefredakteurin des ‚Kevelaerer Blatt‘ ausgezeichnet. Der Preis, 1998 von Kölner Frauen und Frauenprojekten ins Leben gerufen, ist eine Auszeichnung für Frauen, ‚die Zivilcourage, Unbestechlichkeit und besonderes feministisches Engagement gezeigt haben‘.“

Der Preis wurde alle zwei Jahre an eine einzelne Frau, eine Gruppe oder ein Frauenprojekt verliehen. Erste Preisträgerin war Dr. Inge von Bönninghausen, Journalistin, Redakteurin und Moderatorin der Sendung frau tv im WDR, danach Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Zweite Trägerin des Preises wurde die Prinzipalin des Kölner Piccolo-Theaters, des einzigen Frauentheaters in NRW: Ingund Mewes (†).

Delia, die dritte Preisträgerin, bekam den Preis im Rahmen einer Feierstunde in der Begegnungsstätte des Museums in Kevelaer überreicht. In der Einladung zu dem Fest hieß es unter anderem: „Delia Evers hat [in ihrer Berichterstattung] außerordentlichen Mut bewiesen.“

Anfang Februar 2003 bestätigte der Bundesgerichtshof das Klever Urteil. In der Pressestelle des Bundesgerichtshofs hieß es: „Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Gelegenheit der ärztlichen Behandlung zu besonders erniedrigenden sexuellen Übergriffen genutzt.“ Und weiter: „Seine Revision blieb im wesentlichen ohne Erfolg; das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig.“

Im April 2003 entzog die Bezirksregierung in Düsseldorf dem Arzt die Approbation auf unbefristete Zeit.

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